# taz.de -- Neues Album von Klaus Johann Grobe: Verdaue den Zeitgeist | |
> Motorisch und kosmisch begabt: Das Schweizer Krautrock-Duo Klaus Johann | |
> Grobe kommt mit dem Album „Du bist so symmetrisch“ auf Tour. | |
Bild: Züri und Basel brennen: Sevi Landolt und Dani Bachmann sind Klaus Johann… | |
Mit Klaus Johann Grobe lässt sich gut über den Lauf der Dinge nachdenken. | |
Ist das das Ende oder ein Anfang, fragten sie sich 2014 auf ihrem | |
Debütalbum „Im Sinne der Zeit“. Eigentlich nur als Kurzzeitprojekt gedacht, | |
verdanken wir es der angelsächsischen Liebe zum Psychedelic-Pop und der | |
Faszination für die etwas schrulligen „Krauts“, dass nun das dritte Album | |
der Neo-Krautrock-Band aus Zürich und Basel vorliegt. Klaus Johann Grobe | |
spielten schon auf britischen Festivals und gewannen ein US-Label für sich, | |
bevor sie überhaupt auf Bühnen ihrer Schweizer Heimat standen. | |
Der Sound von Sevi Landolt und Dani Bachmann, die hinter Klaus Johann Grobe | |
stecken, umkreiste von Beginn an Bereits-Dagewesenes, mit Hammond-Orgel und | |
Synthesizern, wabernd und aufmunternd wie in einer kosmischen | |
Krautrock-Disco. Auch ihr Zweitling „Spagat der Liebe“ (2016) suhlte sich | |
in Rosarotem und versuchte nicht nur Frühlingsgefühle in Einklang zu | |
bringen, sondern auch Schlager und Kunst. | |
Bei dem Duo, das bisher höchstens ironisch auf Aktuelles Bezug nahm, hat | |
nun auf dem dritten Album tatsächlich der Zeitgeist Einzug gehalten. Und | |
der tönt nicht unbedingt froh. Es sei nicht möglich gewesen, die positive | |
Grundstimmung ihres letzten Werks künstlerisch aufrechtzuerhalten, gibt | |
Sevi Landolt beim Gespräch mit der taz unumwunden zu. „In den vergangenen | |
zwei Jahren ist auf der Welt so viel passiert, das einen, gelinde gesagt, | |
nachdenklich gestimmt hat.“ | |
## Omnipräsente Polarisierung | |
Die Polarisierungen der politischen und gesellschaftlichen Lager, Donald | |
Trump, vor allem die globalen Fluchtbewegungen – es gebe keinen Tag, an dem | |
dieses Thema nicht omnipräsent sei, meint Landolt: „Wir sind nach zwei | |
Jahren immer noch weit entfernt davon, dass die Leute begreifen, dass es | |
jetzt so ist und auch gut so ist – nicht die Fluchtursachen natürlich, aber | |
dass die Menschen hier leben.“ | |
Schwere Gedanken beschäftigen Bachmann und Landolt also auch im Club, auf | |
den das neue Album zu verweisen scheint: Ein trocken-bratziger Bass wird | |
vom gewohnt treibenden Schlagzeug begleitet. Das klingt weniger verträumt, | |
weniger nach sich motorisch hochschraubendem Krautrock als zuvor, der | |
Rhythmus ist nun oft gerader, konkreter, tanzbarer. [1][„Discogedanken“] | |
heißt auch der Auftaktsong. „Wir haben es fast etwas bereut, dass wir das | |
erste Stück so genannt haben, denn wir haben uns mit dem Album wieder | |
stärker vom eigentlichen Discosound entfernt“, gesteht Landolt, der singt | |
und die Synthesizer bedient. „Spezifisch in dem Stück ist eher die | |
Faszination von Disco im Sinne des Sich-Loslösens, an nichts zu denken, | |
außer daran, Spaß zu haben. Doch schafft man das ja nicht immer, oder | |
will’s auch gar nicht schaffen.“ | |
Dass ihr Sound nun etwas kühler klingt, liegt auch daran, dass auf „Du bist | |
so symmetrisch“ ihr signature instrument, die Hammond-Orgel, nicht mehr zu | |
hören ist. Hinzugekommen sind stattdessen neue Synthesizer, allesamt aus | |
den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, sowie eine elektrische | |
Gitarre. | |
## Gegen Sterilität | |
Vor allem aber haben die beiden mehr „getüftelt“ als zuvor. Ein Teil des | |
Albums sei auch in der Postproduktion entstanden, mit Mischer David | |
Langhard hat das Duo mehr am Sound gedreht. „Da liegen auf meinem analog | |
eingespielten Schlagzeug dann auch noch gesamplete Drums“, meint Dani | |
Bachmann. Doch ihrer Spezialität, den analogen Synthesizern, Hall- und | |
Effektgeräten, lassen sie nach wie vor Raum, auch ein Eigenleben zu führen: | |
„Man kann Musik sehr steril machen, indem man alles programmiert, alles | |
quantisiert, alle Fehler nicht bloß ausmerzt, sondern dafür sorgt, dass es | |
gar nicht erst zu Fehlern kommt. Viele moderne Songs klingen einfach nicht | |
nah genug, weil das Leben in ganz vielen Details fehlt“, erklärt Landolt. | |
Das neue Album von Klaus Johann Grobe klingt trotz der Freiheiten der | |
Klänge durchdachter. Auch deswegen, weil die Stücke ineinander laufen, | |
spacige Effekte blubbern von einem Track in den nächsten. Das Duo verwendet | |
aber auch kleine Sprach-Schnipsel aus dem Studio zwischen den Songs, die – | |
verfremdet – die Entstehung der Stücke und das Zusammenspiel der beiden | |
Köpfe der Band festhalten. Man merkt: Es ist viel Persönliches von den | |
beiden eingeflossen. | |
So ist auch wieder Platz für den ganz eigenen Humor von Bachmann und | |
Landolt. In der Mitte des Albums prangt ein Sample, das dokumentiert, wie | |
Tesla-Chef Elon Musk einen seiner Wagen auf einer Rakete ins All | |
katapultiert: „Das ist eine absolute Sensation, das ist Wahnsinn, das ist | |
unfasslich, was wir hier sehen, hier wird die Geschichte der Menschheit neu | |
geschrieben!“, überschlägt sich ein Kommentator. Mit viel Hall belegt, | |
scheint seine Stimme in dieser Situation zwischen Verschwendung und Unsinn | |
selbst von weit weg zu kommen. | |
## Totale Reizüberflutung | |
Wie sehr die Themen der Zeit die Band beschäftigen, zeigt auch [2][„Watte | |
in meinem Kopf“], ein Stück, das die Ohnmacht gegenüber Krisen und ihrer | |
ständigen Präsenz thematisiert. „Man hört sich online einen Tanz-Hit an, | |
streicht ein Fenster weiter und sieht, wie Menschen in Syrien | |
niedergeschossen werden“, konkretisiert Landolt die Reizüberflutung. „Man | |
kommt dort kaum heraus.“ | |
Doch all diesen düsteren Aussichten zum Trotz singen Klaus Johann Grobe | |
auch: „Da ist nur Watte in meinem Kopf, komm und schau dir das an.“ Sie | |
laden uns alle ein, in ihre Welt, zum gemeinsamen Verdauen von Zeitgeist in | |
ihrem kosmisch-funkigen Disco-Universum. | |
16 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=isLiuMN9JLs | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=zAxNFejuYxc | |
## AUTOREN | |
Diviam Hoffmann | |
## TAGS | |
Synthesizer | |
Frankreich | |
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