| # taz.de -- Umgang mit Missbrauch in der Kirche: Das ist kein Versehen | |
| > Die evangelische Kirche beschäftigt sich mit Missbrauchsfällen. Mehr | |
| > Distanz zu Jugendlichen wird oft gefordert, ist aber nicht immer | |
| > sinnvoll. | |
| Bild: Ein Pastor mahnte in der Synode, das Feierabendbier allein zu trinken sta… | |
| Missbrauch ist kein rein [1][katholisches Problem]. Es gibt ihn überall, wo | |
| Menschen aufeinandertreffen und gerade dort, wo Menschen schutzbedürftig | |
| sind. Die Synode der evangelischen Kirche in Deutschland hat diese Woche | |
| diskutiert, wie sich Missbrauch in Zukunft verhindern oder zumindest besser | |
| aufarbeiten lässt – denn mittlerweile sind auch in der evangelischen Kirche | |
| [2][rund 500 Missbrauchsfälle bekannt]. | |
| Zum Ende der Synode am Mittwoch haben die evangelischen Kirchen deshalb | |
| einen 11-Punkte-Plan mit Schutzkonzepten für Betroffene veröffentlicht. | |
| Bischöfin Kirsten Fehrs stellte ihn vor. Die Punkte beziehen sich vor allem | |
| auf die Aufarbeitung: Studien, zentrale Ansprechstellen, Seelsorge. Zentral | |
| für die Fälle, die schon bekannt sind. | |
| Aber was ist mit dem Missbrauch, der noch kommt? Fehrs nannte einige | |
| Probleme, die die Kirche aus ihrer Sicht angehen müsse, weil sie die | |
| Hemmschwelle potentieller TäterInnen senken würden. Eins davon: die | |
| „unreflektierte Vermischung von Privatem und Dienstlichem“. | |
| Auch deshalb mahnte ein Kantor auf der Synode, sich selbst Grenzen in der | |
| Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu setzen. In der Probe zwei Meter | |
| Abstand vom Chor, das Feierabendbier für sich anstatt mit den Jugendlichen | |
| trinken. Und das Mädchen, das in der Chorprobe weint? Trösten besser die | |
| anderen Kinder. Notwendigen Trost versuche er nichtkörperlich zu | |
| vermitteln. Solche Situationen gibt es aber nicht nur im Chor. Gelten diese | |
| Regeln dann nicht auch für die Fußballtrainerin, die Mitarbeiterin im | |
| Jugendzentrum, den Dirigenten der Big Band? | |
| ## Täter handeln bewusst | |
| Diese Einstellung ist radikal. Sie stellt die Beziehung von allen, die sich | |
| für Kinder und Jugendliche engagieren, zu ihren Gruppen in Frage. Nur | |
| verändern solche Vorschläge am Ehesten das Verhalten von ohnehin schon | |
| Wohlmeinenden und Sensibilisierten – wohingegen potentielle Täter sich | |
| einfach auch weiter nicht daran halten werden. Denn: TäterInnen „rutschen“ | |
| nicht einfach in den Missbrauch hinein. Sie begehen ihn bewusst. | |
| Auch die von Fehrs angesprochene „unreflektierte Vermischung von Privatem | |
| und Dienstlichem“ klingt nach Fällen, die der Kantor beschreibt. Zu viel | |
| Nähe zu den Schutzbedürftigen ohne böse Absicht, weil man hier nach der | |
| Arbeit noch ein Bier mit ihnen getrunken und da jemandem bei seinen Sorgen | |
| zugehört hat. Solche Nähe entsteht bei Jugendgruppen automatisch, weil | |
| ehrenamtliche Leiter für die Jugendgruppen oft mehr sind als nur | |
| professionelle Aufpasser. Sie sind gleichzeitig Ansprechpartner und | |
| Vertrauenspersonen. Das sollte aber kein Problem sein, denn es geht nicht | |
| um zu viel Nähe. Es geht um Missbrauch. Und Missbrauch ist kein Versehen. | |
| ## Mehr aufeinander aufpassen | |
| Es gibt Leiter von Jugendgruppen, die sehr eng mit den Gruppen verbunden | |
| sind. Das ist nicht automatisch die Vorstufe zum Missbrauch. Sie übertreten | |
| möglicherweise Grenzen, aber es sind andere Grenzen als beim Missbrauch und | |
| sie übertreten sie aus anderen Beweggründen. TäterInnen nutzen Nähe oft als | |
| Taktik, um emotionale Macht über die Betroffenen zu erlangen. Trotzdem – | |
| der Kantor sagt: „Mir geht es um Wachsamkeit“, und er hat recht. | |
| Die Diskussion darum, wie viel Nähe Jugendgruppen zu den BetreuerInnen | |
| haben sollten, schärft die Aufmerksamkeit für die Taktik der TäterInnen. | |
| Bringt die LeiterInnen dazu, nochmal nachzudenken: Habe ich durch die | |
| Verbindung zu den Jugendlichen vielleicht auch andere Grenzen bei ihnen | |
| übertreten? Dann kann die Diskussion wirklich etwas erreichen – wenn sie | |
| dazu führt, mehr aufeinander aufzupassen. | |
| 14 Nov 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Studie-ueber-Missbrauch-in-der-Kirche/!5534954 | |
| [2] /Neues-Missbrauchs-Praeventionsgesetz/!5486235 | |
| ## AUTOREN | |
| Sophie Spelsberg | |
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