# taz.de -- Berlusconi und der italienische Fußball: Gute Schwiegersöhne | |
> Silvio Berlusconi, auch Ex-Präsident des AC Milan, will Drittligist SS | |
> Monza 1912 großmachen. Sein Plan: weniger Ausländer, weniger Tattoos. | |
Bild: Plant via Monza sein Comeback: Silvio Berlusconi | |
MONZA taz | Klein kann schön sein. Das dachten sich ausgerechnet die lange | |
für ihre Großspurigkeit bekannten Fußball- und Medienmoguln [1][Silvio | |
Berlusconi] und Adriano Galliani. Beim AC Mailand hatten beide mit den | |
Millionen nur so um sich geworfen. Im letzten Jahr kassierte Berlusconis | |
Medienholding Fininvest dann 600 Millionen Euro aus dem Verkauf des | |
Großklubs. Einen winzigen Betrag davon, etwa drei Millionen Euro, steckte | |
Berlusconi im September in den Drittliga-Klub SS Monza 1912. Seinen Adlatus | |
Galliani installierte Berlusconi auch hier als Manager. | |
Es ist ein Geschenk für treue Dienste. „Galliani war in den 1970ern und | |
1980ern schon Manager bei Monza. Er stammt von hier, war immer ein | |
Monza-Fan. Und hier in der Geschäftsstelle hängt noch ein Foto von Galliani | |
aus dieser Zeit, eines, auf dem er noch Haare hat“, sagt Marco Ravasi, | |
Sprecher und Teammanager bei Monza. Und tatsächlich sieht man im | |
Treppenhaus ein Schwarz-Weiß-Foto, auf dem ein paar dunkle Locken zu sehen | |
sind statt Italiens wohl bekannteste Fußballglatze. | |
„Ich bin einer von Monza. 31 Jahre war ich an den AC Mailand verliehen, | |
jetzt bin ich zurück“, sagte Galliani auf seiner ersten Pressekonferenz | |
nach dem Kauf des Vereins. Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Bei den | |
Heimspielen ist er seitdem meistens im Stadion. Seine Präsenz zieht andere | |
Fußballgrößen an: Ex-Torjäger Christian „Bobo“ Vieri etwa, auch | |
Trainerlegende Fabio Capello. | |
Was für den Klub selbst wohl wichtiger ist: „Seitdem allein die Gerüchte | |
über Berlusconis Interesse die Runde machten, kommen unsere Spiele häufiger | |
als früher ins Fernsehen. Wir sind erst am 12. Spieltag, aber das hier ist | |
schon das vierte Spiel von uns, das in voller Länge live übertragen wird“, | |
sagt, sichtlich stolz, Sportdirektor Filippo Antonelli. | |
## Berlusconi hat Geld | |
Er ist seit vier Jahren hier, betreute den Neuaufbau nach der gescheiterten | |
Stippvisite von Clarence Seedorf. Das Abenteuer als Klubbesitzer für den | |
Ex-Milan-Star endete im Bankrott des Traditionsvereins. Den Namen Seedorf | |
spricht deshalb niemand so gern aus in Monza. Und es wird auch streng | |
getrennt zwischen Seedorf, dem früheren Berlusconi-Angestellten, und | |
Berlusconi selbst. | |
„Berlusconi hat wesentlich mehr Geld zur Verfügung als Seedorf. Seedorf war | |
auch als Präsident wenig vor Ort. Das muss man aber sein, um zu bestimmen, | |
wo es langgeht. Und zumindest Galliani ist präsent und hat die Zügel im | |
Griff“, schätzt Lokalreporter Francesco Ungaro ein. | |
Dabei hätte es der neue Besitzer nicht einmal weit. Keine zehn Kilometer | |
ist Berlusconis Herrschaftssitz Arcore von Stadio Brianteo in Monza | |
entfernt. Es heißt, er könne von dort aus die Flutlichtmasten des Stadions | |
sehen. | |
Am Sonntag war es gut, dass er nicht kam. Monza verlor 0:2 gegen Pordenone. | |
Nicht einmal eine Rote Karte für den Gast aus dem Nordosten konnte die | |
Partie retten. Team und Trainer Cristian Brocchi mussten sich heftige | |
Pfiffe der knapp 1.000 Mann starken Ultra-Fraktion anhören. Brocchi, ein | |
Ex-Profi [2][des AC Mailand] und für kurze Zeit dort sogar Trainer, kam mit | |
den neuen Herren. Er startete mit einem Auswärtssieg, hat jetzt aber auch | |
zwei Niederlagen und ein Remis auf dem Konto. | |
## „Romantik pur“ | |
Der Aufstieg schon in dieser Saison – daran glauben nicht einmal die Fans. | |
„Wenn sie im Januar nicht drei, vier neue Spieler holen, am besten mit | |
Zweitliga-Erfahrung, dann wird das nichts mehr“, meint Roberto, seit 50 | |
Jahren Fan bei Monza. | |
„Klar wollen alle den Aufstieg sofort. Ich habe aber die Ansage, in | |
anderthalb Jahren eine Meisterschaft zu holen und vor allem dem Team eine | |
offensive Spielweise beizubringen“, erklärt Brocchi. Und trotz der | |
Niederlage muss man ihm lassen: Das Team ist offensiv eingestellt, | |
kombiniert, rennt, bietet ein Spektakel. Ganz so, wie es Berlusconi will. | |
Wie viele Niederlagen er dabei in Kauf nimmt, ist eine ganz andere Frage. | |
Warum Berlusconi sich diesen Provinzklub zulegte, fragen sich natürlich | |
viele. Für Brocchi ist das „Romantik pur“. „Präsident Berlusconi und | |
Senator Galliani lieben einfach den Fußball“, sagt er. Für Sportdirektor | |
Antonelli kommen gar Suchtaspekte infrage: „Fußball ist wie ein Droge. Du | |
kannst davon einfach nicht lassen“, meint er. | |
## „Ordentliche Haare“ | |
Bei ihrem „Drogen“-Konsum auf dem grünen Rasen bleiben Berlusconi und | |
Galliani aber vergleichsweise realitätsfest. Ein neuer AC Mailand mit dem | |
Ziel Champions League soll der SS Monza nicht werden. „Wir wollen in die | |
Serie A, natürlich. Aber wir haben Geduld. Wir wollen das mit jungen | |
Spielern, mit Italienern vor allem, erreichen. Es ist die alte Formel von | |
Milan, aus den alten Zeiten: Der Kern des Teams sind Italiener, dazu kommen | |
drei Ausländer“, fasst Antonelli die Strategie zusammen. | |
Berlusconi machte bei seinem bisher einzigen Auftritt in Monza weitere | |
Vorgaben: „Unsere Spieler werden keine Tattoos haben und ordentliche Haare | |
tragen.“ Für realistisch hält dies niemand. „Es geht aber darum, dass die | |
Spieler ein professionelles Auftreten und ein gutes Benehmen haben“, | |
erläutert Antonelli. Gute Schwiegersöhne also, Italiener vor allem und nur | |
wenig Ausländer – das ist die Botschaft. | |
Das passt dann auch politisch. Mit patriotischen Werten und mit Verankerung | |
in der Provinz errang die Lega Nord in den letzten Jahren die | |
Deutungshoheit bei der politischen Rechten. Berlusconi traf sich jüngst mit | |
Lega-Chef Matteo Salvini zum Ausloten neuer Allianzen. Mit dem AC Mailand | |
machte Berlusconi sein Medienimperium und sich selbst bekannt. Das | |
Engagement beim SS Monza könnte das politische Comeback flankieren. | |
23 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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