Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Katar gegen Island im belgischen Eupen: Fast schon weltmeisterlich
> Selbst Schneetreiben hält die Kicker aus Katar auf dem Weg zur Heim-WM
> nicht auf: Nach einem Sieg gegen die Schweiz trotzen sie Island ein Remis
> ab.
Bild: Trimmt seine Mannschaft auf Sieg: Katars Trainer Félix Sánchez
Eupen taz | Was für ein Tag: Erstmals in der Geschichte Ostbelgiens stand
am Montagabend ein A-Länderspiel an, oben im putzigen Kehrwegstadion, das
hoch über der Vorvennstadt Eupen mit ihren knapp 20.000 EinwohnerInnen
thront und bei Flutlichtspielen so erhaben leuchtet. Das Emirat Katar,
Gastgeber der Fußball-WM 2022, testspielte gegen Island, WM-Teilnehmer in
Russland. „Bei isländischen Temperaturen“ begrüßte der Stadionsprecher f…
3.000 frierende Menschen.
Schneeschauer umspielten bei eisigem Ostwind die Flutlichtmasten. Die
Nationalhymnen schepperten mäßig würdevoll aus Lautsprecherboxen, die von
der letzten Dorfkirmes ausgeliehen gewesen sein konnten. Die auf den Rasen
ausgelegten Fahnen vor den beiden Teams waren vertauscht.
Fast alle Kataris trugen dicke Handschuhe. Scheichs waren nicht zu sehen.
Auf der Gegentribüne hatten sich zwei Zuschauer stattliche Wikinger-Helme
aufgesetzt. Waren aber keine weitgereisten Nordlandfans, sondern Eupener,
die schon zu Karneval, wie ein Einheimischer erklärte, so herumgelaufen
seien. Island Alaaf.
Jenseits solcher Äußerlichkeiten hatte das Spiel sein besonderes Gewicht.
Eupen war nicht zufällig Austragungsort. Eupen ist so etwas wie der
strategische Stützpunkt der Kataris in der alten Fußballwelt.
Das Emirat hat mit seiner Aspire Academy 2012 den belgischen Klub AS Eupen
gekauft und damit vor dem Bankrott gerettet. Seit drei Jahren spielt man in
der exterritorialen Heimat erstklassig, seit genau einem Jahr unter Leitung
des französischen 1998er Exweltmeisters Claude Makelele als Trainer. Geld?
Nebensächlich. Sprudelt ja.
## Katarische Großmutter für die Einbürgerung
Die Aspire Academy betreibt vornehmlich in Afrika ein Netz von
Trainingscamps. Die Talente-Auslese dort ist hart, die Besten kommen durch.
Wettkampfhärte im europäischen Fußball können sie sich dann in der
Emirate-Enklave Eupen holen. Und im besten Fall eine katarische Großmutter
entdecken, für die Einbürgerung. Bei der WM 2022 werden sie Mitte oder Ende
20 sein, im besten Alter also. Drei der Kicker am Montagabend haben mal in
Eupen gespielt, zwei standen in der Startelf.
Die Stadiondeko, sprich Bandenwerbung, war für die Übertragung an den Golf
umgestaltet. Es priesen sich an: Qatar Airways, die QNB Bank, die Qatar
Football Association, der katarische Sportsender Alkass, der
Stadionbau-Projektentwickler Look Company aus Doha, dazwischen das Logo des
öligen Partners Shell. Botschaft: Alles wie daheim, alles uns.
2:2 ging es aus, ein Achtungserfolg. Die Kataris, trainiert vom Spanier
Félix Sánchez, spielten gut organisiert, technisch versiert, mit einem
souveränen Tarek Salman (20) als Abwehrchef, kombinationssicher, mit
auffällig vielen flinken, schlanken Angreifern. Aber sie sind leicht mal in
Hektik zu bringen nach Ballverlusten.
Ballern indes können sie: Beide Tore waren krachende Fernschüsse. Manche im
Team sind in europäische Ligen ausgeliehen, einer stammt ursprünglich von
den Kapverden, andere sind im Sudan geboren, in Ägypten, Algerien. Schon
bei der [1][Handball-WM 2015] wäre Katar mit einer eingebürgerten
Mannschaft fast Weltmeister geworden.
## Ein Sieg beim Testspiel in Lugano
Erik Hamrén, Islands schwedischer Trainer, war ungewohnt offen: „Wir
wollten dieses Spiel unbedingt gewinnen, das war das Wichtigste.“ Hatte
nicht geklappt, „weil die Kataris so viel schon gelernt haben, sich bei so
vielen Dingen verbessert“. Auch der katarische Testspielsieg vergangene
Woche in Lugano gegen die Schweiz (1:0), immerhin Final Four Teilnehmer der
Nations League, war „absolut beeindruckend“, so Hamrén.
Im aktuellen großen Fußballskandal in Belgien spielt auch die katarische AS
Eupen eine Rolle, bislang nicht als mögliche Täterin, sondern als
Begünstigte. Es geht um Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Korruption,
Bildung einer kriminellen Vereinigung und sportlich schwerwiegend: um
Spielmanipulation. Mehrere Beschuldigte, Vereinsfürsten, Erstligatrainer
und Spielerberater, sogar Schiedsrichter, saßen oder sitzen in U-Haft.
Eupen war in der vergangenen Saison in Antwerpen von einem zwischenzeitlich
fünf Wochen inhaftierten Referee mutmaßlich absichtlich benachteiligt
worden und hatte am letzten Spieltag zum Klassenerhalt einen höheren Sieg
gebraucht als der Traditionsklub KV Mechelen. Bis zur 73. Minute stand es
in Eupen 0:0, Mechelen führte längst 2:0. Dann machte sich Eupens Japaner
Yuta Toyokawa mit einem Hattrick zum verzückt gefeierten Tortortoryokawa,
am Ende stand es 4:0. Eupen blieb erstklassig; die Staatsanwaltschaft für
Wirtschaftskriminalität ermittelt, ob es dabei mit rechten Dingen zuging.
## Ein Kronzeuge will auspacken
Am Dienstag wurde bekannt, dass ein Hauptbeschuldigter als Kronzeuge
auspacken will. Sein Anwalt: „Mein Mandant wird den Ermittlern seine
Aktivitäten als Spielervermittler in vollem Umfang darlegen. Er hat in
einem Bereich gearbeitet, wo die Gesetzlosigkeit die Norm war.“
Das Emirat Katar wiederum will 2022 ein wettbewerbsfähiges, im besten Fall
weltmeisterliches Gastgeberteam aufbieten. Islands Coach Hamrén: „Die
machen das step by step. Sie haben für viele weitere Schritte noch vier
Jahre und dafür unendliche Ressourcen.“ Welche, personell oder finanziell?
Hamrén lächelte und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. „Na ja,
ökonomische Ressourcen. So viel Geld, mit dem sie arbeiten können! Die
können ja fast machen, was sie wollen.“
Vielleicht war er auch ärgerlich, dass sein Team als Vertreter der alten
Fußballwelt dem Gegner nur teilweise die Grenzen aufzeigen konnte. Katar,
Weltranglistenplatz 96 noch, ist annähernd auf Augenhöhe mit den
Mittelmächten des Fußballs. Und übrigens: Heute genau in vier Jahren soll
in Katars Kapitale Doha das erste Spiel der WM 2022 angepfiffen werden.
20 Nov 2018
## LINKS
[1] /Handball-WM-in-Katar/!5022226
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Fußball-WM 2022
Katar
Island
Fußball
Belgien
Fußball
Katar
Frauen-Handball
Fußball-WM 2022
Frauen-WM 2019
Frauen-WM 2019
## ARTIKEL ZUM THEMA
Coach Kohfeldt in Belgien: Trainer bei AS Eupen
Florian Kohfeldt arbeitet für den aus Katar finanzierten belgischen
Erstligisten AS Eupen. Er lernt die Fußballkultur im Nachbarland zu
schätzen.
Afrika Cup im Fußball: Kicken für die Vielfalt des Landes
Überraschend trifft Algerien am Freitag im Finale des Afrika Cups auf
Senegal. Die Stärke des Teams hat auch etwas mit Politik zu tun.
Kolumne Pressschlag: Was dem Fußball droht
Der Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff lässt sich in Katar beim
WM-Gastgeber 2022 alles zeigen und erklären. Und ist begeistert.
Frauen-Handball EM 2018: Raus aus der Nische
Bei der Handball-EM wollen die deutschen Frauen mit einem neuformierten
Team an die Weltspitze. Erster Gegner ist Titelfavorit Norwegen.
Fußball-WM 2022 in Katar: Zuschlag dank Geheim-Kampagne?
Die „Sunday Times“ erhebt schwere Vorwürfe gegen Katar. Der Staat soll mit
Geheimoperationen falsche Infos über die Konkurrenten gestreut haben.
Sylvia Schenk über die Fifa: „Das kann Anstöße geben“
Wer die Fifa immer nur diskreditiert, ignoriert die aktuellen Fortschritte,
sagt Sylvia Schenk. Dabei passiere auch in Katar schon viel Gutes.
Fußball-WM in Katar: Fanfeste hinter hohen Zäunen
Nach der WM ist vor der WM: Katar richtet 2022 die nächste
Weltmeisterschaft aus. Dass das den Gästen Spaß machen wird, glaubt keiner.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.