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# taz.de -- Problemdeponie Schönberg: Sorge um Lübecks Trinkwasser
> Auf der ehemaligen DDR-Sondermülldeponie Schönberg sind weit überhöhte
> Schwermetall-Werte nachgewiesen worden, doch die Regierung in Schwerin
> wiegelt ab.
Bild: „Unkalkulierbares Risiko“: die Giftmülldeponie Ihlenberg bei Lübeck
Hamburg taz | Lübecks Umweltsenator Ludger Hinsen ist beunruhigt. „Es geht
um schwerwiegende Vorwürfe“ gegen die Sondermülldeponie Ihlenberg, die am
morgigen Dienstag auf einer Sondersitzung des Umweltausschusses in der
Bürgerschaft der Hansestadt geklärt werden müssten. Und dabei will sich der
CDU-Politiker nicht nur auf Aussagen der Chefetage und interne Berichte
verlassen: „Wir brauchen eine unabhängige Untersuchung“, sagt Hinsen. So
werden wohl Gutachter klären müssen, was auf Europas größter
Giftmülldeponie vorgefallen ist und welche Gefahren für Menschen, Tiere,
Pflanzen und Gewässer davon ausgehen.
Am Mittwoch hatte die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hohe
Grenzwert-Überschreitungen bei Schwermetallen auf der landeseigenen Deponie
eingeräumt. Die Werte seien aber „nicht justiziabel“, wusste
Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) bereits zu berichten, ohne genaue
Untersuchungen abzuwarten: „Wir gehen davon aus, dass keine Rechtsverstöße
festgestellt werden.“
Auf der Deponie in Mecklenburg-Vorpommern, direkt an der Landesgrenze zu
Schleswig-Holstein und damit nur wenige Kilometer von der Großstadt Lübeck
entfernt, soll wesentlich mehr und wesentlich giftigerer Sondermüll
eingelagert worden sein als zulässig, zudem habe es an Kontrollen
gemangelt. So steht es in einem Prüfbericht des ehemaligen Chefrevisors der
Deponie, Stefan Schwesig, im Auftrag des Finanzministeriums.
Eine zweifelhafte Lieferung aus dem italienischen Livorno im Dezember 2017
war für den Entsorgungsexperten – und Ehemann von Ministerpräsidentin
Manuela Schwesig (SPD) – Anlass gewesen, die Vorgänge in Ihlenberg unter
die Lupe zu nehmen. Er fand heraus, dass der in Ihlenberg erlaubte
Grenzwert für Cadmium um mehr als 3.000 Prozent übertroffen wurde, bei Zink
um 9.500 Prozent. In einer Charge, die im Mai aus Hannover angeliefert
wurde, seien die Grenzwerte für Quecksilber sogar um 17.900 Prozent
überschritten worden.
## Umweltminister will sich „der Sache annehmen“
Anlass genug, um in der Landespolitik für Unruhe zu sorgen und jetzt auch
im benachbarten Lübeck. Der Schweriner Umweltminister Till Backhaus (SPD)
räumte ein, dass der Bericht darauf hinweise, dass sich „die
Landesregierung der Sache annehmen“ müsse. Laut Wirtschaftsminister Glawe
soll es künftig ein strengeres Monitoring geben: Von jedem eingehenden
Transport würden Proben genommen. Das koste 10.000 Euro pro Tag. Auch sei
ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben worden.
Eben das hatte Schwesig gefordert. „Mangelnde Kontrollen“ hatte er
kritisiert und eine hohe Risikobereitschaft. Offenbar stehe „allein das
Geschäftsvolumen im Mittelpunkt“. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deponie,
Hans-Thomas Sönnichsen, warf Schwesig hingegen mangelndes Fachwissen vor.
Der Prüfbericht sei „inhaltlich bedenklich“.
Die Linke im Schweriner Landtag indes kritisiert mangelnden
Aufklärungswillen der Landesregierung. Die Umweltexpertin der Linken,
Mignon Schwenke, forderte, die Geschäftsführung der Ihlenberger
Abfallentsorgungsgesellschaft im Wirtschaftsausschuss des Landtags zu
vernehmen.
## Deponie-Chefs im Umweltausschuss
Auch vor dem Umweltausschuss der Lübecker Bürgerschaft am Dienstag soll die
Chefetage der Deponie Rede und Antwort stehen. Insbesondere Aufklärung über
„das Gefährdungsrisiko für die Trinkwasserversorgung der Lübecker
Bevölkerung“ fordert Antje Jansen von der linksgrünen Abspaltung GAL.
Sie habe den Eindruck, dass auf der Deponie „Umweltschutz nachrangig
betrieben“ wurde, sagt die Ausschuss-Vorsitzende Silke Mählenhoff (Grüne).
Trotz der Giftmüll-Skandale der 1990er-Jahre habe Ihlenberg, das damals
unter dem alten Namen „Schönberg“ berüchtigt war, „keine vernünftige
Grundabdeckung“ gegen austretendes Sickerwasser. Die Deponie sei, so
vermutet Mählenhoff, „ein unkontrollierbares Risiko“.
19 Nov 2018
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Giftmüll
Grundwasser
Lübeck
Mecklenburg-Vorpommern
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