| # taz.de -- Vergangenheitsbewältigung in Norwegen: Ein überfälliger Schritt | |
| > Norwegens Regierungschefin Erna Solberg entschuldigt sich bei den | |
| > „Deutschenmädchen“. Eine Entschädigung für erlittenes Unrecht bedeutet | |
| > das nicht. | |
| Bild: Späte Entschuldigung: Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg | |
| Stockholm taz | Über 70 Jahre hatte sich Norwegen nicht dazu aufraffen | |
| können. Doch nun gibt es eine offizielle Entschuldigung. Im Namen der | |
| Regierung bat Ministerpräsidentin Erna Solberg die seinerzeit abwertend als | |
| „tyskerjentene“ (Deutschenmädchen) oder gleich als „tyskertøser“ | |
| (Deutschenflittchen) beschimpften Frauen um Verzeihung. | |
| Sie waren so kategorisiert worden, weil sie während der Besatzung Norwegens | |
| durch Nazideutschland ein Verhältnis mit deutschen Wehrmachtssoldaten | |
| hatten. Unrecht habe man diesen Frauen nach Kriegsende angetan, | |
| konstatierte Solberg. Man habe sie behandelt wie es einem Rechtsstaat nicht | |
| würdig sei. Und dafür wolle Norwegen sich in aller Form entschuldigen. | |
| Und die Regierungschefin gestand auch ein, dass es zu lange gedauert habe, | |
| bis Oslo diesen Schritt tue. „Aber wir sind jetzt zu der Überzeugung | |
| gelangt, dass norwegische Behörden gegen die Grundprinzipien eines | |
| Rechtsstaats verstoßen haben, wonach kein Bürger ohne Urteil bestraft oder | |
| ohne ein gültiges Gesetz verurteilt werden darf.“ | |
| Schätzungsweise 40.000 bis 50.000 „tyskerjentene“ gab es. Nach Kriegsende | |
| wurden sie der Kollaboration mit dem Feind beschuldigt, teilweise kahl | |
| geschoren, misshandelt und als Huren beschimpft. Soweit sie einen deutschen | |
| Soldaten geheiratet hatten, verloren sie unter anderem mit Hilfe | |
| rückwirkend geltender Gesetze ihre norwegische Staatsangehörigkeit. | |
| Tausende wurden zur Zwangsarbeit in Internierungslager gesteckt, nach | |
| Deutschland ausgewiesen oder in psychiatrische Kliniken eingewiesen. | |
| ## Bloße Gerüchte | |
| Was solche ungerechtfertigten Repressalien auslösen konnten, seien | |
| teilweise „auch nur ein kurzer Flirt oder manchmal lediglich bloße Gerüchte | |
| gewesen“, erklärte Solberg, die sich auch auf eine im vergangenen Jahr | |
| erschienene Untersuchung des Norwegischem Zentrums für Holocaust- und | |
| Minoritätsstudien | |
| (https://www.regjeringen.no/contentassets/144dfe3e59024eea8164741eba3554cc/ | |
| utredning-om-norske-myndigheters-behandling-av-tre-utvalgte-grupper-etter-a | |
| ndre-verdenskrig.pdf ) bezog. | |
| Die Untersuchung hatte sich nicht nur mit der Behandlung der | |
| „Deutschenmädchen“ befasst, sondern auch mit der von Kindern von | |
| MitgliederInnen der „Nasjonal Samling“, der norwegischen faschistischen | |
| Partei von Vidkun Quisling. Sie war die zwischen 1940 und 1945 einzig | |
| zugelassenen Partei und kollaborierte mit der Besatzungsmacht. | |
| Nicht nur da wurden die Repressalien auch auf die Kinder dieser | |
| Personengruppe erstreckt, sondern auch bei den Kindern der „tyskerjentene“. | |
| Eine Ärztekommission behauptete beispielsweise 1945, dass diese Kinder | |
| „minderwertige Gene“ hätten, von denen eine permanente Gefahr für die | |
| norwegische Gesellschaft ausgehen könnte. | |
| Frauen, die mit Deutschen „fraternisiert“ hätten, seien im allgemeinen | |
| „schwach begabte und asoziale Psychopathen, zum Teil hochgradig | |
| schwachsinnig“. Es sei davon auszugehen, dass ihre Kinder dies geerbt | |
| hätten. Viele wurden in die Psychiatrie eingewiesen. | |
| ## Schadensersatz aus Kulanz | |
| Eine Entschädigung für das erlittene Unrecht sei mit der offiziellen | |
| Entschuldigung durch den norwegischen Staat nicht unmittelbar verbunden, | |
| stellte Solberg klar. Möglicherweise werde es aber in individuellen Fällen | |
| nun einfacher werden Schadensersatz aus Kulanz zu erhalten. | |
| Schadensersatzprozesse von „Deutschenmädchen“ und „Deutschenkindern“ w… | |
| in der Vergangenheit sowohl vor norwegischen Gerichten als auch dem | |
| Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wegen Verjährung | |
| gescheitert. Oslo hatte 1996 lediglich beschlossen, zumindest die Opfer von | |
| Lobotomieversuchen zu entschädigen. | |
| „Aber allein diese Entschuldigung bedeutet schon sehr viel für mich“, | |
| erklärte Reidar Gabler im norwegischen Fernsehen: „Auch wenn sie spät | |
| kommt.“ Seine Mutter Else hatte 1944 mit 22 Jahren den 25-jährigen | |
| Wehrmachtssoldaten Erich Gabler kennengelernt. Ihnen wurden die Söhne | |
| Reidar und Arne geboren. | |
| Besonders schlimm sei gewesen, berichtete Reidar Gabler, dass nachdem er | |
| als Erwachsener nach Norwegen zurückkehrte, sogar sein kleiner Sohn noch | |
| als „Deutschenjunge“ und Nazi beschimpft worden sei. | |
| 1 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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| Norwegen | |
| Erna Solberg | |
| Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg | |
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| Erna Solberg | |
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