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# taz.de -- Selbstmordanschlag in Afghanistan: Taliban rücken weiter vor
> Aufständische wollen die Kontrolle über strategisch wichtige Teile im
> Landesinneren. Demonstranten fordern Schutz – und werden Opfer von
> Terroristen.
Bild: Die afganischen Sicherheitskräfte können den Taliban kaum mehr standhal…
Kabul taz | Sie demonstrierten gegen Gewalt – und fielen dabei einem
Attentat zum Opfer: Sechs Afghanen, darunter drei Frauen, sind am
Montagnachmittag in Kabul durch einen Selbstmordanschlag ums Leben
gekommen. Etwa zwanzig wurden verletzt. Zu der Tat bekannte sich der
afghanische Ableger des „Islamischen Staates“.
Der Attentäter hatte sich am äußersten Sicherheitsring um die Demonstranten
in die Luft gesprengt, als der Protest sich gerade auflöste.
In der Nacht zum Montag waren in der afghanischen Hauptstadt und in
Masar-i-Scharif zunächst Hunderte vor allem junge Leute auf die Straße
gegangen. Ihr Protest richtete sich gegen Taliban-Angriffe und Massaker in
Zentral-Afghanistan. Nach einem Facebook-Aufruf waren sie spontan vor den
Arg, den Präsidentenpalast, gezogen und forderten: „Die Streitkräfte müssen
sofort eingreifen!“
Außerdem verlangten sie, ein eigenständiges Armeekorps zum Schutz der
Schiiten-Gebiete im Zentrum des Landes zu schaffen und den Bewohnern zu
helfen, die durch die Kämpfe vertrieben worden sind. Das berichtete einer
der Demonstranten, Latif Fajas, der bei den [1][Parlamentswahlen vom 20.
Oktober] kandidiert hatte, der taz. Bislang sind die Stimmen noch nicht
ausgezählt.
## Taliban rückten brutal in Schiiten-Gebiete vor
Weitere Proteste fanden in der Nacht vor dem Studentinnenwohnheim der
Kabuler Universität sowie Montagvormittag auf dem Uni-Campus statt. Viele
Teilnehmer vor dem Palast blieben trotz Regens bis zum frühen Nachmittag,
als Präsident Aschraf Ghani zu ihnen sprach und zusagte, mehr Truppen zu
schicken. Auch erste Luftschläge wurden gemeldet.
Was den Zorn der Demonstranten erregt hatte: In drei mehrheitlich von
Schiiten bewohnten Distrikten in den [2][Provinzen Urusgan und Ghasni] sind
die Taliban in den vergangenen Tagen brutal vorgerückt. Ausgangspunkt der
Kämpfe war der Distrikt Chas Urusgan.
Dort war Ende Oktober ein Milizenführer der mehrheitlich schiitischen
Hasara-Volksgruppe aufgetaucht: Hakim Schodschaji. Sowohl die Regierung als
auch die Taliban suchten den Mann wegen seiner Verbrechen an paschtunischen
Zivilisten. Die Taliban hatten gedroht, jeden umzubringen, der ihn
beherbergen würde.
Diese Drohung machten sie dann wahr: Augenzeugen zufolge holten sie alle
Männer, bei deren Familien Schodschaji und seine Leute übernachtet hatten,
aus ihren Häusern und erschossen sie.
## Bewohner flohen vor den Kämpfen
Der Sprecher der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans, Bilal
Seddiki, sagte der taz, dass dabei und bei den vorangegangenen Kämpfen nach
vorläufigen Recherchen 63 Menschen verletzt oder getötet wurden. Ein
früherer Distriktgouverneur von Chas Urusgan sprach gegenüber der taz
allein von 58 Toten.
Aus dem gesamten Distrikt flohen Bewohner vor den Kämpfen: Viele der
Flüchtlinge übernachten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in den Bergen.
Baqir Haidary, ein junger Kabuler mit Verwandten in der Region, sagte der
taz, er habe seit drei Tagen von ihnen nichts mehr gehört. Auch in Kabul
trafen die ersten Flüchtlinge ein.
Von Chas Urusgan zogen die Taliban in den Nachbardistrikt Malestan und
griffen das Distriktzentrum an. Kämpfe gab es auch im Nachbardistrikt
Jaghori. Irmela Falke vom deutschen Freundeskreis Afghanistan (FKA) sagte
der taz, sie sei sehr besorgt, dass die Schulprojekte ihrer Organisation
bei den Kämpfen in Gefahr geraten könnten.
Der rein ehrenamtlich tätige Verein unterstützt seit 1980 Schulen in
Jaghori, zurzeit sind es neun, davon drei Mädchengymnasien, mit zirka 3.700
Schülerinnen und Schülern, und eine davon im Dorf Tschop liegt nur 30
Autominuten vom derzeitigen Kampfgebiet entfernt. Auch in Jaghori sind
bereits viele Menschen weiter ins Innere des Distrikts geflüchtet, so die
ehemalige Abgeordnete Shah Gul Rezai, die aus Tschop stammt, zur taz.
## Nicht gezahlte Steuern sind Anlass des Streits
Hinter den Angriffen steckt eine neue Strategie der Aufständischen.
Taliban-nahe Quellen bestätigten der taz, dass der neue
Taliban-Militärgouverneur von Chas Urusgan, Abdul Raschid Rasched, sich
beim Taliban-Führungsrat im benachbarten Pakistan über die örtlichen Hasara
beschwert habe.
Anlass des Streits: Entgegen früheren Abmachungen mit Stammesältesten –
einer Art gegenseitigen Nichtangriffspakts – hätten die Hasara keine
Steuern an die Taliban gezahlt.
Die Taliban-Führung habe Rasched daraufhin grünes Licht für eine
Einschüchterungskampagne gegeben, für die das Auftauchen Schodschajis nun
den Anlass lieferte.
12 Nov 2018
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-in-Afghanistan/!5540999
[2] /Kaempfe-im-afghanischen-Ghasni/!5524784
## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Taliban
Islamismus
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