| # taz.de -- Shanbehzadeh Ensemble in Berlin: „Ich bin Afrikaner und Iraner“ | |
| > Das Shanbehzadeh Ensemble ist eine der bekanntesten Musikgruppen des | |
| > Südirans. Gründer Saeid Shanbehzadeh erzählt über die Musik seine | |
| > Geschichte. | |
| Bild: Spielt die „Musik der Freude“: Saeid Shanbezadeh (rechts) | |
| Das Wort, das Saeid Shanbehzadeh treffend beschreibt, muss erst noch | |
| gefunden werden. Ihn macht einfach sehr viel mehr aus als die Musik, die er | |
| spielt, die er verkörpert, für die er eintritt. Er gibt eigentlich auch | |
| keine Interviews, der Autorin dieser Zeilen aber erzählt er am Telefon über | |
| zwei Stunden aus seinem Leben. | |
| Shanbehzadeh ist Geschichtenerzähler, Mahner und Seher, Musiker, Sänger und | |
| Tänzer – und eine sichtbare Stimme für die Freiheit. „Ich bin Afrikaner u… | |
| Iraner. Ich habe afrikanische Wurzeln. Und ich spreche darüber, was nicht | |
| allen gefällt.“ | |
| Geboren und aufgewachsen ist er in der Stadt Buschehr in der gleichnamigen | |
| Provinz im Süden des Iran am persischen Golf. Seit 2002 lebt er in | |
| Frankreich, zuerst in Paris, seit diesem Jahr in einem mittelalterlichen | |
| Dorf nahe der Grenze zu Katalonien. Ein Indikator für seine Bekanntheit | |
| sind die über 47.000 Menschen, die ihm auf Instagram folgen. | |
| Er nutzt diesen Kanal vielfältig. Im Sommer zum Beispiel postete er Videos | |
| von seiner Radtour, bei der er von Frankreich über Brüssel und Amsterdam | |
| nach Köln 1.500 Kilometer zurücklegte. In jüngster Zeit teilt er | |
| Familienfotos und Bildquellen aus dem Iran, er untermauert damit seine | |
| Auffassung einer verhängnisvollen Entwicklung in seinem Heimatland. | |
| ## Saxofon, Querflöte, 800-Meter-Lauf | |
| Im Gespräch sagt er: „Ich komme aus Behbahani, dem Stadtteil in Buschehr, | |
| in dem die Schwarzen leben. Ich kenne dort jede Familie und weiß, wem sie | |
| als Sklaven gehörten. Die Rituale der Sklaven waren verboten, weshalb sie | |
| Spezialisten wurden für die Musik auf Hochzeiten und in religiösen | |
| Zeremonien. Die Musik der schwarzen Sklaven aus dem Südiran wurde Teil | |
| muslimischer Zeremonien im ganzen Land. Doch inzwischen erlauben die Weißen | |
| in der Moschee den Schwarzen nicht mehr, die Dammam [zweifellige Trommel, | |
| Anm. d. A.] zu spielen. Dabei haben sie das Spiel von Schwarzen gelernt! | |
| Wir sprechen hier von Generationen schwarzer Musiker, die nun verdrängt | |
| werden. Das ist nicht gerecht.“ | |
| Shanbehzadehs Mutter war Nachfahrin afrikanischer Sklaven, sein Vater, | |
| Angehöriger der belutschischen Minderheit im Iran, wurde als Kind an den | |
| Scheich Said bin Maktum von Dubai verkauft. Offiziell abgeschafft wurde die | |
| Sklaverei im Iran 1929, doch Leibeigenschaft existierte weiterhin. | |
| Shanbehzadehs Eltern lernten sich in den 1960er Jahren in Abadan im | |
| Südwesten des Landes kennen und zogen gemeinsam nach Buschehr, der | |
| Heimatstadt seiner Mutter. Als jüngstes von neun Kindern besteht er den | |
| Intelligenztest an einer Eliteschule im weißen Stadtteil, wird von seinen | |
| Mitschülern wegen seiner Hautfarbe aber ausgelacht und attackiert. | |
| Doch er spielt schon die Trommel in Moscheen und den Neyanban, den | |
| Dudelsack aus dem Südiran, bevor er als Jugendlicher auch Saxofon und | |
| Querflöte lernt. Als junger Erwachsener wird er Meister im 800-Meter-Lauf | |
| und gewinnt nationale Wettbewerbe. 1990 gründet er sein erstes | |
| Musikensemble, gemeinsam mit älteren Meistern der Musik aus Buschehr. | |
| ## Die Musik der Freude | |
| Sein Sohn Naghib wird 1993 geboren und spielt schon als Dreijähriger die | |
| Trommeln im Ensemble des Vaters. Die Familie zieht 1998 auf die Insel Kisch | |
| im Persischen Golf, wo er mit der Leitung des Hauses für Kultur, Musik und | |
| Tanz betraut wird. Er findet Sponsoren und unterrichtet unzählige Kinder | |
| kostenlos im Orff-Schulwerk; er lädt Musiker aus allen Teilen Südirans und | |
| renommierte Musikprofessoren aus Jerewan für Konzerte und Unterricht auf | |
| die Insel ein. | |
| 2001 wird das Kulturhaus geschlossen, bald darauf erhält Shanbehzadeh eine | |
| E-Mail vom Théâtre de la Ville in Paris, woraufhin er nach Frankreich | |
| auswandert. Seit dem Frühjahr 2018 wirkt er mit in der | |
| Musiktheaterproduktion „Carmen (S)“ des renommierten französischen | |
| Choreographen José Montalvo. | |
| Shanbehzadeh, der als Musiker in der iranischen Diaspora berühmt ist, | |
| beschreibt seinen Sound so: „Ich spiele die Musik der Freude und ich zeige | |
| alles, auch meinen Körper. Mir geht es um die wirkliche Verbindung zum | |
| Publikum. Wenn ich die Herzen der Menschen erreiche, macht mich das | |
| glücklich. Mehr brauche ich nicht.“ | |
| Seine Musik versprüht in der Tat pures Glück. Er singt auf Buschehri, einer | |
| Mischung aus Persisch, Arabisch und Suaheli. Stets präsent sind die Dammam | |
| und andere Trommeln, der Klang des Neyanban versetzt in Tanzstimmung, auf | |
| der Doppelflöte Neydjofti spielt Shanbehzadeh sehnsuchtsvolle Melodien. | |
| Auf dem Album „Pour Afrigha“ von 2017 gesellen sich der französische | |
| Jazzgitarrist Manu Codjia und der Gesang von Rostam Mirlashani dazu, einem | |
| belutschischen Sänger, der seit 1991 in Schweden lebt. Das Album ist eine | |
| Hommage an Shanbehzadehs Eltern und die Rhythmen aus Buschehr. | |
| In Berlin tritt Shanbehzadeh gemeinsam mit Sohn Naghib und seiner Frau | |
| Sheida auf, die ebenfalls singt, tanzt und trommelt. Kein Zweifel, dass das | |
| Familientrio den Boulez-Saal zum Kochen bringen wird. Zu seinem 50. | |
| Geburtstag im Dezember hat sich Shanbehzadeh etwas besonderes vorgenommen: | |
| er lädt sämtliche Mitglieder seiner Familie aus dem Iran in die Türkei oder | |
| nach Georgien ein, um gemeinsam mit ihnen die Musik und Rituale aus | |
| Buschehr zu zelebrieren. Und er erzählt ihnen seine Geschichte. | |
| Die Zusammenkunft wird gefilmt, er will sie ins Netz stellen. „Wir zeigen | |
| unsere eigene Geschichte. So viele iranische Regisseure haben Filme über | |
| uns gemacht. Wir wollen nicht, dass sie weiter exotistisch auf uns schauen. | |
| Jetzt spielen wir mit ihnen.“ | |
| 29 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Franziska Buhre | |
| ## TAGS | |
| Reiseland Iran | |
| Verhältnis Iran - Israel | |
| Musik | |
| Hassan Rohani | |
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