# taz.de -- Deutschlehrerin über ihren Türkei-Urlaub: „Sie haben mich abgef… | |
> Die Bremer Deutschlehrerin Maria Meyer* wollte Urlaub in der Türkei | |
> machen. Stattdessen verbrachte sie eine Nacht im Gewahrsam des Flughafens | |
> Istanbul. | |
Bild: Einmal Atatürk und zurück: So sah der Urlaub von Maria Meyer aus | |
taz: Frau Meyer*, was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, Sie seien | |
kurzzeitig in der Türkei „verschwunden“? | |
Maria Meyer: Das ist zwar etwas zugespitzt, aber formell war es so. Ich | |
wurde – für mich völlig überraschend – an der Einreise in die Türkei | |
gehindert und musste eine Nacht in einer Gewahrsamszelle im Flughafen | |
Atatürk verbringen. Ich wollte zu einem deutschen Freund fahren und als ich | |
nicht kam, hat er die Deutsche Botschaft informiert. Die erkundigte sich | |
bei der Flughafenpolizei nach mir und ihr wurde mitgeteilt, dass keine | |
Person meines Namens eingereist oder an der Einreise gehindert worden sei. | |
Dass ich damit offiziell kurz „verschwunden“ war, habe ich selbst aber gar | |
nicht mitbekommen. | |
Was wollten Sie in der Türkei? | |
Ich wollte Urlaub machen, das Meer sehen und einen Freund besuchen, der in | |
Istanbul lebt. Ich war vorher noch nie dort. | |
Hatten Sie sich vor der Reise über die Sicherheitslage informiert? | |
Ich habe mich natürlich erkundigt. Aber viele Menschen reisen regelmäßig in | |
die Türkei, ich habe mir daher keine Sorgen gemacht. Das Auswärtige Amt | |
warnt Menschen vor Reisen, die enge Beziehungen in die Türkei haben und | |
sich zum Beispiel in sozialen Netzwerken regierungskritisch geäußert haben. | |
Ich habe einen „bio-deutschen“ Hintergrund, habe weder Twitter noch | |
Facebook, äußere mich nicht im Internet und bin in keiner politischen | |
Gruppe aktiv. Ich arbeite als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache. Ich | |
hätte nicht gedacht, dass es irgendwelche Probleme geben könnte. | |
Was ist bei Ihrer Einreise genau passiert? | |
Nach der Landung am Flughafen in Istanbul stand ich in der Schlange der | |
Wartenden für die Passkontrolle. Da sprachen mich ein paar junge Leute an | |
und wollten meine Papiere sehen. Sie machten keinen vertrauenerweckenden | |
Eindruck und ich lachte nur und zeigte auf die Passkontrolle vor mir. | |
Aber es waren Polizisten? | |
Ja, in zivil. Sie haben mich abgeführt und durchsucht. Letztendlich habe | |
ich dann eine Nacht in einer Gewahrsamszelle am Flughafen verbracht, | |
zusammen mit mehreren Frauen, die Visa-Probleme hatten und aus dem Iran, | |
dem Irak und Algerien kamen. Das war ein großer Raum mit Sesseln, die man | |
ausziehen kann, und es gab in einem abgetrennten Bereich Toiletten, eine | |
Dusche und einen Wasserspender. Außer dem Sanitärbereich war alles | |
kameraüberwacht. | |
Hatten Sie Angst? | |
Nein. Ich wurde den Umständen entsprechend anständig behandelt und nicht | |
bedroht. Nur wusste ich nicht, was passieren würde und wie lange ich dort | |
gefangen wäre. Die Polizisten sprachen kein Deutsch und nur schlechtes | |
Englisch. Ich habe mehrfach verlangt, die Botschaft oder einen Anwalt | |
kontaktieren zu können – aber ohne Erfolg. Am nächsten Morgen wurde ich in | |
den ersten Flug zurück nach Bremen gesetzt. | |
Was war für all das der Grund? | |
Ich habe natürlich gefragt, was das soll. Bei der Durchsuchung fragte mich | |
einer, ob ich die PKK kenne. Und als ich bejahte, fragte er: Woher? Ich | |
antwortete, dass ich Zeitungen lese, Nachrichten sehe und es in Deutschland | |
Fernsehen gibt. Sie haben dann auch meine Digitalkamera durchsucht. Auf | |
einem Foto war ein Raum im Kulturzentrum Lagerhaus zu sehen, in dem ich | |
manchmal Deutsch unterrichte. Dort haben sie im Hintergrund eine kurdische | |
Fahne entdeckt und gleich darauf gezeigt. | |
Ihnen wurde vorgeworfen, Verbindungen zur der verbotenen kurdischen | |
Arbeiterpartei zu haben? | |
Ich weiß bis heute nicht, was mir vorgeworfen wird. Die kurdischen Vereine | |
im Lagerhaus sind demokratische Vereine, die mit der PKK nichts zu tun | |
haben und teilweise staatlich gefördert werden. Und ich selbst habe mit den | |
Vereinen wiederum ja auch nichts zu tun, wir nutzen nur einen Raum für den | |
Unterricht. Ich habe versucht, den Polizisten das zu erklären. | |
Sind Sie denn politisch aktiv? | |
Ich habe in den 1980er-Jahren an Anti-AKW-Protesten im Wendland und an der | |
Anti-Kriegs-Bewegung teilgenommen und damals gegen die Startbahn West in | |
Frankfurt am Main demonstriert. In den 1990er-Jahren habe ich mich an | |
anti-rassistischen Protesten beteiligt. | |
Und heute? | |
Ich war mal auf einer Demo und auf einer großen Info-Veranstaltung im | |
Kulturzentrum „Kukoon“ in der Bremer Neustadt, als die Terrormiliz ISIS die | |
nord-syrischen kurdischen Städte angriff. Aber nichts davon sollte ein | |
Grund dafür sein, mich nicht einreisen zu lassen! | |
Was denken Sie denn, war der Grund? | |
Ich weiß es nicht. Aber anscheinend wurde ich gezielt aus der Warteschlange | |
geholt. Bevor ich zurückfliegen musste, wurde mir ein Formular | |
ausgehändigt, auf dem als Grund für die verweigerte Einreise „die | |
öffentliche Sicherheit“ genannt war. Das türkische Generalkonsulat schrieb | |
mir später auf Nachfrage, der Grund sei der „Schutz von Ausländern und die | |
internationale Sicherheit.“ Ich kann nicht völlig ausschließen, dass ich | |
noch auf irgendwelchen alten Listen aus den 1980er-Jahren stehe, die | |
zwischen Geheimdiensten von NATO-Partnern ausgetauscht wurden. Aber es ist | |
auch gut möglich, dass Denunzianten oder Spitzel in Bremen unterwegs sind, | |
die, sagen wir mal, kein enges Verhältnis zur Wahrheit pflegen. Aber das | |
gehört ja dazu. | |
Wie meinen Sie das? | |
Denunziantentum zeichnet sich ja immer dadurch aus, dass jeder alles | |
behaupten kann – unabhängig vom Wahrheitsgehalt. Und wenn ein Staat sich | |
solcher Methoden bedient, will er ja auch genau die Unsicherheit | |
verbreiten: dass keiner weiß, wen es eigentlich warum erwischt. Und wenn – | |
wie bei mir – die Vorwürfe gar nicht genannt werden, kannst du auch nichts | |
richtigstellen. | |
Ende September startete die türkische Regierung eine App für Smartphones, | |
mit der Regimekritiker denunziert werden können … | |
Ja, genau. Und wer definiert, wer ein Regimekritiker ist? Bislang waren – | |
soweit ich weiß – Kurden oder türkischstämmige Menschen von Problemen bei | |
der Einreise betroffen. Man sollte sich vor dem nächsten Türkei-Urlaub | |
nicht allzu sicher sein, dass die Einreise auch klappt. Ich kenne auch die | |
Berichte über die türkischen Geheimdienstspitzel, die in Deutschland und | |
auch in Bremen aktiv sind und frage mich, ob ich so auf irgendwelchen | |
Listen gelandet bin. | |
Sind Sie wütend? | |
Ich will vor allem endlich mein Handy zurück haben. Die türkische Polizei | |
hatte es mir abgenommen. Die anderen Frauen konnten ihre Smartphones im | |
Gewahrsam behalten, aber mein – nicht einmal internetfähiges – Handy | |
wollten sie mir nicht zurückgeben. Bei mir entscheide eine „andere | |
Polizei“, hieß es. Und jetzt ist es angeblich – aus einem kameraüberwacht… | |
Bereich – verschwunden. Das ärgert mich sehr. | |
5 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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