# taz.de -- Musiker und Regisseur Kim Frank: Nicht immer „man“ sagen | |
> Kim Frank war mal der Sänger der Band Echt. Nun dreht er Filme. Am Montag | |
> läuft sein erster langer Spielfilm „Wach“ bei Youtube, Funk und im ZDF. | |
Bild: Einst Musiker, nun Regisseur: Kim Frank | |
taz am wochenende: Herr Frank, Hannes Wader hat mal gesungen, „schön ist | |
die Jugend, so sorglos und frei, Gott sei Dank ist sie endlich vorbei“. | |
Geht Ihnen das auch so? | |
Kim Frank: Eher umgekehrt. Ich fand es hart, irgendwann zu merken, dass die | |
Jugend jetzt definitiv vorbei ist. Dass es Dinge gibt, die ich nie mehr | |
erleben werde. | |
Zum Beispiel? | |
Diese Kompromisslosigkeit. Dieses Nie-in-Frage-Stellen der eigenen Gefühle, | |
der eigenen Ziele, der eigenen Weltanschauung. Das hat eine Magie und eine | |
Power, die ich vermisse. Als ich letzten Mai Geburtstag hatte, schwor ich | |
mir, dass ich mir das zurückerobern möchte. (Kim Frank wurde am 24. Mai 36 | |
Jahre alt; Anm. d. Red.) | |
Woran merken Sie, dass Ihre Kompromisslosigkeit verloren gegangen ist? | |
Man scheitert ein paar Mal und plötzlich fängt man an weich zu werden, | |
Kompromisse zu machen. Und das hat mich beeinflusst, mich schlechter | |
gemacht. Man lernt, mit dem Erwachsenwerden diplomatischer zu sein, mehr | |
den Dialog zu suchen, Leute abzuholen, vielleicht auch etwas vorzuspielen, | |
um an das Ziel zu kommen. Mit 18 wäre mir das nicht passiert. Da habe ich | |
gesagt, was ich wollte. Ende des Themas. | |
Aber Sie mussten in Ihrer Jugend doch bestimmt viele Kompromisse eingehen. | |
Nö. Wieso? | |
Na ja, als ich in Ihrem Alter war, bin ich zur Schule gegangen, hab | |
Computer gespielt, bisschen Sport, das war’ s. Sie waren ein bekannter | |
Popstar. Sie hatten viele Termine, die Ihnen andere vorgaben. | |
Das stimmt. Aber für mich ist ein Kompromiss erst ein Kompromiss, wenn er | |
mich oder das, was ich tue, beeinflusst. Auf die Musik bezogen: Playback zu | |
spielen war ein Kompromiss, den wir gehasst haben. | |
Aber Sie haben es getan. | |
Ganz am Anfang, aber sobald wir genug Power hatten, haben wir nur noch live | |
gespielt. Manchmal muss man Geduld haben. Und Playback spielen ist ein | |
wirklich gutes Beispiel, weil es vergiftet, was du tust. Weil es dann nicht | |
mehr um Musik geht, sondern nur noch um eine Darbietung. Ich stelle das | |
aber auch im Privaten, im Persönlichen fest. Wie viel man sich gefallen | |
lässt, wie häufig man zuguckt, wie häufig man diplomatisch bleibt, wie | |
häufig man korrekt bleibt. | |
Klingt ein bisschen so, als wollten Sie ein unangenehmerer Typ werden. | |
Nein, ich will kompromissloser sein – ohne zum Arschloch zu werden. Denn | |
das war ich früher schon manchmal. Wenn man das schaffen könnte, wäre das | |
toll. Warum sage ich eigentlich die ganze Zeit „man“? Das mache ich sonst | |
nie. Ich bin allergisch dagegen. | |
In Ihrem Film sieht man zwei sehr kompromisslose, jugendliche Frauen. | |
Scheint gerade Ihr Thema zu sein. | |
Ja, das bin beides ich. Oder zumindest das, was ich noch von dem empfinde, | |
wie ich war, mit 15 oder 16. Die beiden wollen allerdings eigentlich gern | |
noch empathischer sein. Gerade Nike baut sich mit Sprache und Habitus ja | |
einen Schutz auf, der sie nicht so angreifbar macht. Eine Verteidigung | |
gegen alles, was sein könnte. Und ihre Freundin C. macht es eher umgekehrt: | |
Still sein, Angst in sich hineinfressen. Leider ist niemand da, der ihnen | |
sagt, dass sie richtig sind, dass sie diese Panzer nicht brauchen. | |
Hat Ihnen das auch gefehlt? | |
Nein. Ich hatte das Glück, eine Mutter zu haben, die mich immer darin | |
bestärkt hat, so zu sein, wie ich bin. Und dann hatte ich aber vor allem | |
das Glück, dass ich an einen Abiturienten bei uns an der Schule geraten | |
bin, der uns betreut hat. Man durfte den Proberaum nämlich nur benutzen, | |
wenn einen jemand betreut. Und dieser Abiturient hatte auch schon ein | |
Tonstudio und hat die Plattenfirma gegründet, bei der wir dann | |
veröffentlicht haben. Der hatte die Fähigkeit, einen mitzureißen. Der war | |
und ist absolut, visionär, stellt die Kunst über alles – und er war, im | |
Gegensatz zu meiner Mutter, auch in der Lage, mich zu unterstützen. Das ist | |
etwas, was jeder junge Mensch braucht, wenn er aus solchen Verhältnissen | |
herauskommen möchte. | |
Wie ist das mit dem Gefühl, einen Schutzpanzer aus Extrovertiertheit | |
aufbauen zu müssen? Hatten Sie das auch? | |
Ja, das habe ich lange gehabt. Aber so wie wir als Erwachsene durch | |
Rhetorik, durch das „Man“-Sagen versuchen, Dinge nicht an uns ranzulassen, | |
versuchen das viele Jugendliche durch Extrovertiertheit. Der Effekt ist der | |
Gleiche: Alle suchen Schutz. | |
Nach dem Ende Ihrer Band 2002 wurde Ihnen sehr früh ein | |
Der-ist-Vergangenheit-Etikett angeklebt. | |
Ja, das war nicht nett. | |
Das ist das Alter, in dem andere studieren gehen, sich neu erfinden, ein | |
Alter des Aufbruchs und nicht des Abgeschrieben-Seins. | |
Ja, aber ich finde, der richtige Weg wäre so einer wie meiner: Früher von | |
der Schule abgehen, Erfahrungen sammeln. Ich finde schon, dass man mit 15 | |
oder 16 arbeiten und seinen eigenen Weg gehen kann, so lange es klare | |
Strukturen gibt. Ich weiß aber natürlich, dass unsere Gesellschaft da | |
anders denkt. | |
Apropos Arbeit: Gibt es eigentlich häufig Anfragen, ein Echt-Revival zu | |
starten? | |
Sehr häufig, aber die sind nicht wirklich ernst zu nehmen. | |
Keine Lust, das Geld mitzunehmen? | |
Nein. Wir Bandmitglieder haben zwar darüber geredet, wieder Musik zu | |
machen, sind aber alle in dem, was wir jetzt tun, so erfüllt. Und wegen des | |
Geldes haben wir tatsächlich nie etwas gemacht. Ganz im Gegenteil, wir | |
haben riesige Werbedeals und so was immer abgelehnt. | |
Wo wir beim Geld sind: Wofür brauchten Sie eigentlich einen Sender? Sie | |
wollten den Film doch erst alleine realisieren? | |
Das stimmt. Die Idee war eigentlich, etwas zu machen, was ich mit eigenem | |
Geld, mit Geld von Freunden, mit der Hilfe von Financiers und Product | |
Placement dann auf YouTube veröffentlichen kann. Ich hatte überschlagen, | |
dass ich realistisch 250.000 Euro zusammenkriegen müsste. Aber beim | |
Schreiben – und das ist mir wichtig – wollte ich eben nicht über Geld | |
nachdenken. Man darf sich nicht da schon Handschellen anlegen. Und als ich | |
mit dem Schreiben fertig war und angefangen habe zu kalkulieren, was das | |
genau so umgesetzt kosten würde, bin ich bei 580.000 Euro gelandet. Da war | |
mir klar: Entweder ich nehme jetzt alles, was teuer ist, raus, oder ich | |
suche mir einen Partner. Und tatsächlich habe ich vom „Kleinen | |
Fernsehspiel“ des ZDF und von Funk die 600.000 Euro bekommen, die ich | |
brauchte. Eine Kalkulation, bei der ich übrigens nichts verdiente. | |
Und wie kommen Sie dann über die Runden? | |
Na ja, erst mal habe ich sehr viel gearbeitet in den letzten Jahren. Und | |
dann hab ich gesagt, dass ich nur meine Lebenshaltungskosten, Miete und so | |
gedeckt haben möchte. Plus Steuern. Aber darüber hinaus: nichts. | |
Ob das so ein guter Deal war …? | |
So konnte ich immerhin meinen ersten Film so machen, wie ich es wollte. Das | |
mag zwar alles nach Handykamera aussehen, aber ich hab bei den | |
Musikvideodrehs gelernt: Du musst Authentizität kreieren. Du kannst sie | |
nicht einfach abfilmen. Nikes Viertel wurde in vier Gegenden gedreht. Jedes | |
Set ist designt. Alles ist geleuchtet. | |
Wie sind Sie eigentlich auf dieses Thema gekommen, möglichst lange wach | |
bleiben zu wollen? Können Sie sich damit identifizieren? Mein Wochenendziel | |
ist mittlerweile genau das Gegenteil. | |
Meins auch. Schon immer. Ich liebe Schlafen. Mich stört eher, dass ich im | |
Moment immer zu früh aufwache. Im Film sind die beiden mehr als 80 Stunden | |
wach, mein Maximum wären 32 Stunden. Ich war immer der, der hinten im Club | |
dann doch eingepennt ist. | |
Wenn man, wie Sie, Buch, Regie, Kamera und Film verantwortet, dann kommt | |
man doch auch nicht zum Schlafen, oder? | |
Das stimmt. Ich funktioniere aber mit fünf Stunden Schlaf auch richtig gut. | |
Mit sieben Stunden funktioniere ich perfekt. Es ist eher so, dass die | |
Gefahr darin liegt, dass ich abends zu viel trinke. Ein Glas Wein zu viel | |
und die fünf Stunden reichen nicht mehr. Das war früher anders. | |
Wieder sehnen Sie sich nach der Jugend. | |
Ja, da war das wirklich ganz anders. Aber noch mal zur aktuellen Arbeit: Im | |
Moment ist das mit dem Schlafmangel und dem Arbeitspensum wirklich schlimm. | |
Ich saß das ganze Wochenende dran, die Sexszene umzuschneiden, weil ich sie | |
bei YouTube so nicht durchbekomme. | |
Wieder ein Kompromiss. | |
Ja, und deswegen ist das gerade bei mir auch so ein Riesenthema. Ich muss | |
die ganze Zeit abwägen zwischen der Vision, dass der Film bei YouTube zu | |
sehen und damit allen zugänglich sein soll, auch jungen Menschen, die in | |
ihren Orten kein Programmkino haben, und der Integrität meiner Arbeit. Ich | |
hab ja schon am Drehbuch geschraubt, die erste Version beinhaltete viel | |
mehr Gewalt, viel mehr Sex. Ich hab das runtergedreht. | |
17 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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