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# taz.de -- Kot-Problem durch Masseneinwanderung: Die Kacke dampft in der Söde…
> Gänsekot verschandelt das Ufer eines Nürnberger Sees. Die Stadt will das
> Problem lösen, indem sie die Tiere zur Jagd freigibt. Das sorgt für
> Ärger.
Bild: Auch sie ein Wirtschaftsflüchtling? Die Kanadagans war ursprünglich in …
Wie ein Schmiss zieht sich der Wöhrder See aus dem Zentrum Nürnbergs an
den nordöstlichen Rand der Stadt. Er ist etwa 2,6 Kilometer lang, aber nur
hundert bis zweihundert Meter breit. Der Stausee ist ein künstlich
geschaffenes Erholungsgebiet, fertiggestellt 1981, in einer an Grünflächen
armen Metropole. Wer sich ihm von Süden her nähert, gelangt an die
Norikusbucht. Hier hat die Stadt einen begehbaren Damm und einen Spielplatz
gebaut und einen Sandstrand angelegt.
Man muss achtgeben, wohin man tritt. Der Schotterweg ist gefleckt von
braunen Würsten und eher ins Dunkelgrüne neigenden, ausfransenden Flecken.
In der Nähe liegen Badegäste in der kurzgeschnittenen Wiese. André Winkel
will sich schon hinsetzen, für ein Foto auf den Stufen am Wasser, aber er
hat auch sichtlich Angst, die helle Sommerhose einzusauen.
Was hier das Erholungsgebiet, die Wassererlebniswelt Wöhrder See,
sprenkelt, ist der Kot der Kanadagänse. „Der ist extrem schmierig“, sagt
Winkel, der Pressesprecher des Servicebetriebs Öffentlicher Raum (SÖR),
leicht angewidert. „Den kriegen Sie ganz schlecht weg.“
Vier- bis fünfmal pro Woche reinigen die Mitarbeitenden des SÖR die Bucht.
Die Liegewiese bearbeiten sie mit einem Sauggerät. Komplizierter ist es
gegenüber, am langen Sandstrand: „Da gehen wir einmal im Monat mit dem
Sandmaster durch. Das ist so ein großes Gerät, mit dem wir den Sand
komplett von unten her reinigen“, sagt Winkel.
## Bin zu zwei Kilo Kot pro Gans – täglich
Etwa 100 Kanadagänse leben am Wöhrder See, eine einzige lässt pro Tag bis
zu zwei Kilo Kot liegen. Zumindest von den Badeflächen sollen die Tiere
deshalb vertrieben werden. Eine „Gänse-Task-Force“, bestehend aus SÖR,
Ordnungs- und Umweltamt, steckte die Köpfe zusammen. An die in den See
gebauten Wildzäune gewöhnten sich die Tiere jedoch schnell. Nun also der
drastische Schritt: Die Stadt Nürnberg, federführend der SPD-Bürgermeister
namens – kein Witz – Christian Vogel, erteilt dem Pächter des Jagdreviers
die Jagd-Anordnung. Nur um die Tiere zu vertreiben, nicht um die Population
zu dezimieren.
Diese Nachricht machte Ende Juli die Runde. Die Jagderlaubnis gilt seit dem
1. August. Doch schon bevor der erste Schuss gefallen war, war die
Entrüstung bereits enorm. Eine Online-Petition sammelte über 20.000
Unterschriften: „Keine Erschießung der Gänse am Wöhrder See!“ Peta und d…
städtische Tierschutzbund veröffentlichten vorwurfsvolle Protestschreiben.
Wo Mensch und Tier in der Stadt aufeinandertreffen, kommt es schnell zu
Konflikten. Im Netz gibt es ein Video von der feierlichen Eröffnung des
Sandstrands am Wöhrder See, der in den Medien mittlerweile häufig
Söder-Bucht genannt wird. Der freut sich über die Realisierung dieser
Herzensangelegenheit. „Das Ergebnis ist sensationell“, lobt der
Ministerpräsident und schüttelt fröhlich einem bärtigen Stand-up-Paddler
die Hand. Schnitt: Drei Gänse, weiß und grau gefiedert, sind ebenfalls
gekommen, mit ihren Jungen. Weniger wegen Söder wahrscheinlich als wegen
der einladenden Gestaltung des Ufers.
Drei Monate später ist es vorbei mit dem friedlichen Nebeneinander. Das
Naherholungsgebiet im Herzen der Stadt, die södersche Herzensangelegenheit,
ist frech vollgeschissen.
## Ohne Fütterung gäbe es das Problem nicht
„Das Problem ist der Mensch“, sagt Roger Ingenthron,
Naturschutzbeauftragter des Nürnberger Jägerverbandes. Die Badegäste,
Erholungssuchende, vielleicht sogar Stand-up-Paddler haben den Gänsen
Futter mitgebracht. „Die tun den Tieren damit keinen Gefallen.“ In diesem
Punkt sind sich alle Parteien einig: keine Fütterung, kein Gänsekotproblem.
„Man kann hier aber beobachten“, weiß SÖR-Sprecher André Winkel, „dass
teilweise in den Mund gefüttert wird.“ Eine Fluchtdistanz haben die Tiere
nicht mehr. Am See bestehe ein „Nutzungskonflikt.“ Aber nur eine der beiden
an der Nutzung interessierten Seiten hat Feuerwaffen.
Mittlerweile gibt es Schilder am See, die auf das Fütterungsverbot
hinweisen. Als der Jagdbefehl erteilt wurde, hingen diese aber noch nicht.
Und das stört unter anderem Marcus König, der für die CSU im Stadtrat sitzt
und dem örtlichen Tierschutzverein vorsteht: „Nun zu sagen, wir schießen
die ab, noch bevor da ein Schild hängt, also gleich zur Ultima Ratio zu
greifen, das gehört sich nicht.“
Der Tierschutzverein führt den Protest an, der sich gegen die
Stadtverwaltung erhebt. André Winkel sagt, es seien Mails und Anrufe aus
der ganzen Bundesrepublik eingegangen, von Fürth bis Bremerhaven. Wenn auch
nicht ganz so viele, wie man meinen möchte. „Manche waren sachlich, andere
aufgebracht. Letztlich war es eine positive Erfahrung, weil man miteinander
redet.“
Winkel glaubt, die Mehrheit der Stadtbevölkerung unterstütze die Maßnahme.
Und dass es vielleicht gar nicht schlecht sei, wenn den Menschen bewusst
werde, dass die Tiere, die wir essen, vorher sterben müssen. „Viele sind
jetzt damit konfrontiert, dass das Fischstäbchen vorher Augen hatte und das
Putenschnitzel nicht in der Gefriertruhe aufgewachsen ist.“
## Viele Fleischesser schließen die Augen
Für das Phänomen existiert der schöne Ausdruck „Schlachthof-Paradox“: Fa…
3.000 Tonnen Gänsefleisch produzierten allein deutsche Schlachthöfe 2017.
Ein weitaus größerer Teil wird importiert. Ein Festessen, das zum Teil
unter erbärmlichen Bedingungen gemästet wird und inklusive Antibiotika auf
den Teller kommt. Die Gänse, mit denen man einen schönen Sommer verbracht
hat, sollen hingegen bitte verschont bleiben.
Grundsätzlich ist aber die ganze Stadt Jagdgebiet. Bis Januar kann der
Jäger am Wöhrder See nun ansitzen, geschossene Tiere sollen verzehrt
werden. Ziel der Maßnahme ist die Vergrämung. Das heißt: Die Gans lernt auf
die harte Tour.
Christian Wagner managt für die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
die Koordination von Wildgänsen, insbesondere weil es immer wieder zu
Konflikten mit bayerischen Landwirten kommt. Auch den Nürnberger
Verantwortlichen stand er im Vorfeld beratend zur Seite. Er sagt: „Die
Tiere sind sehr intelligent und lernfähig. Und sie sagen so etwas auch
weiter, man spricht dann von Gänsepost. Der Abschuss von einzelnen
Individuen ist sehr wirksam, eigentlich sogar die effektivste
Vergrämungsmethode.“ Zumindest wenn der Jäger regelmäßig genug ansitzt,
besteht die Hoffnung auf Konditionierung.
Dann weicht die Gans möglicherweise schon bald auf Flächen aus, an denen
sie gefahrfrei ihr Geschäft verrichten kann. Die Stadt bietet ihr den
naturbelassenen oberen Wöhrder See an. Nach Futter müsste sie dann freilich
wieder selber suchen. Bis es so weit ist, kann sich zumindest der
beauftragte Jagdpächter freuen. „Es handelt sich um ein hochwertiges
Wildbret“, sagt Christian Wagner, „auch ältere Tiere sind nicht zäh, wenn
man sie lange genug in einem geschlossenen Behältnis zubereitet.“
## Jäger schossen acht Gänse
Der Wöhrder See im August. Unweit der gesprenkelten Stufen liegt Daniel
Summa auf der Wiese und blinzelt braungebrannt in die Sonne. Seit April
kommt er jeden Tag mit seinem kleinen Hund Jackie hier her. Die Kanadagänse
habe er hier, in der Norikusbucht, schon lange nicht mehr gesehen. Einige
Meter vor ihm liegen Daunen in der Wiese, als wäre hier bereits gejagt
worden.
„Dass die Gänse jetzt gejagt werden sollen, ist vielleicht nicht die
optimalste Lösung. Aber es gibt natürlich immer Für und Wider“, sagt Summa.
„Ich bin selber Tierfreund“, fährt er fort und grinst: „Je mehr Gänse h…
kacken desto weniger regen sich die Leute wegen dem Hund auf.“
Dann kam der vergangene Samstag. Und mit ihm erstmalig Jäger, die noch vor
sieben Uhr morgens acht Gänse an der Norikusbucht schossen. Nachdem das
Tierheim Nürnberg [1][Fotos der erlegten Vögel auf Facebook gepostet
hatte], wurden im Netz erneut Proteste gegen die Aktion laut. Ein weiterer
Abschuss, so sagte ein Mitarbeiter des Nürnberger Bürgermeisters dem
Bayrischen Rundfunk, sei noch nicht geplant. Aber man müsse die Aktion
häufiger wiederholen, um bei der großen Anzahl an Tieren einen Erfolg zu
erzielen.
23 Aug 2018
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/TierheimNuernberg/posts/1855447314492934?__xts__%5…
## AUTOREN
Andreas Thamm
## TAGS
Gänse
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