| # taz.de -- Die Grünen nach dem Veggieday-Trauma: Jetzt wieder Rebellen | |
| > Die Grünen wollen wieder Verbote fordern – und verkaufen das als | |
| > Radikalität. Sorry, Grüne. Wollt ihr jetzt fürs Politischsein gelobt | |
| > werden? | |
| Bild: Ganz schön deprimierend | |
| Ein altes Produkt in leicht geänderter Form als neu und aufregend | |
| anzupreisen, ist ein Prinzip des Kapitalismus. Olles Waschpulver kommt | |
| nicht mehr so gut an? Kein Problem. Pressen wir es zu Tabletten, nennen es | |
| „Persil Universal Tabs“ und erhöhen den Preis. Für strahlende Reinheit und | |
| angenehme Frische. So ähnlich funktioniert das auch in der Politik. | |
| Die Grünen waren in den vergangenen vier Jahren so etwas wie die | |
| Persil-Tabs der Parteienlandschaft. Sie rochen nach Blümchen, waren | |
| praktisch und stets bereit, Merkel die Wäsche zu machen. Doch mit | |
| bürgerlicher Servilität, die das Regieren mit der Union im Blick behält, | |
| soll jetzt Schluss sein. Seit einiger Zeit versucht sich die Ökopartei ein | |
| wilderes, ja: linkeres Image zu verpassen. | |
| Die nicht mehr ganz neuen Parteivorsitzenden Robert Habeck und Annalena | |
| Baerbock [1][predigen eine neue Radikalität]. Die Probleme seien so groß, | |
| dass diese nötig sei. Auch Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, habituell | |
| aufs Bürgerliche abonniert, klingt plötzlich wie eine Rebellin mit | |
| Kapuzenpulli. Es brauche „radikale Antworten“ statt kleiner Schritte, sagt | |
| sie Spiegel Online. Dazu twittert sie eine erhobene Faust, die Geste der | |
| Revolution. Selbst Verbote will Göring-Eckardt mit an Todesverachtung | |
| grenzendem Wagemut nicht mehr ausschließen. | |
| „Beim Bundestagswahlprogramm haben wir uns angeschaut, sind da Verbote | |
| drin? Kommt da wieder jemand und sagt, die Grünen verbieten was?“ Solche | |
| Fragen will die Spitzengrüne künftig außen vor lassen. Angesichts der | |
| enormen Plastikmüllberge müsse man sich fragen, wie man gegensteuern könne | |
| – zum Beispiel mit einem EU-weiten Verbot von unnötigem Verpackungsplastik. | |
| #VerbotsparteiMyAss | |
| Nun ist gegen Radikalismus angesichts der Zuspitzung der ökologischen | |
| Probleme wenig einzuwenden. Aber diese selbstverliebte Rebellenpose ist | |
| nach der Performance der vergangenen Jahre wirklich schwer zu ertragen. Mal | |
| abgesehen davon, dass die Plastikkrise kein neues Phänomen ist: Geht es | |
| nicht eine Nummer kleiner? Ist eine grüne Partei, die unnötiges Plastik | |
| nicht verbieten will, überhaupt eine grüne Partei? Dauern EU-weite Reformen | |
| nicht gerne bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag? Was Göring-Eckardt als | |
| Radikalität verkauft, ist ein vorsichtiges Bekenntnis zu der Idee, dass der | |
| Staat steuern darf – auch bekannt als Ordnungspolitik. | |
| Für normale Menschen ist so was eine Selbstverständlichkeit, für Grüne | |
| offenbar Politik am Abgrund. Sie litten [2][wegen ihres Veggieday-Traumas | |
| Jahre lang] an einer Verbotsparanoia. Bloß keine harte Forderung in den | |
| Raum stellen, lautete das unausgesprochene Motto, sonst ziehen uns CDU und | |
| FDP im Verbund mit Bild, Welt und FAZ am Nasenring durch die Manege. Der | |
| neue Sound der Partei ist deshalb auch das Eingeständnis, einer | |
| konservativen Diffamierung aufgesessen zu sein. | |
| Selbstverständlich sagt so was kein Grüner öffentlich. Man setzt lieber auf | |
| die Vergesslichkeit der eigenen WählerInnen. Coole Grüne ließen den ewigen | |
| Verbotspartei-Vorwurf lässig abtropfen. Sie wiesen auf die Binse hin, dass | |
| der demokratisch legitimierte Gesetzgeber selbstverständlich schädliche | |
| Dinge verbieten darf. Umso mehr gilt das für eine Partei, die sich der | |
| Rettung der Ökologie verschrieben hat, die also einer wachstumsgierigen | |
| Wirtschaft Grenzen setzen muss. | |
| Coole Grüne könnten lustige Listen veröffentlichen mit Verboten ihrer | |
| Gegner. Das Verbotswesen, das Konservative und Liberale verantworten, ist | |
| spektakulär. Ein Mindestlohn, der Altersarmut verhindert? Verboten. Ein | |
| Leben rettendes Tempolimit auf den Autobahnen? Verboten. Eine Klimapolitik, | |
| die die Ziele des Pariser Abkommens einhält, gar übertrifft? Verboten. | |
| Coole Grüne würden so reagieren, wie es eine geschätzte Kollegin auf | |
| Twitter formulierte: #VerbotsparteiMyAss. | |
| Also, liebe Grüne, schön, dass ihr euch wieder trauen wollt, harte | |
| Forderungen zu stellen. Aber das ist kein Grund, von sich selbst gerührt | |
| oder aufs Politischsein stolz zu sein. Dafür sind die Zeiten dann doch zu | |
| ernst. | |
| 2 Aug 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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