| # taz.de -- Linkenpolitiker zum Wehrhahn-Urteil: „Das ist Schlamperei“ | |
| > Mit dem Freispruch für Ralf S. endet die einzige Spur nach dem | |
| > Bombenanschlag in Düsseldorf in einer Sackgasse. Frank Laubenburg | |
| > bemängelt Polizeipannen. | |
| Bild: Vor 18 Jahren fand hier am S-Bahnhof Wehrhahn der Anschlag statt | |
| taz: Herr Laubenburg, als Stadtratsmitglied der Linkspartei haben Sie | |
| [1][die Ermittlungen zum Wehrhahn-Anschlag beobachtet], und sprechen von | |
| „Schlamperei“. Was meinen Sie damit? | |
| Frank Laubenburg: Man wusste schon im Laufe des Abends, dass zumindest Ralf | |
| S. als Tatverdächtiger gelten müsste. Er galt als „Sheriff von Flingern“; | |
| da ist er immer mit seinem Schäferhund rumpatrouilliert und hat Leute | |
| rassistisch angepöbelt. Sein Laden war ein Treffpunkt der Neonaziszene. Es | |
| war auch bekannt, dass S. Erfahrungen mit Sprengstoff hatte. Alles deutete | |
| auf S. hin: Aber passiert ist erst mal nichts. Eine Durchsuchung seitens | |
| des Staatsschutzes gab es erst Tage nach dem Anschlag – nachdem S. durch | |
| einen „Besuch“ und eine Begehung bereits gewarnt war. Auch die Vernehmung | |
| kam erst Tage später. Das ist nicht gründlich; das ist Schlamperei. | |
| Ist das repräsentativ für den weiteren Verlauf der Ermittlungen? | |
| Ich würde sagen: ja. Unmittelbar nach dem Anschlag gab es keine mobile | |
| Wache am Tatort. Das Viertel ist recht migrantisch und man kann nicht davon | |
| ausgehen, dass alle die Rheinische Post lesen. Wenn ich also darauf | |
| angewiesen bin, Zeugen zu finden, brauche ich mehrsprachige Flugblätter und | |
| Polizeidienste vor Ort, die sich bei Passanten erkundigen. All das hat es | |
| entweder gar nicht oder erst verzögert gegeben. Die mobile Wache kam nach | |
| etwa einer Woche. | |
| Wie sehen Sie die Staatsanwaltschaft? | |
| Nach der Vernehmung von S. hat die Staatsanwaltschaft öffentlich erklärt, | |
| S. hätte ein Alibi für den Tatzeitraum. Das haben wir damals kritisiert, | |
| weil noch gar nicht feststand, wie kurz oder lang dieser Tatzeitraum | |
| eigentlich war: Man wusste ja noch gar nicht, ob die Bombe per Zeit- oder | |
| Fernzünder gezündet wurde. Mit ihrer Äußerung hat die Staatsanwaltschaft | |
| einen falschen Eindruck erweckt und eventuell verhindert, dass sich weitere | |
| Zeugen melden, im Sinne von: „Ich dachte, ich hätte was gesehen, aber er | |
| kann es ja nicht gewesen sein, also ist es nicht wichtig.“ Und das Alibi, | |
| das S. da gehabt haben soll, hat seine Freundin später auch noch | |
| zurückgenommen. | |
| Wie kann es sein, dass so viel schiefgegangen ist? | |
| Man hat die Hintergründe nicht wirklich ernst genommen. Kurz nach dem | |
| Anschlag hat Gerhard Schröder zwar den „Aufstand der Anständigen“ gegen | |
| rechts ausgerufen. Aber wir hatten da die Situation, dass der Anschlag auf | |
| überregionaler Ebene wie auf Bundesebene als rechtsextrem galt – in | |
| Düsseldorf selbst jedoch nicht. Die Staatsanwaltschaft hat immer wieder | |
| erklärt, es gebe keine Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund. Der | |
| damalige Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) hat Anspielungen darauf | |
| gemacht, dass die Opfer Kontingentflüchtlinge aus der Sowjetunion seien und | |
| vielleicht alte Rechnungen nicht gezahlt hätten. Also die klassische | |
| NSU-Nummer, man müsse mal bei den Opfern gucken, ob die nicht selbst schuld | |
| sind. | |
| Würden Sie sagen, man hat inzwischen aus den Fehlern gelernt? | |
| Das ist nicht mein Eindruck. Allein die Anzahl von Anschlägen auf | |
| Flüchtlingsheime, beispielsweise, bei der erzählt wird, ein rechtsextremer | |
| Hintergrund sei nicht erkennbar. Einer Münchner Familie hat man ein | |
| Hakenkreuz aufs Auto gemalt – da hieß es, ein rechtsextremer Hintergrund | |
| sei ausgeschlossen. Dass eindeutig rechtsextreme Straftaten als solche | |
| nicht wahrgenommen werden, ist immer noch häufig. | |
| Haben Sie mitbekommen, welche Rolle der Verfassungsschutz zu der damaligen | |
| Zeit gespielt hat? | |
| Nein, aber interessieren würde es mich sehr, denn das ist sehr dubios. Es | |
| gab V-Leute im Umfeld von Ralf S. und das hat im Prozess kaum eine Rolle | |
| gespielt. Das müsste eigentlich noch mal aufgeklärt werden: Wer war da, | |
| warum waren sie da? War es so, dass Polizei und Staatsschutz über diese | |
| V-Leute gar nicht informiert waren, beziehungsweise wann wurden sie | |
| informiert? Die Rolle, die der Verfassungsschutz hier gespielt hat, ist | |
| nach wie vor nebulös. Das ist etwas, dass so ein Prozess um individuelle | |
| Täterschaft gar nicht aufklären kann. So etwas klärt dann eher ein | |
| Untersuchungsausschuss. | |
| 31 Jul 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anett Selle | |
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