| # taz.de -- Haftstrafe für Ex-Banker: Früher Star, jetzt in den Knast | |
| > Bei der Deutschen Bank galt Christian Bittar als „Starhändler“ – jetzt | |
| > wurde er wegen Zinsmanipulation zu fünf Jahren Haft verurteilt. | |
| Bild: Geht ins Gefängnis: Christian Bittar | |
| London rtr/taz | Ein ehemaliger Händler-„Star“ der Deutschen Bank muss | |
| wegen Zinsmanipulationen ins Gefängnis. Christian Bittar wurde von einem | |
| Londoner Gericht am Donnerstagnachmittag zu einer Haftstrafe von fünf | |
| Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem muss er 2,5 Millionen Pfund als | |
| Vermögensabschöpfung und 800.000 Pfund an Gerichtskosten zahlen. Der | |
| Franzose war bekannt geworden, weil er 2009 mit 80 Millionen Euro den | |
| höchsten Bonus in der Geschichte der Deutschen Bank zugesprochen bekommen | |
| hatte. | |
| Zwei Jahre später wurde er wegen der Manipulationsvorwürfe entlassen. | |
| Bittar, der das Urteil in London mit gesenktem Kopf entgegen nahm, hatte | |
| sich im im März schuldig bekannt. Von diesem Zeitpunkt an wird ihm auch die | |
| Untersuchungshaft angerechnet. Da die Hälfte der Gefängnisstrafe zur | |
| Bewährung ausgesetzt wurde, ist Bittar in zwei Jahren wieder auf freiem | |
| Fuß. | |
| Sein Komplize, der ehemalige Barclays-Händler Philippe Moryoussef, wurde zu | |
| acht Jahren Gefängnis verurteilt – allerdings in Abwesenheit. Er hatte sich | |
| nach Bittars Geständnis nach Frankreich abgesetzt. | |
| Der einstige Derivatehändler soll zusammen mit anderen Händlern von 2005 | |
| bis 2009 den Interbanken-Zinssatz Euribor zum eigenen Vorteil manipuliert | |
| haben, das europäische Pendant zum Londoner Libor. Von solchen Zinssätzen | |
| hängen Geschäfte und Verträge im dreistelligen Billionen-Volumen ab. Sie | |
| werden Referenz-Zinssätze genannt, weil sie angeben, zu welchen Konditionen | |
| sich Banken untereinander Geld leihen. Auch der für Geschäfte in Dollar | |
| wichtige Zinssatz Libor war manipuliert worden. | |
| ## „Sie haben die Würfel gezinkt“ | |
| „Derivate-Handel wird oft als eine Art von Wette bezeichnet“, sagte Richter | |
| Michael Gledhill an Bittar gerichtet. „Sie haben das einen Schritt weiter | |
| getrieben und die Würfel gezinkt.“ Bittars Anwalt David Savell sagte, | |
| Bittar und seine Familie wollten die Sache hinter sich bringen und nach | |
| vorne schauen. Er sei psychisch und physisch erschöpft. | |
| Moryoussefs Anwalt Francois de Castro sagte, sein Mandant sei fassungslos | |
| über das Urteil und überlege, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für | |
| Menschenrechte (EMGR) zu bringen. Der Prozess sei unfair. Eine Jury hatte | |
| ihn bereits in der vergangenen Woche für schuldig befunden, zwischen 2005 | |
| und 2009 den Euribor manipuliert zu haben. Die beiden Franzosen waren | |
| Freunde und gingen zusammen skifahren. | |
| Bei der Berechnung der Referenzzinssätze hatten sie jahrelang getrickst, um | |
| diese damit in eine für sie vorteilhafte Richtung zu treiben. Das war nur | |
| möglich, weil die beteiligten Mitarbeiter die Zinssätze fast ohne Kontrolle | |
| festlegen konnten. Denn statt realer Daten – also Kosten von tatsächlichen | |
| Krediten – waren Umfragen Grundlage der Berechnung: Händler schätzten, zu | |
| welchem Zins sich ihr Haus von anderen Banken Geld leihen könnte. Wie | |
| realistisch diese Angaben waren, war kaum nachprüfbar. Für die Händler | |
| waren Tricksereien verlockend: Selbst geringe Abweichungen konnten Banken | |
| Millionen an Extragewinn bescheren – und den Bonus der Händler in die Höhe | |
| treiben. Bittar hatte für die Bank hunderte von Millionen verdient, bis zu | |
| elf Prozent davon gingen auf sein Konto. | |
| Die Deutsche Bank kam in einer eigenen Untersuchung 2015 zu dem Ergebnis, | |
| dass „kein gegenwärtiges oder ehemaliges Vorstandsmitglied Kenntnis über | |
| das Fehlverhalten im Handelsbereich hatte oder daran beteiligt war“. | |
| Allerdings sah sich die Bank gezwungen, interne Abläufe und | |
| Aufsichtsmechanismen zu verschärfen. In dem Londoner Verfahren war die | |
| Deutsche Bank selbst nicht direkt beschuldigt. | |
| ## Hohe Strafen für mehrere Institute | |
| Etliche Institute mussten wegen der Zinsmanipulationen bereits hohe Strafen | |
| zahlen – die Deutsche Bank gleich mehrfach: Im Dezember 2013 verhängte die | |
| EU-Kommission 1,7 Milliarden Euro Bußgelder gegen mehrere Geldhäuser, die | |
| Deutsche Bank musste den Löwenanteil von 725 Millionen Euro tragen. Im | |
| April 2015 verglich sich Deutschlands größte Bank mit Behörden in den USA | |
| und Großbritannien: 2,5 Milliarden Dollar wurden fällig – die höchste bis | |
| dato verhängte Buße im Libor-Fall. | |
| Im Oktober 2017 schaffte die Deutsche Bank in den USA Libor-Klagen von | |
| Börsenhändlern und 45 Bundesstaaten gegen Zahlung von 300 Millionen Dollar | |
| aus der Welt, im Februar 2018 einigte sich das Institut mit Investoren wie | |
| der Stadt Baltimore und der Yale-Universität auf einen Vergleich und | |
| akzeptierte eine Zahlung von 240 Millionen Dollar. Es laufen noch weitere | |
| Zivilverfahren, bei denen Firmen und Privatleute von der Deutschen Bank | |
| Schadenersatz als Ausgleich für Verluste wegen Zinsmanipulationen | |
| durchsetzen wollen. | |
| 20 Jul 2018 | |
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