# taz.de -- Spielfreie WM-Tage: Lob der Pause | |
> Endlich Sommerabende ohne Fernseher: gleich zwei spielfreie Tage machen | |
> den Blick wieder frei für die Schönheit des Spiels. | |
Bild: Wird nicht gespielt, bleibt wenigstens Zeit für Rasenpflege | |
Das waren schöne WM-Tage. Sie waren auch deshalb schön, weil sie eine | |
natürliche Ordnung hatten. Das Turnier schenkte uns in den vergangenen | |
Wochen das stabile Gerüst eines klaren Tagesablaufs. Und das hatte etwas | |
sehr Beruhigendes in Zeiten, in denen so manches ins Wanken gerät, was vor | |
Kurzem noch als unumstößlich galt – die erfolgsgesättigte Turnierbilanz von | |
Jogi Löw etwa oder der Glaube, dass das Verhalten bayerischer Politiker | |
doch irgendwo einen rationalen Kern hat. | |
Egal, was in der Welt passierte, was Trump gerade wieder twitterte oder | |
über welchen Kollegen man sich im Büro ärgerte – um 16 Uhr war Anpfiff, um | |
20 Uhr das zweite Spiel, und Holger Stanislawski und Thomas Hitzlsperger | |
plauderten sich als allabendliche Dauergäste in unser Leben. | |
Manche blicken deshalb nun mit Schrecken auf die erste größere WM-Pause. | |
Kriege ich jetzt Entzugserscheinungen? Hat mein Tag keinen Kompass mehr? | |
Einzelne spielfreie Stunden, ja, die gab es schon, aber die waren doch nur | |
eine kurze Bildstörung im Strom der Fußballszenen. Nun sind es zwei Tage, | |
keine Live-Bilder, keine Taktikanalysen, erst am Freitagnachmittag rollt | |
der Ball wieder. Das ist eine bewusste Setzung – und, ja, diese Zeit ist | |
ein Geschenk. | |
Die Pause als solche hat ja leider kein gutes Image. In der Arbeitswelt | |
gilt sie eher als notwendiges Übel. Und als merkwürdiger Zwischenzustand, | |
nicht wirklich Arbeitszeit, aber auch nicht so richtig Freizeit. Was dabei | |
vergessen wird – erst Pausen geben Struktur. Wenn es keinen Wechsel | |
zwischen An- und Entspannung gibt, wenn alles immer in der gleichen | |
Aufgeregtheit dahingeht, sieht man irgendwann nicht mehr das Wesentliche. | |
Dann geht die Fähigkeit verloren, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu | |
unterscheiden. Man kann das in diesen Tagen bei Politikern beobachten, die | |
nonstop durchverhandeln. Anders formuliert: Was wäre der Republik wohl | |
alles erspart geblieben, wenn Horst Seehofer öfter mal eine Pause machen | |
würde? | |
## Die Pause schätzen lernen | |
Beim Fußballschauen ist es genauso: Wer ständig auf grüne Bildschirme | |
starrt, wer die strittigen Torraumszenen in Endlosscheife dauerkonsumiert, | |
dessen Blick wird irgendwann stumpf für die Schönheit des Spiels. Die Lust | |
der Fifa am Immer-mehr und Immer-länger ist in den vergangenen Wochen oft | |
beklagt worden. Um so mehr gilt es jetzt, die bewusste Pause zu schätzen. | |
Endlich mal wieder Sommerabende ohne Fernseher, Nachmittag am See oder im | |
Schwimmbad, Gespräche mit der Familie und Freunden, die sich nicht um | |
Aufstellungen und Umschaltspiel drehen – und das alles im beruhigenden | |
Wissen, dass diese WM ja noch nicht vorbei ist, sondern nur pausiert. | |
Viele Entscheidungen sind gefallen, [1][Messi wird in Russland keine Tore | |
mehr schießen], Neuer keinen Unhaltbaren aus dem Winkel kratzen, und doch | |
war das alles nur ein Vorspiel für das, auf was es sich jetzt zu freuen | |
gilt: die Sturmläufe von Kylian Mbappé, die Konter der Belgier, die | |
Rettungstaten des russischen Torwarts. Eine Pause macht nicht nur den Kopf | |
frei, sie schafft überhaupt erst richtig Raum für die schönste Freude, die | |
Vorfreude. Wer immer alles gleich bekommt, versagt sich diese – auch | |
deshalb ist ein Innehalten in der Mitte so wichtig. | |
Und der erste Anstoß nach der Spielpause? Das ist wie beim Fastenbrechen, | |
nachdem man sich wochenlang der Sucht nach Süßem entgegengestemmt hat. Nie | |
sonst schmeckt Schokolade so intensiv, so eindrücklich wie nach einer Zeit | |
des Verzichts. | |
4 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jan Pfaff | |
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