# taz.de -- Eröffnungsfeier der Fußball-WM: Musste es so nüchtern sein? | |
> Robbie Williams als Hauptact: Was vor der Partie Russland – Saudi-Arabien | |
> im Luschniki-Stadion geboten wurde, war wirklich enttäuschend. | |
Bild: Robbie Williams, eine malvenfarbene Anzugkombination und Aida Garifullina | |
Zeremonien vor internationalen, ja, globalen Events müssen schon vom | |
Begriff her kulturell überladen und festlich sein: Etwa so wie die bei | |
Olympischen Spielen. Einmarsch der Nationen mit Flaggen, musikalischem | |
Soundteppich und Ansprachen mit Appellen, dass jetzt wirklich Frieden | |
herrsche. Ist zwar überwiegend verlogen – aber die Geste zählt ja immer: | |
Wir, das Publikum, wollen, dass ein Anfang gesetzt wird, so festlich wie es | |
irgend geht. | |
Und diese WM in Russland, deren Auftakt ins Moskauer Luschniki-Stadion | |
gesetzt wurde, an einem Donnerstag, einen Tag eher als bei einer | |
Weltmeisterschaft bislang üblich? Seltsam unentschieden. Als Stargast wurde | |
Robbie Williams geladen – und der sang, mit der russischen Sopranistin Aida | |
Garifullina, „Angel“, ein Stück Anschmiegpop im mittleren Bombastmodus: Das | |
war krasseste Mid-Nineties-Ästhetik, das atmete nichts von den Beats | |
heutigen Entertainments. | |
Der Crooner und Ex-Take-That-Schluse trug dazu eine malvenfarbene | |
Anzugkombination, die jede zeitgenössische Klasseboutique nicht einmal in | |
die Second-Hand-Abverkaufe nehmen würde: Hatten die Gastgeber keine | |
besseren Kontakte ins Global Pop Business? Hätte nur noch gefehlt, dass | |
Annie Lennox ihm zur Seite springt und obendrein Sting, weil die die | |
Produktion der Weltwichtigskeitsgefühle noch glaubwürdig hätten attestieren | |
können. | |
Das blieb dem Moskauer Auditorium im Stadion immerhin erspart. Nicht | |
ersichtlich war, ob Robbie Williams’ wie abgelöscht wirkende Miene am Ende | |
seiner Performance so deutlich wie im Fernsehen kenntlich wurde: Soviel | |
Desinteresse am Moment einer Eröffnung war selten. | |
## Und dann kam Putin | |
Man fragte sich überhaupt, wo das Festliche hätte noch aufgeschäumt werden | |
können. So kurz vor der Eröffnungspartie den Williams den Rasen betreten zu | |
lassen, deutete ja nicht gerade an, dass man aus dem Vollen schöpfen | |
konnte. Und dann kam doch noch Wladimir Putin, der Präsident Russlands, der | |
Mann, der richtig glücklich aussah, als er seine Worte zur Festansprache | |
ins puschelige Mikrofon der Tribüne ausbrachte. | |
Viel war von Dank und Glück die Rede, wörtlich etwa: „Wir alle sind vereint | |
im Fußball, bei dieser WM. Hier gibt es keine Unterschiede in der Sprache | |
und im Glauben. Das ist die Kraft des Fußballs. Ich wünsche allen | |
Mannschaften bei dieser Weltmeisterschaft viel Erfolg.“ Das hätte Donald | |
Trump auch nicht schöner sagen können, auch wenn der US-Präsident | |
vielleicht noch ein Selbstlob eingeflochten hätte – und, zugegeben, auch | |
Barack Obama und Frank-Walter Steinmeier wären zu keinen anderen | |
rhetorischen Formeln gekommen, die sie zum Auftakt formuliert hätten. | |
Auffällig war nur, dass Putin, der trotz freundlichen Antlitzes gern | |
verspannt wirkt, ernsthaft zufrieden aussah. So, als fühlte er diesen Satz: | |
Mann, das war eine gute Idee, dass Russland im damaligen Fifa-Präsidenten | |
Sepp Blatter einen solch zugänglichen Freund finden konnte – und wir dieses | |
Turnier so reibungslos zuerkannt bekamen. | |
## Fifa-Präsident ohne Pfiffe | |
Aber was beim ja eben wiedergewählten Demokratieautokraten noch menschlich | |
aussah, seine echte Freude, dieses Prestigeprojekt in seinem Machtbereich | |
ausrichten zu können, gerann bei seinem Nachredner zur grinsenden | |
Karikatur: Gianni Infantino, amtierender Fifa-Präsident, gegen den sich | |
sein Vorgänger Blatter wie ein gemütlicher älterer Herr ausnimmt, dieser | |
Schweizer sagte mit devotestem, zähnefletschendstem Lächeln noch dies: „Ich | |
heiße euch willkommen zur WM in Russland und wünsche euch in den nächsten | |
Wochen viel Spaß und Erfolg. Das wird eine tolle Weltmeisterschaft, auf die | |
ich mich sehr freue.“ | |
Es war schockierend in gewisser Weiser, dass dieser ja auch erst zwei Jahre | |
amtierende Fifa-Chef so abgefeimt routiniert in seiner Devotion Wladimir | |
Putin gegenüber wirkte, als habe er die Blatter’sche | |
Verbrüderungsgeschichte mit allen Schreckensregimen und | |
Schreckensgeldabgreifern und -zusteckern der Welt auf das Organischste | |
geerbt: Infantino sah sich offenbar gern am Mikrofon im | |
Weltscheinwerferlicht baden – und erntete verblüffenderweise auch noch | |
Beifall. | |
Das wiederum macht seinen Unterschied aus: Blatter, auch kein Kind | |
finanzieller Traurigkeit, wurde bei seinen Grußworten, sei es in Brasilien, | |
Südafrika oder Deutschland, irgendwie immer mit Pfiffen und Buh-Rufen | |
bedacht. Infantino, das darf man sagen, ist jetzt schon weiter, als sein | |
Vorgänger je zu kommen vermochte. | |
Robbie Williams war in diesem Moment irgendwie schon vergessen: Die Show | |
geht weiter, ab sofort bis zum späten Abend des 15. Juli. | |
14 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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