# taz.de -- taz-Serie zum Datenschutz in der EU: Ein Schreckgespenst geht um | |
> Verbraucherschützer jubeln. Aber viele Unternehmen ächzen über die neuen | |
> Datenregeln. Sie sind vor allem ratlos, wie was umgesetzt wird. | |
Bild: Beim neuen Datenschutzgesetz fragen sich viele: Was ist erlaubt, was geht… | |
Die Daten von rund 500 Millionen Europäer*innen stehen ab 25. Mai 2018 | |
unter besonderem Schutz. Dann gilt die EU-Datenschutzgrundverordnung – kurz | |
DSGVO. Sie gilt als Meilenstein und Zeitenwende im europäischen | |
Datenschutzrecht. Während Verbraucherschützer*innen jubeln, ärgern sich | |
Blogger*innen, Vereinsleute oder Kleinunternehmer*innen über das | |
bürokratische Ungetüm. Die taz beleuchtet [1][in einer Serie] die | |
verschiedenen Aspekte der DSGVO. | |
Berlin taz | Seit Monaten geistert sie wie ein Schreckgespenst durch viele | |
Firmen. Chefs und Mitarbeiter stöhnen über das Bürokratiemonster namens | |
DSGVO – kurz für Datenschutzgrundverordnung. Ab 25. Mai gilt sie in allen | |
EU-Staaten. Die DSGVO soll die Bürger vor dem Zugriff von Datensaugern | |
bewahren und den Schutz privater Informationen über deren wirtschaftliche | |
Verwertung stellen. | |
Während Verbraucher- und Datenschützer jubeln, ächzen viele Unternehmen. | |
Die einen, weil sie ihr Geschäfte mit dem Datenhandel in Gefahr sehen. Die | |
anderen, da sie sich von der Regulierungswut der EU-Bürokraten in die Ecke | |
getrieben fühlen. | |
„Bei uns ist die Hölle los“, sagt der Geschäftsführer eines IT-Unternehm… | |
mit etwa 50 Mitarbeitern in Baden-Württemberg. In der Zeitung will er nicht | |
namentlich genannt werden. Aber aus seiner Wut über die EU-Bürokraten macht | |
er keinen Hehl. Das Problem: Der Mittelständler hat Angst, dass auf ihn | |
horrende Bußgelder zukommen, wenn er sich nicht an die DSGVO hält. | |
Aber: Was heißt das eigentlich? Viele Chefs schimpfen über die vielfach | |
unklare juristische Auslegung der Verordnung. Was ist erlaubt, was geht | |
gerade so, was nicht? Es geht um viel: Sündern drohen nämlich Strafen in | |
Höhe von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes – für Facebook wären das, nur | |
mal zum Beispiel, etwa 1,6 Milliarden Dollar. | |
DSGVO ist Mega-Paket für Kleinfirmen | |
„Viele Unternehmen werden bis zum Stichtag am 25. Mai nicht in der Lage | |
sein, alle Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung umzusetzen“, sagt | |
Rebekka Weiß. Für die Datenschutzreferentin beim IT-Branchenverband Bitkom | |
liegt das vor allem an der Masse der neuen Auflagen. „Es gibt an vielen | |
Stellen zu viel Rechtsunsicherheit“, sagt Weiß. | |
Zum Beispiel beim neuen Recht auf Daten-Portabilität. Gemeint ist ein | |
gemeinsamer technischer Standard, der es ermöglichen soll, dass Daten | |
zwischen Unternehmen ausgetauscht werden. Doch wie das technisch und | |
praktisch funktionieren kann, weiß keiner genau. Ähnlich sieht es bei der | |
Verarbeitung von Daten aus: Reicht eine Einwilligungserklärung, die den | |
Kunden vorgelegt wird, damit sie zustimmen, dass ihre Adresse, ihre | |
Einkäufe oder Dienstleistungen gespeichert werden? Wie umfangreich muss | |
diese Einwilligung sein? | |
Vor zwei Jahren wurde die DSGVO auf EU-Ebene verabschiedet. Sie sollte die | |
bisherigen Datenschutzregeln vereinheitlichen und reformieren. Die alten | |
EU-Datenschutzregeln stammen aus einer Zeit, in dem Analog „Goldstandard“ | |
war, nämlich von 1995. Auch 24 Monate nach dem EU-Beschluss sind etliche | |
Firmen nicht in der Spur. Vor allem für kleinere Firmen oder Start-ups sei | |
die DSGVO „ein riesengroßes Paket“, sagt Bitkom-Referentin Weiß. | |
Auch Stephan Wernicke, Chefjustitiar des Deutschen Industrie- und | |
Handelskammertags, spricht von großen Herausforderungen, der Bürokratie und | |
den vielen Regeln, die „kaum sinnvoll in den unternehmerischen Alltag zu | |
integrieren“ seien. Deshalb fordert er eine längere Schonfrist, die | |
Verordnung umzusetzen. Schärfer fällt das Urteil des Bundesverbands der | |
Deutschen Industrie (BDI) aus. | |
Mehr Unterstützung von Behörden gefordert | |
Die vielen in der DSGVO verankerten „Rechenschaftspflichten kosten | |
Ressourcen, Zeit und Geld“, sagt Iris Plöger, Mitglied der | |
BDI-Hauptgeschäftsführung. Vielen Firmen fehlten Fachkräfte für den | |
Datenschutz. „Datenschutzrecht darf nicht zum Innovationshemmnis und | |
Standortnachteil werden“, klagt Plöger. | |
Schuld an der Misere sind laut Bitkom-Expertin Weiß auch die Behörden. Sie | |
hätten die Unternehmen zu spät über die Vorgaben informiert. Außer Juristen | |
und IT-Experten könne ja kaum einer das Regelwerk verstehen. Die Behörden | |
hätten hier viel stärker mit konkreten Handreichungen und verbindlichen | |
Hilfestellungen unterstützen können. | |
In Großunternehmen gibt es in der Regel Datenschutzbeauftragte oder | |
komplette Abteilungen, die sich nur um den Schutz von Kunden- und | |
Nutzerdaten kümmern – diese arbeiten derzeit vor allem daran, dass die | |
Datenschutzgrundverordnung umgesetzt wird. Der Berliner Online-Händler | |
Zalando hat sogar ein interdisziplinäres DSGVO-Team formiert. Juristen, | |
Techniker, Designer und Produktexperten arbeiten daran, dass ab dem 25. Mai | |
alles klappt. Zalando stehe mit anderen Digitalfirmen im Austausch, um sich | |
über die Interpretation der DSGVO zu informieren, heißt es aus dem | |
Unternehmen. | |
Grund für den Aktionismus sind – auch – die happigen Bußgelder. Angst dav… | |
haben ebenso kleine und mittelständische Firmen. Sie müssen nun einen | |
Beauftragten bestellen, der sich um die Einhaltung der Vorschriften | |
kümmert. Weiß rechnet mit einer regelrechten Abmahnwelle, sobald die | |
Verordnung gilt. | |
Anwälte haben Datenschutzsünder im Visier | |
Denn die neue Gesetzeslage hat bereits neue Geschäftsmodelle entstehen | |
lassen. So haben sich Anwaltskanzleien auf die Einhaltung der DSGVO | |
spezialisiert, andere „vermieten“ sogar Datenschutz-Experten. Mindestens | |
einen hauptamtlich Zuständigen fordert nämlich die DSGVO für Firmen, die | |
Daten verarbeiten. | |
Bitkom-Fachfrau Weiß geht von langwierigen Verfahren aus. Das Personal der | |
Datenschutzbehörden auf Landes- und Bundesebene wurde zwar aufgestockt. | |
Dabei haben die Beamten aber eigentlich andere Aufgaben. „Die | |
Aufsichtsbehörden“, sagt Weiß, „sollen beraten und unterstützen – nich… | |
Bußgelder verhängen und Sanktionen aussprechen.“ | |
*** | |
Teil 1 unserer Datenschutz-Serie: [2][Interview mit der | |
Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff] | |
Teil 2 unserer Datenschutz-Serie: [3][Was steht drin im DSGVO?] | |
Teil 3 unserer Datenschutz-Serie: [4][Auch kleine Firmen beklagen die | |
Rechtsunsicherheit des neuen Gesetzes] | |
Teil 4 unserer Datenschutz-Serie: [5][Interview mit dem Verbraucherschützer | |
Christian Gollner] | |
Teil 5 unserer Datenschutz-Serie: [6][Porträt des grünen Vordenkers der | |
neuen Datenschutzgesetze Jan Philipp Albrecht] | |
Teil 6 unserer Datenschutz-Serie: [7][Das Recht auf Vergessenwerden] | |
Teil 7 unserer Datenschutz-Serie: [8][Ein Vereinsvorsitzender und eine | |
Bloggerin sprechen über Nachteile des EU-Datenschutzgesetzes] | |
Teil 8 unserer Datenschutz-Serie: [9][Kommentar zur digitalen Zeitenwende] | |
19 May 2018 | |
## LINKS | |
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[9] /taz-Serie-Datenschutz-in-der-EU/!5504095 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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