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# taz.de -- Streit um Kieztreffpunkt: Kulturkampf zwischen Rosen
> Ohne Ausschreibung vergibt ein CDU-Stadtrat das Café Rosenstein im
> Pankower Bürgerpark an einen Vereinskollegen. Statt Vorspeisenteller gibt
> es dort nun Eisbeintage.
Bild: Das umkämpfte Café in Pankow
Der Schichtwechsel war zum 1. Mai. Den Espresso schenkte das Team vom
Rosenstein nur noch in Pappbechern aus. „Wir müssen um Mitternacht raus
sein“, erklärte Maik Kopischke den staunenden Gästen. „Dann gibt es einen
neuen Betreiber.“ Statt Espresso und Vorspeisenteller wird es im Bürgerpark
dann Fischbrötchen und Kaffee aus dem Vollautomaten geben. Pankow steht
mitten drin in einem Kulturkampf – und einem Vergabeverfahren, in dem die
lukrative Gastronomie im Pankower Schmuckpark quasi unter der Hand vergeben
wurde.
Bevor Maik Kopiscke 2005 seinen Mietvertrag unterschrieb, stand im
Bürgerpark nur ein Kiosk. Es gab Kaffee, Bier, ältere Herrschaften trafen
sich am Kiosk, ein paar Trinker, Imbisspublikum. Mit Maik Kopischke und
seinem Kompagnon Heiko Glöß kam ein Stück Prenzlauer Berg ins gediegene
Pankow. Beide betrieben in der Rykestraße das beliebte Saunabad. „Nicht
jeder mochte das“, erinnert sich ein ehemaliges Bezirksamtsmitglied.
Tatsächlich brannte das Rosenstein Ostern 2007 ab. Brandstiftung. Der oder
die Täter wurden nie gefasst. Mit den Geldern aus der Versicherung baute
das Bezirksamt, dem das Gelände gehört, den Kiosk wieder auf und errichtete
gleich daneben einen kleinen Kaffeehausneubau. Seitdem war das Rosenstein
eine Pankower Institution.
## Neu-PankowerInnen und Senioren
Neu-Pankowerinnen und Pankower trafen am Wochenende auf die Senioren, die
im nahen Heim leben und ihren Pharisäer tranken. Bei
Fußball-Weltmeisterschaften gab es Public Viewing ohne viele
Deutschlandfahnen, der ungarische Grillmann briet seine Bratwürste, in den
Liegestühlen, Strandkörben und an den Tischen im Außenbereich herrschte
eine lässige Stimmung. Das Rosenstein war ein Symbol dafür geworden, dass
sich Pankow ändert, ohne dabei so alternativ verbissen zu sein wie der
Prenzlauer Berg.
Doch die Neider blieben. Einer von ihnen ist Rainer Gehrmann, der Chef der
Event-Managementfirma Stage Craft. Jedes Jahr an Pfingsten veranstaltet
Gehrmann im Bürgerpark sein Festival Jazz im Park. Der Swing-Musiker Andrej
Hermlin tritt regelmäßig auf, auch die Sängerin Uschi Brüning wird an
diesem Wochenende dabei sein, der Bürgerpark ist dann abgesperrt, die Gäste
müssen Eintritt zahlen. „Über die Jahre hinweg hat sich zwischen Stage
Craft und dem Rosenstein eine gewisse Abneigung entwickelt“, sagt ein
anderes ehemaliges Bezirksamtsmitglied, das seinen Namen ebenfalls nicht in
der Zeitung lesen möchte. „Da prallten auch zwei kulturelle Welten
aufeinander.“
Rainer Gehrmann kann man wohl zu den alten Pankowern zählen. Der Chef von
Stage-Craft ist der stellvertretende Vorsitzende des Vereins für Pankow e.
V., der rund um Kirche, Rathaus und Park für das Lokalpatriotische
zuständig ist. Dass es Jazz im Park in Pankow gibt, reklamiert der Verein
für sich als Erfolg.
## Showdown im Herbst
Zum Showdown kam es schließlich vergangenen Herbst. „Im Oktober flatterte
uns die Kündigung ins Haus“, erinnert sich Maik Kopischke. „Nach einigen
Telefonaten im Bezirksamt wurde uns dann mitgeteilt, dass es bereits einen
neuen Betreiber gibt. Das Rosenstein, das wir in dreizehn Jahren von einem
Kiosk zu einem richtigen Parkcafé gemacht haben, sollte an Rainer Gehrmann
von Stage Craft gehen.“
Zuständig für das Facility-Management in Pankow und damit auch für die
bezirkliche Liegenschaft im Bürgerpark ist Torsten Kühne, CDU, Stadtrat für
Schule und Sport. Gegenüber der taz räumt Kühne ein, dass es weder eine
Ausschreibung noch ein Interessenbekundungsverfahren gab. Das sei aber auch
gar nicht nötig gewesen, schreibt Kühne in einer Stellungnahme, die er der
taz zukommen ließ. „Eine öffentliche Ausschreibung war nicht erforderlich,
da der Abschluss von Mietverträgen über Grundstücke der öffentlichen Hand
nicht dem Vergaberecht unterliegt.“ Wohl aber habe es „eine beschränkte
Ausschreibung unter mehreren Interessenten“ gegeben.
## „Das Ding ist gelaufen“
Wie diese beschränkte Ausschreibung aussah, schildert Kopischke der taz.
„Als wir erfahren haben, dass sich das Bezirksamt bereits mit Rainer
Gehrmann einig geworden ist, haben wir Druck gemacht, um uns wenigstens
auch noch bewerben zu können.“ Mitte Dezember reichten Kopischke und Glöß
dann ein Konzept ein. Sie boten an, 130.000 Euro für einen weiteren
Café-Neubau zu investieren, 25.000 Euro in die Sanierung der Parkbibliothek
sowie die Beleuchtung im Park zu stecken, um auch nach Einbruch der
Dunkelheit öffnen zu können. „Darüber hinaus wollten wir die Miete an den
Bezirk verdoppeln“, so Kopischke. Einen Monat später bekamen sie einen
Termin bei Stadtrat Kühne. Kopischke: „Der war so gelangweilt und
uninteressiert, da war uns klar, dass das Ding gelaufen ist.“
Torsten Kühne ist seit 2011 Stadtrat in Pankow, davor war er Referent der
CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Auch Kühne ist Mitglied im Verein für
Pankow. „Eine Interessenkollision kann ich dadurch nicht erkennen“,
schreibt Kühne in seiner Erklärung an die taz. „Der Vorgang wurde von
mehreren Fachämtern des Bezirks vorbereitet und begleitet. Die Entscheidung
wurde durch einen Beschluss des Bezirksamt gefasst.“
Die Grünen sehen das anders. „Das ist politisch hochgradig ungeschickt“,
sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek.
„Das hat absolut ein Geschmäckle.“ Daniela Billig, bis 2016
Fraktionsvorsitzender der Grünen in der BVV Pankow und nun im
Abgeordnetenhaus, sagt: „Im 21. Jahrhundert sollte mehr Transparenz das
Gebot der Stunde sein. Da hätte es bestimmt noch einige andere Gastronomen
mit spannenden Konzepten gegeben.“ Billig kündigt an, dass ihre Partei das
Thema in der BVV zur Sprache bringen wird.
## Andere Bezirke machen's anders
Andere Bezirke handhaben ihre Vergaben anders. In Friedrichshain-Kreuzberg
etwa werden bezirkliche Immobilien erst nach Ausschreibung oder
Interessenbekundung vermietet oder verpachtet. Eine generelle Regel gibt es
nicht, sagt Eva Henkel, Sprecherin von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen
(SPD). Wenn das Verfahren aber fehlerhaft gewesen sei, könne ihre
Verwaltung darauf hinweisen und um eine Korrektur bitten.
Am 30. Januar bekam Maik Kopiscke ein Schreiben, in dem er aufgefordert
wurde, das Rosenstein in der Nacht zum 1. Mai an Rainer Gehrmann zu
übergeben. Der wartete bereits mit seinen Mitarbeitern auf die Übergabe.
„Die Gastronomie wird künftig der erste Berliner Fischmarkt übernehmen“,
verriet Gehrmann der taz. „Künftig wird es hier Fischbrötchen geben und
auch Eisbeintage.“ Es wird also alles ganz anders im Bürgerpark. Nur den
eingeführten Namen hat Gehrmann nur geringfügig geändert. Aus Rosenstein
wurde nun Rosengarten.
17 May 2018
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
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Kulturkampf
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