# taz.de -- Eurovisão am Tejo, Folge 9: Alles oder Nichts | |
> Der chinesische Streamingdienst Manga darf die ESC-Auftritte nicht | |
> übertragen. Er hatte die Vorrunde in einer bereinigten Fassung gezeigt. | |
Bild: Der albanische Sänger Eugent Bushpepa in der Vorrunde: der chinesische S… | |
LISSABON taz | Das TV-Format „ESC“ wird ja weltweit bestaunt: Eine im Kern | |
europäische Show, die reale, nicht nur hochgerechnete, spekulierte oder | |
hochgestapelte Zuschauermengen (wie beim „Oscar“ oder dem „Grammy“) | |
mobilisiert. Das chinesische Staatsfernsehen Hunan bzw. dessen | |
Internetstreamingableger Mango erwarben für diesen ESC die Lizenz zur | |
Übertragung im eigenen Netz. Das fand die European Broadcasting Union (EBU) | |
in Genf, die auch den ESC verantwortet, sehr gut. Das bringt Geld, vor | |
allem dies. | |
Andere Länder, die nur bedingt zur EBU-Kette öffentlich-rechtlicher Sender | |
gehören, haben den ESC früher auch schon übertragen – Jordanien etwa, | |
Ägypten oder die Sowjetunion, als der Eiserne Vorhang die Welt noch | |
trennte. Als Israel mal gewann, knipsten die arabischen Sender einfach | |
alles ab, politisch missliebige Realität wird lieber geleugnet als | |
abgebildet. | |
Chinas Sender Mango TV wurde nun am Mittwoch dabei ertappt, das erste | |
Semifinale, die Vorrunde, nur bereinigt gezeigt zu haben. Herausgeschnitten | |
war der irische Act (weil er offen eine schwule Liebe zeigt) sowie der | |
albanische, weil der Sänger Eugent Bushpepa erkennbar tätowiert ist. Das | |
eine ist wie das andere in China unstatthaft, gezeigt zu werden, und | |
verboten das zweite ebenso. Als die EBU dies erfuhr, handelte man | |
konsequent: Sie kündigte die TV-Lizenzverabredung fristlos. Schon gestern, | |
Donnerstag, durfte der Streamingdienst das zweite Semifinale nicht mehr | |
zeigen, das Grand Final am Samstag auch nicht. | |
Die EBU sagt, sie habe so handeln müssen und wollen, weil der ESC von | |
Inklusion und Universalität lebe, nicht von Diskriminierung und | |
Ausgrenzung. Die harte Sanktion gegen die ESC-Interessierten in der | |
Volksrepublik ist freilich auch eine Sanktion als Symbol in die EBU-Länder | |
hinein: Russland wollte fast auch nicht, seiner ebenfalls homophoben | |
Gesetzeslage wegen, den irischen Act – der nun außerdem beim Finale gezeigt | |
werden muss – übertragen. Aber der russische Sender weiß: Das würde den in | |
Russland sehr populären ESC nicht nur beschädigen, man würde vielmehr auch | |
als Strafe den Ausschluss im kommenden Jahr riskieren. | |
Insofern: ESC ist immer auch Politik, linke Antiimps und postkoloniale | |
Kader*innen würden gar sagen, mit einer solchen Haltung der Inklusion und | |
der Selbstverpflichtung auf einen Universalismus würde Europa nur über | |
seine schlimme Politik hinwegtäuschen, ähnlich wie Israel (Stichworte: | |
„Homonationalismus“ u.ä. Vokabelpolitschrott), dessen Kandidatin Netta hier | |
in Lissabon zwar weiter als mitfavorisiert gilt und alle Sympathien ihrer | |
Botschaft wegen genießt – „(I'm not your) Toy“. | |
Michael Schulte, der deutsche Kandidat, muss jetzt seine Nerven bewahren | |
bzw. er muss jetzt weiter aufblühen: Vor zwei Wochen noch als Aspirant für | |
den letzten ESC-Platz gehandelt, wird er derzeit bei den internationalen | |
Buchmacher*innen auf einen der Top-Plätze verortet. | |
11 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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Netta Barzilai | |
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