# taz.de -- Kommentar Wahl im Libanon: Ein Land auf der Kippe | |
> Die Schiitenmiliz Hisbollah geht gestärkt aus der Wahl hervor. Für das | |
> kleine Land mit den vielen Flüchtlingen ist das keine gute Nachricht. | |
Bild: Bei der Wahl ging es nicht um soziale Grundversorgung, sondern um nahöst… | |
Wenn im Libanon ein Sack Reis umfällt, dann wackelt manchmal die ganze | |
Region. Das Land mag winzig sein und kompliziert, aber es ist vor allem | |
eins: ein Ort, an dem die großen Mächte des Nahen Ostens gern ihre | |
Konflikte austragen. Deswegen geht es bei Wahlen auch meist gar nicht | |
vorrangig um Arbeitsplätze (zu wenig), Müllabfuhr (Katastrophe) oder | |
soziale Grundversorgung (nichtstaatlichen Akteuren überlassen), sondern um | |
nahöstliche Machtfragen – zum Verdruss vieler Libanesen. | |
Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah und ihre politischen Verbündeten | |
sind gestärkt aus den [1][Parlamentswahlen vom Wochenende] hervorgegangen. | |
Das bedeutet nicht nur, dass die „Partei Gottes“, die auf der Terrorliste | |
der USA steht, auf jeden Fall wohl wieder an der nächsten Regierung | |
beteiligt werden muss. Die Hisbollah ist zudem der engste politische und | |
militärische Partner des Iran. Mit ihrem Sieg und der Niederlage der | |
sunnitischen „Zukunftsbewegung“ von Saad Hariri – ein Verbündeter | |
Saudi-Arabiens und des Westens – punktet der Iran. Und das hat auf jeden | |
Fall Auswirkungen auf die fragile Situation im Libanon und darüber hinaus. | |
Libanons Nachbarland Syrien ist längst zum Schauplatz eines | |
sunnitisch-schiitischen Konflikts geworden. Stellvertretend sind hier auch | |
der Iran, auf der Seite des Regimes, und Saudi-Arabien, auf der Seite der | |
Opposition, gegeneinander angetreten. Der Ausgang ist bekannt: Syriens | |
Diktator Baschar al-Assad hat sich mit Hilfe iranischer Truppen, | |
Hisbollah-Einheiten und russischer Luftunterstützung weitestgehend | |
durchgesetzt. | |
Schon seit Beginn des Syrienkrieges wächst die Gefahr, dass sich die Gewalt | |
auf den Libanon ausweitet. Nicht nur, weil derselbe Konflikt auch das | |
kleine Land am Mittelmeer dominiert, sondern vor allem, weil dort 1,5 | |
Millionen Flüchtlinge aus Syrien leben. Bei einer Bevölkerung von gerade | |
mal rund sechs Millionen Libanesen ist das eine in jeder Hinsicht gewaltige | |
Zahl. Das Land steht sogar ohne politische Konflikte auf der Kippe und wird | |
nur dank der Arbeit der internationalen Hilfsorganisationen überhaupt vor | |
dem Absturz bewahrt. | |
Der Triumph der Hisbollah, den ihr Chef Hassan Nasrallah nun auch noch | |
genüsslich als „politischen und moralischen Sieg“ anpries, ist deshalb | |
nicht ungefährlich. Er provoziert den politischen Gegner, vor allem die | |
Sunniten, von denen es bei weitem extremere und gewaltbereitere Gruppen | |
gibt als die eher westlich orientierte „Zukunftsbewegung“ Hariris. | |
Und nicht nur das. Auch Saudi-Arabien und Israel könnten sich von der | |
indirekten Stärkung Teherans einmal mehr bedroht fühlen. Für Israel rückt | |
der Iran an allen Fronten näher, und Saudi-Arabien sieht sich derzeit im | |
Kampf um die Vormachtstellung im Nahen Osten auf der Verliererseite. | |
Für den Libanon sind das keine guten Nachrichten. | |
8 May 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-Parlamentswahl-im-Libanon/!5500815 | |
## AUTOREN | |
Silke Mertins | |
## TAGS | |
Libanon | |
Wahlen | |
Saad Hariri | |
Hisbollah | |
Fußball | |
Libanon | |
Libanon | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Trainer zu Fußball im arabischen Raum: „Wir haben nicht verloren“ | |
Trainer-Vagabund Theo Bückers über den Nahen Osten, Verfehlungen von Katar | |
und über die Frage, warum der Libanon 2014 nicht zur WM durfte. | |
Nach Parlamentswahl im Libanon: Hisbollah stärker, Israel alarmiert | |
Die Wahl wird im Libanon wenig verändern. Aber es wächst die Gefahr einer | |
israelisch-iranischen Konfrontation. | |
Wahl im Libanon: Vom Müllprotest ins Parlament | |
Am 6. Mai wählt der Libanon ein neues Parlament – zum ersten Mal seit neun | |
Jahren. Neue Parteien wollen im festgefügten System einen Platz erobern. |