| # taz.de -- Neue Verschlüsselungssoftware: Digitale Selbstverteidigung | |
| > Jetzt als App: Mit „pretty easy privacy“ soll die Verschlüsselung von | |
| > Kommunikation via Mails und Nachrichten im Netz simpel werden. | |
| Bild: Gekommen, um die Massen anzulocken? Autorin und Kolumnistin Sibylle Berg | |
| Berlin taz | Die Bühne ist dunkel. Ein DJ legt Techno auf, während ein | |
| zweiter dazu trommelt. Auf der Bühne sitzen sechs Menschen, die aus nicht | |
| erklärbaren Gründen ständig ihren Sitzplatz wechseln. Zwei von ihnen sind | |
| die Autorin Sibylle Berg und der Kabarettist Marc-Uwe Kling, die anderen | |
| sind dem großen Publikum, das zur letzten Veranstaltung des zweiten Tages | |
| der re:publica gekommen ist, unbekannt. | |
| Im Hintergrund laufen auf einer Leinwand Aufzeichnungen von Videokameras | |
| und Gesichtserkennungsprogrammen. Alles wirkt wie eine inszenierte | |
| Kunstperformance. Berg fängt an zu sprechen, es geht um Überwachung. | |
| Ein Thema, dem wir in unserem Alltag nicht entkommen können. [1][Seit | |
| August 2017 läuft am Berliner Bahnhof Südkreuz ein Pilotprojekt für | |
| automatische Gesichtserkennung, das im Januar 2018 noch einmal für ein | |
| halbes Jahr verlängert wurde.] | |
| [2][Ein Volksbegehren fordert flächendeckende Videoüberwachung in Berlin | |
| für mehr Sicherheit.] Smartphones können mittels unseres Daumenabdrucks | |
| entsperrt werden. Mit der Payback-Karte an der Supermarktkasse geben | |
| Kund*innen ihre Daten preis, mit denen das Kaufverhalten der jeweiligen | |
| Besitzer*innen analysiert wird. | |
| ## Verschlüsselung per App | |
| Angebote, die uns Sicherheit, finanzielle Vorteile oder Komfort | |
| versprechen, sind auch immer eines: die Einschränkung unsrer Privatsphäre. | |
| Häufig können wir uns davon nicht mehr entziehen. | |
| Selbst im Slalom-Lauf ist es in einer Großstadt kaum mehr möglich, nicht | |
| von einer Kamera aufgezeichnet zu werden – Flughäfen oder Bahnhöfe müssten | |
| in jedem Fall gemieden werden. Doch es gibt auch Wege, seine eigenen Daten | |
| zu schützen. Das Internet zu meiden, wäre eine Lösung, doch das ist weder | |
| bequem, noch zeitgemäß. | |
| Auf der Veranstaltung „Freundeskreis Freiheit (im Netz) – Die freundliche | |
| Verweigerung“ wird am Donnerstagabend auf der re:publica ein Lösungsansatz | |
| präsentiert. Der Freundeskreis ruft zur „digitalen Selbstverteidigung“ auf. | |
| Nach der künstlerischen Einführung stellt Berg eine der Unbekannten auf der | |
| Bühne vor: Nana Karlstetter. | |
| Die Unternehmerin und Mitgründerin der pEp-Kooperative soll vorstellen, wie | |
| so eine Selbstverteidigung aussehen kann. Berg warnt „Achtung, jetzt wird | |
| es kompliziert“. Doch Karlstetter verneint, denn genau das ist der Punkt | |
| des neuen Projekts „pEp“ („pretty easy privacy“). | |
| ## Gemeinnützige Genossenschaft | |
| Mithilfe von Softwarekomponenten soll die Verschlüsselung von Kommunikation | |
| via Mails und Nachrichten im Netz einfach gemacht werden. Die | |
| Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll automatisch ablaufen – sobald das Tool | |
| einmal installiert ist, muss sich die Nutzer*in nicht mehr darum kümmern. | |
| Für das Mailprogramm Thunderbird gibt es jetzt schon das Plug-In, auch bei | |
| Gmail soll es bald folgen. Android-Nutzer*innen können sich jetzt schon | |
| eine App mit eigenem Mailprogramm herunterladen, für iOs existiert bislang | |
| eine Beta-Version. | |
| Also doch keine Kunstperformance, sondern die Vorstellung einer neuen | |
| Verschlüsselungssoftware. Warum Berg und Kling da sind, spricht der | |
| Kabarettist Kling direkt aus: „Ich bin hier nur, um die Massen anzulocken“ | |
| und beginnt, aus seinem Buch vorzulesen. Die beiden gehören zu der | |
| pEp—Kooperative und sollen der eigens dafür gegründete Schweizer Stiftung | |
| um Hernâni Marques helfen, Aufmerksamkeit zu generieren. Und das | |
| funktioniert: Die Stühle vor der größten Bühne der re:publica sind bis auf | |
| einige wenige gefüllt. | |
| „pEp“ soll gemeinnützig ablaufen, Gewinne sollen nicht erzielt werden, die | |
| Apps und Plug-Ins werden frei zur Verfügung gestellt. Wer bisher seine | |
| Nachrichten verschlüsseln wollte, braucht dafür eine gewisse technische | |
| Vorkenntnis. Bei Erklärungen, die sich im Netz vielfältig finden lassen, | |
| fehlt vielen Nutzer*innen allein schon das nötige Vokabular, um eine | |
| Verschlüsselung einzurichten. Eine Software wie „pEp“ kann das ganze | |
| Prozedere einfacher machen. Und das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung | |
| Privatsphäre. Wenn auch nur ein erster. | |
| ## Alle müssen mitmachen | |
| Das Problem ist, die Technik funktioniert nur, wenn auch die Empfänger*in | |
| sie nutzt. Ansonsten werden die Nachrichten weiterhin unverschlüsselt | |
| verschickt. Und das ist, wie eine Binsenweisheit des Internets erzählt, wie | |
| eine Postkarte zu verschicken: Jede*r kann sie auf dem Versandweg mitlesen. | |
| Um Privatsphäre zu schützen, müssen ebensolche Verschlüsselungen zu einem | |
| allgemeinen Standard werden. Aus diesem Grund gründete die Gruppe auf der | |
| Bühne eine Genossenschaft, die das Projekt „pEp“ tragen soll. Es ist zu | |
| einem Art Credo der diesjährigen re:publica geworden: Nur gemeinsam kann | |
| man etwas erreichen. | |
| 4 May 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gesichtserkennung-an-Berliner-Bahnhof/!5436197 | |
| [2] /Volksbegehren-fuer-Videoueberwachung/!5424921 | |
| ## AUTOREN | |
| Carolina Schwarz | |
| ## TAGS | |
| Datenschutz | |
| re:publica | |
| Verschlüsselung | |
| Sibylle Berg | |
| Australien | |
| re:publica | |
| Bundeswehr | |
| Whistleblower | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Australien schwächt die Verschlüsselung: „Big Brother“ down under | |
| Australien verpflichtet Messaging-Dienste wie Whatsapp oder Telegram, | |
| Schwachstellen einzuprogrammieren – damit die Behörden mitlesen können. | |
| Bundeswehr vs. Re:publica: Wir. Dienen. Digitaldeutschland. | |
| Die Veranstalter lehnten uniformierte Soldaten auf ihrer Konferenz ab. Die | |
| Bundeswehr rächt sich mit einem gründlich orchestrierten Shitstorm. | |
| Bundeswehr darf nicht auf Re:publica: Keine „Militarisierung“ des Netzes | |
| Die Re:publica verwehrt der Bundeswehr einen Stand auf der Messe und lässt | |
| keine Soldaten in Uniform rein. Das Militär ist empört und fährt mit einem | |
| Truck vor. | |
| US-Whistleblowerin in Berlin: Popstar Chelsea Manning | |
| Die Whistleblowerin ruft auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin zum | |
| Widerstand gegen das Silicon Valley auf – und wird gefeiert. |