| # taz.de -- Eurovisão am Tejo, Folge 2: Seht her, so geht es nicht | |
| > Es gibt Länder, die können nicht gewinnen. Wenn beispielsweise Montenegro | |
| > mal was reißen will, müsste es moderneres Zeug zum ESC schicken. | |
| Bild: Vanja Radovanović, der blonde Mann, wird das Finale gewiss nicht erreich… | |
| Lissabon taz | Der vierte [1][ESC-Probentag] in der Altice-Arena von | |
| Lissabon – ein knappes Dutzend Acts trainieren die zuvor einstudierten | |
| Choreografien. Die TV-Regie achtet darauf, dass sie ihre richtige | |
| Bühnenpositionen einnehmen, damit die Scheinwerfer sie ins Licht tauchen | |
| können. Von Georgien bis zur Ukraine, dazwischen Schweden und Polen, sind | |
| alle sehr rührig. Das geht nicht immer gut. Die ersten Probenschritte bei | |
| einem Eurovision Song Contest müssen gerade Künstler und Künstlerinnen, die | |
| in Schulaulen und Clubs aufzutreten gewohnt sind, überstehen und sich eben | |
| nicht vor Furcht einnässen. Fear of performing! | |
| Man sieht bei diesen Proben für den ESC – bei dem bis auf die großen, | |
| finanzstarken Länder wie Deutschland und Portugal als Gastgeber, alle erst | |
| mal in Semifinals müssen, um sich für das Grand Final zu qualifizieren – | |
| Materialschlachten sondergleichen. Der ukrainische Act, eine nervöse | |
| Pseudorocknummer, beginnt mit dem Sänger Mélovin, der aus einem monströsen | |
| Flügel in Rot sich befreit, zuvor gefesselt durch rote Riemen. Das mag zwar | |
| lehrreich sein für angehende Dekorateur*innen (Seht her: So geht es | |
| nicht!“), aber für das Lied ist es störend. Sei's drum: Die Ukraine will ja | |
| ohnehin nicht wieder gewinnen. Man hat einfach noch vom vorigen Jahr in | |
| Kiew die Backen satt – da darf es dann auch mal ein ödes Lied sein. | |
| Und dann gibt es Länder, die können nicht gewinnen, weil sie immer wieder | |
| in Anfällen von Selbstsentimentalisierung auf die Idee kommen, die | |
| einheimische Folklore dem eurovisionären Publikum vorzusetzen. Lieder, die | |
| man irgendwie seit 40 Jahren kennt und doch als neu ausgegeben werden. Etwa | |
| das montenegrinische, dargeboten von einem jungen Mann, der Vanja | |
| Radovanović heißt und ein hellblaues, paillettenübersätes Croupierjäckchen | |
| trägt. Um ihn nehmen Frauen in weißen, schwingenden Kleidern Aufstellung. | |
| Sie werden um ihn herumschweben, ihm gelegentlich mal die Hände auf die | |
| schmalen Schultern legen, dann wieder zur Seite gehen. | |
| Und das Lied, das auf Deutsch übersetzt „Raureif“ heißt, ist schwermütig | |
| und balladesk auf eine konventionelle Art, außerdem pseudopompös. Es | |
| klingt, als sei das schwermütige Karma, das auf diesem Teil Exjugoslawiens | |
| liegt, nie verscheucht worden. Jedes zweite der Lieder aus Ländern, die | |
| einst unter Josip Broz Tito friedlich blieben, klingt wie dieses: | |
| balkanesische Edelschwermut, die von Liebe und Leid, vom Bösen und vom | |
| Guten handelt. Das wird nächste Woche „sich nicht ausgeh'n“, wie man in | |
| Österreich sagt. | |
| Vanja Radovanović wird das Finale gewiss nicht erreichen. Und seine | |
| Choristinnen mit ihm auch nicht: Sie intonieren eine Nummer, die kaum mehr | |
| als Folklore ist, lackierte Volksmusik, die nicht hübsch klingt. Wenn | |
| Montenegro mal echt was reißen will, muss es moderneres Zeug zum ESC | |
| schicken. Oder wenigstens gut gelaunte, na, besser gelaunte Musik – | |
| elektronisch instrumentiert, so wie es Lettland ja auch schafft seit vier | |
| Jahren. | |
| P.S.: [2][Netta Barzilai] weiß, dass sie Donnerstag zur zweiten Probe auf | |
| die Lissaboner Bühne der Atice-Arena muss. Dem Vernehmen nach soll sie, wie | |
| alle Tage, ziemlich gut gelaunt sein. Ihr Titel „Toy“ steht in den | |
| europäischen Wettbüros immer noch, und das seit vielen Wochen, | |
| [3][unangefochten an erster Stelle]. | |
| 3 May 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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