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# taz.de -- Radprofi Froome beim Giro d'Italia: Unterwegs mit Stigma
> Christopher Froome will den Giro gewinnen. Gleichzeitig arbeitet er an
> der Verteidigung in seinem Dopingfall. Ersteres könnte leichter sein.
Bild: In Erwartung des Starts: Christopher Froome beim Giro-Auftakt in Jerusalem
CATANIA taz | Jerusalem ist kein gutes Pflaster für Prominente. Ein
Religionsgründer landete gar am Kreuz und zog sich dabei fünf Wunden zu –
Stigmata. Ein vierfacher Toursieger landete, als der Giro d’Italia noch
nicht gestartet war, auf dem Boden und verlor danach, als es zählte, im
Zeitfahren 37 Sekunden auf Vorjahressieger Tom Dumoulin. Der hatte den Giro
im letzten Jahr mit 31 Sekunden Vorsprung gewonnen. Der Rückstand, den sich
Christopher Froome im Heiligen Land eingehandelt hat, könnte entscheidend
sein.
Wunden zog sich Froome auf dem Pflaster auch zu: eine am rechten
Oberkörper, da wo einst der Religionsgründer auch eine offene Stelle hatte,
dann aber von der Jesus-Geschichte abweichend welche an rechtem Knie und
rechtem Ellenbogen.
Es waren nur Schürfwunden. Sie taugen also nicht für Stigmata im
klassischen Leidenssinne. Ein Stigma hat Froome aber doch, ein Stigma im
Sinne von Makel. Würde es sich am Körper manifestieren, so wäre es im
Mundbereich zu sehen: Dort, wo Froome möglicherweise einen allzu tiefen Hub
genommen hat, um sich das Asthmaspray Salbutamol zuzuführen. Der hatte zu
einem Messwert weit über dem zugelassenen Grenzwert geführt. Es geht um
Doping.
Ganz böse für den Briten wäre es, wenn das Salbutamol-Stigma sich an
anderen Körperstellen zeigen würde. Das würde bedeuten, er hätte sich das
Asthmamittel nicht oral zugeführt, sondern über eine Spritze. Und das ist
nicht erlaubt. Ging es also um Linderung echter Beschwerden oder hat Froome
einfach nur geschummelt? Um hier zu differenzieren, wurde ein Grenzwert
festgelegt: Werden 1.000 Nanogramm pro Milliliter Urin gemessen, liegt ein
Dopingvergehen vor. Den überschritt Froome bei der bei der Spanienrundfahrt
2017 um das Doppelte. Der Wert wurde mittlerweile klammheimlich auf 1,429
Nanogramm heruntergerechnet. Grund sind Flüssigkeitsverluste bei
körperlicher Belastung. Sie erhöhen durch die Abnahme des
Flüssigkeitsvolumens zwangsläufig den Anteil der festen Bestandteile im
Urin. Das klingt logisch. Merkwürdig ist dennoch, dass die Formel erst
jetzt bei Froome zur Anwendung kommt.
## Virtuelle Verteidigung
Über dem Grenzwert liegt der errechnete Wert immer noch. Jetzt soll eine
Studie belegen, dass die Messung nichts wert ist. Die Universität Leiden
hat bei der Auswertung eines Simulationsversuchs festgestellt, dass in über
15 Prozent der Fälle der zulässige Grenzwert überschritten wird, obwohl nur
die erlaubte Menge von Salbutamol verabreicht wurde. Einer von sechs Fällen
ist demnach falsch positiv – ein starkes Signal für Froomes Verteidigung.
Und doch kein eindeutiges. Denn das Simulationsverfahren ist virtuell. Kein
Mensch wurde getestet, sondern nur 1.000 Mal Salbutamol-Daten in einen aus
der Testliteratur abgeleiteten Algorithmus eingespeist. Ist Künstliche
Intelligenz Froomes bester Anwalt?
Das Testdesign wirft Fragen auf. Es geht von der Maximalgabe von 800
Mikrogramm Salbutamol auf einen Hub aus. Froome selbst sprach immer von
„einigen wenigen Hüben“ – von einer auf mehrere Zeitpunkte verteilte
Einnahme. Die hohen Ausschläge des virtuellen Tests sind auch darauf
zurückführen, dass die Messungen eine Stunde nach Vergabe der Maximaldosis
vorgenommen wurden. Das virtuelle Testdesign passt nicht wirklich auf das
von Froome behauptete Einnahmemuster. Reicht das für einen Freispruch im
Dopingverfahren?
Ein Sieg beim Giro scheint da leichter zu erringen sein für den Briten –
wenn das Profil der Strecke schwerer wird. Froome jedenfalls freut sich
schon auf die Berge. „Der Giro wird in den Bergen entschieden. Es gibt so
viel davon, da kann man jeden Rückstand wettmachen“, meinte er. Am
Donnerstag schon folgt der Ätna.
## Die Kultur des Giro
Allerdings steckt der Brite hier nicht in der für ihn gewohnten
Komfortposition, nach einem starken Zeitfahren nur reagieren zu müssen.
„Ja, das ist eine komplett neue Erfahrung. Es entspricht so gar nicht dem,
wie ich sonst eine Grand Tour beginne“, sagte er Reportern, nachdem er
seinen Fuß nach dem Transfer von Israel auf sizilianischen Boden gesetzt
hatte. Mit melancholischer Note bekannte er auch: „Das ist offenbar der
Giro. Das ist eine echte Erfahrung und auch eine andere Kultur.“
Genau, der Giro ist nicht so planbar wie die Tour de France. Sky, Froomes
bestens ausgestattetes Team, erfuhr das mehrfach. Bradley Wiggins schied
2013 aus, Geraint Thomas stürzte 2017 schwer. Die Pechserie setzt sich
offenbar fort. Ärgerlich dabei ist, dass sie sich mit Christopher Froome
fortsetzt. Denn da fährt einer mit Stigma-Aura vom Fuß des Tempelbergs hin
zum Kolosseum. Diese Orte hätten besseres verdient.
9 May 2018
## AUTOREN
Tom Mustroph
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Doping
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