# taz.de -- Kommentar Opposition in der Türkei: Letzte Ausfahrt vor der Diktat… | |
> Vier Oppositionsparteien bilden bei der Parlamentswahl ein gemeinsames | |
> Bündnis. Das könnte TürkInnen mobilisieren, die schon resigniert haben. | |
Bild: Der populäre Demirtaş (hier auf den Fotos) wird bei der Wahl viele Link… | |
Es ist eine Weggabelung: „Entweder wir schaffen es jetzt, Erdoğan zu | |
stürzen, oder es kommt eine zehnjährige Ein-Mann-Herrschaft auf uns zu“, | |
fasste Selahattin Demirtaş, [1][der inhaftierte Präsidentschaftskandidat | |
der kurdisch-linken HDP], die Bedeutung der am 24. Juni bevorstehenden | |
Präsidentschaftswahl in der Türkei kurz und treffend zusammen. | |
Mit dem Referendum über die Einführung des Präsidialsystems hat der | |
amtierende Präsident Erdoğan im April des vergangenen Jahres die Bündelung | |
der Macht in einer Hand vorbereitet. Mit der jetzigen Präsidentenwahl wird | |
die neue Verfassung in Kraft treten. Dann gibt es keinen | |
Ministerpräsidenten mehr, und das Kabinett, das Militär und letztlich auch | |
die Justiz werden nur noch auf das Kommando des Präsidenten hören. | |
Erdoğan hat das Wahlgesetz zu seinen Gunsten verändert, Wahlgeschenke | |
verteilt und eine Wahlallianz mit der ultrarechten MHP geschlossen, damit | |
er die Stimmen, die der AKP für ein 50-Prozent-Ergebnis fehlen, bei den | |
Nationalisten einsammeln kann. Nicht zuletzt hat Erdoğan die Wahlen um gut | |
eineinhalb Jahre vorgezogen, weil er befürchtet, bis Herbst 2019 könnte die | |
Wirtschaft eingebrochen sein und die Opposition stark genug, um ihn | |
ernsthaft zu gefährden. | |
Vier wichtige Oppositionsparteien treten nun mit einer gemeinsamen | |
[2][„Volksallianz“ bei der Parlamentswahl an]. Für die Präsidentschaftswa… | |
haben sie eigene Kandidaten ernannt, aber zumindest die | |
[3][sozialdemokratisch-kemalistische CHP] und die neue rechtsnationale | |
İyi-Partei haben sich in die Hand versprochen, den jeweils anderen | |
Kandidaten, der im ersten Wahlgang am stärksten ist, bei einem möglichen | |
zweiten Wahlgang gegen Erdoğan zu unterstützen. Der populäre Demirtaş wird | |
außerdem viele Linke mobilisieren, die ohne ihn bei der Wahl wohl zu Hause | |
geblieben wären. | |
So wenig erfolgversprechend der Kampf gegen Erdoğan auf den ersten Blick | |
aussieht, es scheint, als könnte die Opposition tatsächlich noch einmal | |
auch alle die Türken und Türkinnen mobilisieren, die eigentlich schon | |
resigniert hatten. Fünfzig Tage Powerplay hat Muharrem İnce versprochen, | |
als die CHP seine Kandidatur verkündete – und am Samstag auch gleich damit | |
begonnen. Er forderte, seinen Konkurrenten Demirtaş für den Wahlkampf aus | |
dem Gefängnis freizulassen, was demokratisch richtig, aber auch taktisch | |
sinnvoll ist, um sich in einem zweiten Wahlgang die kurdischen Stimmen zu | |
sichern. | |
Erdoğan ist nicht mehr unverwundbar. Sein autoritäres islamistisches Regime | |
hat viele abgestoßen, die früher mit ihm sympathisiert haben. Es wird noch | |
einmal spannend in der Türkei. | |
6 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Wolf Wittenfeld | |
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