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# taz.de -- Denkmäler für polnischen Ex-Präsidenten: Kaczyńskis Weg in den …
> „Aus Sicherheitsgründen“ verstaatlichte die polnische Regierung den
> Warschauer Pilsudski-Platz und lässt dort nun Denkmäler aufstellen. „Das
> ist illegal“, sagen viele.
Bild: Eines der vielen Denkmäler für Lech Kaczynski, zynischerweise „die Hi…
Pani Basia steht vor ihrem grünen Kiosk im Warschauer Stadtteil Mokotów und
inspiziert die Auslage. Auf einem Titelbild ist mal wieder das Wrack der
Tupolew Tu-154 zu sehen, des Unglücksfliegers, der 2010 kurz vor dem
russischen Militärflughafen in Smolensk abstürzte. 96 Menschen kamen damals
ums Leben, darunter Polens damaliger Präsident Lech Kaczyński, seine Frau
Maria und zahlreiche Parteifunktionäre der nationalpopulistischen Partei
Recht und Gerechtigkeit (PiS). Pani Basia greift sich die linksliberale
Tageszeitung Gazeta Wyborcza und hängt sie in den Zeitungsständer draußen.
Eine massive Treppe aus Granitquadern schmückt das Titelbild.
„Himmelstreppe nennen die Warschauer das Denkmal“, kommentiert eine erste
Kundin und reicht Pani Basia die Hand. „Haben Sie davon schon gehört?
Makaber, oder?“ Die Lehrerin mit dem rot flatternden Schal legt vier Złoty
(umgerechnet einen Euro) in die Geldschale. Pani Basia nickt: „Ja, alle
gingen die Flugzeugtreppe rauf. Und das ist eben jetzt so ein Riesengrabmal
mitten in der Stadt.“
Ein alter Mann mit Stock und Schiebermütze greift ebenfalls nach der Gazeta
Wyborcza, will aber auch die PiS-nahe Gazeta Polska Codzienne haben. „Ich
denke, sie müssen noch einen Zaun um das Denkmal bauen. Stellen Sie sich
mal vor, dass da einer die Treppe hochgeht und sich dann von ganz oben
runterstürzt.“ Die Lehrerin sieht ihn entsetzt an. „Sagen Sie doch so was
nicht! Vorerst sollten wir mit den Kindern keinen Ausflug zum
Piłsudski-Platz machen. Das ist viel zu gefährlich!“
Zwei Studenten der nahen Wirtschaftshochschule kaufen Zigaretten und Cola.
„Im November soll ja noch das Lech-Kaczyński-Denkmal enthüllt werden, aber
wer weiß schon, wie lange die PiS-Denkmäler stehen bleiben?“, sagt der
22-jährige Piotr. „Genau“, wirft sein Freund Andrzej ein. „Die stehen da
illegal!“ Die Regierung könne nicht einfach einen zentralen Platz in
Warschau beschlagnahmen – angeblich aus Sicherheitsgründen – und dort dann
Denkmäler hinstellen, für die sie von der Stadt keine Genehmigung bekommen
habe. Oppositionspolitiker kündigten schon an, die „illegalen
PiS-Denkmäler“ nach einem Regierungswechsel entfernen zu lassen, ebenso
einen Großteil der Lech-Kaczyński-Denkmäler, die zu Tausenden überall im
Lande aufgestellt wurden.
## Es gibt schon genug Denkmäler
Eine Rentnerin fährt mit scharfer Stimme dazwischen: „Schämen Sie sich
eigentlich nicht? Da drüben, ja, schräg gegenüber, wo die Blumen liegen und
die Kerze brennt, da hat kurz vor dem Absturz der letzte Exilpräsident
Polens gewohnt. Mit welchem Recht sprechen Sie ihm und den anderen Opfern
ein Denkmal ab? Was haben Sie schon geleistet!“
Die Kioskbesitzerin mag es gar nicht, wenn ihre Kunden in Streit geraten.
Sie wiegelt ab: „Wissen Sie, Pani Anna. Es gibt ja schon ein großes
symbolische Denkmal auf dem Powązki-Friedhof. Außerdem will die Regierung
ein großes Denkmal an der Unfallstelle in Smolensk aufstellen. Hier hat er
eine große Gedenktafel. Meinen Sie nicht, dass das reicht?“ Die 80-Jährige
schüttelt heftig den Kopf: „Nein! Alle sollen sehen, was die Russen uns
angetan haben. Die Treppe muss beim Grab des unbekannten Soldaten stehen!“
Die Studenten werfen sich vielsagende Blicke zu. Die Rentnerin gehört der
„Smolensk-Sekte“ an, die von einem russischen Anschlag auf den polnischen
Präsidenten ausgeht. Obwohl Kaczyński den damaligen Umfragen zufolge kaum
eine Chance auf eine Wiederwahl hatte, habe Putin ihn für so gefährlich
gehalten, dass er dessen Flugzeug habe explodieren lassen. Dafür gibt es
zwar keinerlei Beweise, doch „politischer Anschlag“ klingt für viele
glaubwürdiger als ein banaler „Unfall wegen dichten Nebels“.
„Wissen Sie, Pani Anna“, mischt sich der alte Mann mit Schiebermütze ein,
„das Treppedenkmal würde doch gut in der russischen Zitadelle stehen, da,
wo auch das Katyn-Museum ist.“ Die Rentnerin kommt ins Grübeln. „Ja, wo der
sowjetische Geheimdienst unsere Offiziere ermordet hat.“ Noch ist sie nicht
ganz überzeugt: „Aber erst, wenn die PiS nicht mehr regiert!“, knurrt sie
und winkt Pani Basia zu: „Bis morgen, meine Liebe.“
15 Apr 2018
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
Lech Kaczyński
Denkmal
PiS
Kolumne Stadtgespräch
Polen
Kino Polen
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