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# taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Im Plastikfieber
> Ob im Hotel, bei der Zugfahrt, im Café – überall in Amerika wird man mit
> Plastik überschüttet. Plastikfasten macht es auch nicht besser.
Bild: Alles Plastik!
Unser Hotel im New Yorker Stadtteil Brooklyn war ein Schnäppchen, gebucht
bei einem deutschen Großveranstalter, der Nachhaltigkeit auf seine Fahnen
geschrieben hat. Dass beim Frühstück nur Plastikgeschirr, Pappteller und
Einwegdöschen mit Peanutbutter oder – igitt! – Kondensmilch mit
Haselnussgeschmack bereitstanden, erklärten wir noch mit dem günstigen
Preis.
Doch Porzellan und Metallgeschirr scheinen in den USA wirklich rar zu sein.
Ein Luxus, den sich gerade mal die Luxushotellerie- und gastronomie
erlaubt. Das 4-Sterne-Hotel in Lafayette/Louisiana, im Fünfzigerjahrestil
erbaut, elegant eingerichtet, sodass man glaubt, gleich würde Jacqueline
Kennedy in passender Garderobe an der Rezeption aufkreuzen, war äußerst
vielversprechend. Auch am Frühstücksbuffet glitzerte schon von weitem
silbern das Besteck und war dann doch nur profanes, silbernes Plastik, das
beim Aufstrich der viel zu hart gefrorenen Butter im Einwegdöschen sofort
zerbrach. Stilvoll gefaket.
Jedes Café hat vor allem Papp- und Plastikbecher, nicht nur für to go. Auf
der Zugfahrt durch das Land begleiten uns Styroporboxen, Plastikkörbe,
Plastikbesteck, eingepackt in eine Plastikverpackung. Und Plastiktüten
bekommt man überall nachgeschmissen. Die USA, so scheint es, ertrinken
fröhlich konsumierend in Plastik und überall geht man äußerst großzügig
damit um.
Vor rund 70 Jahren wurden Kunststoffe zum Massenprodukt. 8,3 Milliarden
Tonnen wurden seither produziert – nach meist kurzer Verwendung lagert der
größte Teil (79 Prozent ) davon auf Deponien oder in der Umwelt. Dies geht
aus einer Veröffentlichung einer Forschergruppe von der University of
California hervor: 1950 wurden weltweit zwei Millionen Tonnen Kunststoff
hergestellt – im Jahr 2015 waren es bereits 380 Millionen Tonnen Plastik.
Gerade einmal 600 Millionen Tonnen wurden recycelt, aber auch diese
Produkte werden nach kurzer Wiederverwendung wieder entsorgt. Am höchsten
sind die Recyclingraten in Europa (30 Prozent), gefolgt von China (25
Prozent), nur 9 Prozent sind es in den USA.
Ähnlich sieht es bei der Verbrennung aus: 800 Millionen Tonnen Plastikmüll
werden auf diese Weise entsorgt. Auch hier liegt Europa mit 40 Prozent an
der Spitze, China erreicht 30 Prozent und die USA liegen bei 16 Prozent.
Der große Rest von 4,9 Milliarden Tonnen ist entweder noch im Gebrauch oder
sammelt sich als Müll in Deponien, in der Landschaft und den Meeren. Wir
jedenfalls wollen jetzt reuevoll 40 Tage plastikfasten: Seife statt
Duschgel, Leitungswasser statt Flaschenwasser, keine verschließbare
Schachtel aus Schaumpolystyrol als Doggybag, kein verpacktes Fastfood, vor
allem nie wieder Einwegdöschen der Kondensmilch mit Haselnussgeschmack.
22 Apr 2018
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Reiseland USA
Plastik
Hotel
Getränke
Plastiktüten
Mikroplastik
Wir retten die Welt
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