Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Festnahmen beim Berliner Halbmarathon: Die Polizei lässt alle lauf…
> Erst war die Rede von einem auf den Halbmarathon geplanten Anschlag. Am
> Montag sind alle sechs Verdächtige wieder auf freiem Fuß.
Bild: Die Strecke gesichert – beim Berliner Halbmarathon
BERLIN taz | Der Zugriff war erfolgt, als 200.000 Menschen die Wegstrecke
des Halbmarathons säumten, der sich am Sonntag mit 36.000 TeilnehmerInnen
durch Berlin zog. Sechs Männer im Alter von 18 bis 21 Jahren, die der
islamistischen Szene angehören sollen, wurden wegen Verdachts der
Vorbereitung einer staatsgefährdenden schweren Gewalttat in ihren Wohnungen
in Berlin festgenommen. Die Polizei habe einen Anschlag verhindert – diese
Meldung hielt sich bis zum Montagmittag. Viele Zeitungen, auch die taz,
hatten so ihre Berichte überschrieben.
Inzwischen weiß man: Von einem unmittelbar bevorstehenden Anschlag kann
keine Rede sein. Die Polizei sagt, diese Information sei nicht von ihr
gekommen. Am Montag trat Polizeisprecher Thomas Neuendorf neuerlich dem
Eindruck entgegen, wonach ein Anschlag auf den Halbmarathon geplant war.
Die Polizeiaktion begründete er damit, dass gegen die Beschuldigten mehrere
Verdachtsmomente vorgelegen hätten. „Eine Mischung aus Verdächtigung und
situativen Momenten“ habe dazu geführt, dass die Polizei beim Amtsgericht
Tiergarten den Durchsuchungsbeschluss erwirken konnte.
Bei den Wohnungsdurchsuchungen seien dann aber weder Sprengstoff noch
Schusswaffen gefunden worden. Die Auswertung der beschlagnahmten Computer
und Handys stehe noch aus. Wenn auch diese nichts ergebe, würden die
Festgenommenen „noch nicht einmal einem Haftrichter vorgeführt werden“. Es
könne durchaus sein, so Neuendorf, dass die sechs Männer noch im Laufe des
Tages wieder freikämen. So war es dann auch. Um kurz vor 16 Uhr kam die
Eilmeldung, dass alle sechs aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden
seien.
## Eine Kombination aus Gründen
Wenn kein konkreter Anschlag als Verdacht im Raum stand – was war dann das
Motiv für den Zugriff? Neuendorf nennt eine Kombination aus Gründen: ein
verdächtiges Verhalten der Männer. Der Halbmarathon als Großereignis. Nach
dem Anschlag in Münster sei denkbar gewesen, dass sich Nachahmer zu
ähnlichen Taten animiert fühlten. In Münster hatte ein Mann am Samstag
einen Campingbus in eine Menschenmenge gesteuert und dabei zwei Personen
getötet. Inzwischen ist klar, dass es sich dabei nicht um einen
terroristischen Anschlag gehandelt hat.
Vier der in Berlin Festgenommenen sind Medienberichten zufolge deutsche
Staatsbürger irakischer Herkunft. Der Hauptverdächtige, Valid S., komme aus
dem engen Umfeld des islamistischen Attentäters vom Breitscheidplatz, Anis
Amri. Von den sechs Festgenommenen ist S. der einzige, der vom Staatsschutz
als Gefährder eingestuft ist. Offenbar wurden er und auch die anderen
observiert. In den vergangenen Wochen sollen die Männer auffällig oft, auch
nachts, Stellen aufgesucht haben, an denen der Halbmarathon vorbeiführt.
Keiner von ihnen soll sich bei der Festnahme in der Nähe der
Marathonstrecke befunden haben.
Der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses wird sich am 23. April mit dem
Fall beschäftigen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) soll gesagt haben, die
Sache sei „zu heiß“ geworden, nachdem sich die Männer so auffällig für …
Strecke interessiert hätten.
## Mit Kritik nicht zu rechnen
Mit Kritik von den Innenpolitikern der rot-rot-grünen Regierungskoalition
müssen Geisel und die Polizei nicht rechnen. Im Gegenteil. Der Zugriff in
so einem frühen Stadium „ist ein schöner Erfolg“, sagte Frank Zimmermann
(SPD) am Montag. Benedikt Lux (Grüne) sprach von einer vorsorglichen
Reaktion der Ermittlungsbehörden. Zu entscheiden, ob es für einen
Haftbefehl reiche, sei dann Sache der Gerichte. Die Polizei habe nicht
viele Alternativen. Dass sie lieber zugreife, bevor etwas passiere, so Lux,
„kann ich verstehen“.
Ob ein Zugriff zu früh oder zu spät komme, könne man erst im Nachhinein
bewerten, sagte auch Niklas Schrader von der Linken. Mit Blick auf das
Versagen im Fall von Anis Amri sei zu begrüßen, dass die Polizei ihre
Arbeit nunmehr gründlich mache. Dass die Verdächtigen observiert worden
seien, „zeigt, dass es möglich ist“.
Auch als am Montagnachmittag die Nachricht kam, dass die sechs wieder frei
sind, wollte in Sicherheitskreisen niemand von einer Überreaktion der
Polizei sprechen. Der SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann hatte eine
ähnliche Frage schon vorher entrüstet zurückgewiesen. Wer der Polizei dies
vorwerfe, sei ein „Besserwisser, der keine Ahnung hat“.
Nein, die Polizei sei nicht nervös, sagte auch Polizeisprecher Neuendorf.
Nervös seien die Medien gewesen. Denn aus deren Reihen sei die nicht
zutreffende Meldung von einem bevorstehenden Anschlag gekommen. Danach sei
große Hektik ausgebrochen, die viele Menschen verunsichert habe. Gerade das
habe die Polizei vermeiden wollen. Welche Überschrift ihm in den Zeitungen
besser gefallen hätte? Neuendorf: „Die Polizei ist wachsam.“
9 Apr 2018
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Anis Amri
Terrorgefahr
Terrorismus
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Festnahmen in Berlin: Anschlag auf Halbmarathon vereitelt
Die Berliner Polizei hat einem Bericht zufolge einen Anschlag verhindert.
Ein Festgenommener soll zum Umfeld des Weihnachtsmarkt-Attentäters gehören.
Gedenken an Berliner Terroranschlag: Ein Riss, nur scheinbar geschlossen
Politik trifft auf tief enttäuschte Angehörige: Ein Jahr nach dem Mord an
12 Menschen auf dem Breitscheidplatz wird der Opfer gedacht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.