# taz.de -- Praktiken von Cambridge Analytica: Der PR-Job in Kenia | |
> Die Firma steht wegen mutmaßlicher Manipulation der US-Wahl in der | |
> Kritik. Dabei hat sie offenbar auch bei anderen Wahlen mitgemischt. | |
Bild: Cambridge Analytica hat zweimal für Uhuru Kenyatta Kampagnen gemacht | |
Alle reden über Cambridge Analytica und wie das Unternehmen im US-Wahlkampf | |
50 Millionen Facebook-Profile ausgespäht haben soll. Cambridge Analytica | |
hat nun ein Problem, und zwar kein kleines. Die US-Staatsanwaltschaft | |
ermittelt. Firmenchef Alexander Nix wurde bereits entlassen. [1][Auch | |
Facebook steht immer stärker in der Kritik]. Viele UserInnen sind | |
verunsichert und fragen sich, ob sie ihre Profile löschen sollen. Der | |
Aktienkurs schwächelt. Von Cambridge Analytica als Partner hat die Firma | |
sich bereits vor mehreren Tagen getrennt. | |
Ein genauer Blick auf das britisch-amerikanische Unternehmen lohnt sich. | |
Dabei kommen noch ganz andere Verwicklungen zum Vorschein, zum Teil in | |
sogenannten Entwicklungsländern. Dass die Aufregung darüber nicht größer | |
ist, ist ein Skandal. So hat die Firma unter anderem massiv in den | |
Wahlkampf in Kenia eingegriffen – und das gleich zweimal: 2013 und 2017. | |
Dies berichten zahlreiche Medien, [2][darunter die Washington Post]. Bei | |
den Wahlen kam es zu Ausschreitungen. Es gab Tote. Dutzende, auch Kinder | |
waren darunter. | |
Das „Engagement“ des Unternehmens in Kenia ist seit längerem bekannt. Nur | |
hat das bislang kaum jemand mitbekommen. Doch spätestens seit Montagabend | |
dürften Hunderttausende Internet-Nutzer im Bilde sein. Denn da strahlte der | |
britische Sender Channel 4 eine Investigativ-Reportage zu den Aktivitäten | |
von Cambridge Analytica aus. Über eineinhalb Millionen Menschen haben die | |
aufgezeichnete Sendung [3][allein auf Youtube aufgerufen]. | |
Der kenianische Präsident Uhuru Muigai Kenyatta ist seit 2013 an der Macht | |
– aktuell in seiner zweiten Amtszeit. Davor war er Finanzminister und | |
stellvertretender Ministerpräsident Kenias. Bereits 2013 heuerte seine | |
Partei – damals noch The National Alliance (TNA), heute die Jubilee Party – | |
Cambridge Analytica an, um die Wahlen zu gewinnen. Was auch gelang, in | |
beiden Fällen. Obwohl das Oberste Gericht Kenias 2017 die Wahlen wegen | |
zahlreicher Unregelmäßigkeiten zunächst für ungültig erklärte. | |
## Viel subtiler als offene Propaganda | |
Kenyattas Rivale Raila Odinga zog daraufhin seine Kandidatur zurück. Das | |
führte dazu, dass Kenyatta die Wahlen mit rund 98 Prozent der Stimmen | |
gewann. Allerdings betrug die Wahlbeteiligung weniger als 40 Prozent – | |
anders als bei der ersten Runde, wo sie bei 80 Prozent gelegen hatte. | |
Odinga ließe sich zum Gegenpräsident ausrufen. Erst kürzlich versöhnten | |
sich die beiden Rivalen – öffentlich, mit einem symbolträchtigen | |
Händeschütteln. Und ausgerechnet in diesem Moment tritt Channel 4 mit | |
seinem Enthüllungsvideo auf den Plan. | |
Mark Turnbull, einer der führenden Manager von Cambridge Analytica, erklärt | |
darin die Arbeitsweise seiner Firma: „Wir haben seine [Kenyattas] Partei | |
zweimal neu gebrandet, ihr Manifest geschrieben, zweimal je circa 50.000 | |
Umfragen gemacht, jede einzelne Rede geschrieben. Letztlich haben wir die | |
komplette Kampagne gemacht.“ Nix, der mittlerweile entlassene Firmenchef, | |
sagt – ebenfalls vor versteckter Kamera: „Wir speisen lediglich | |
Informationen in den virtuellen Blutkreislauf und sehen zu, wie sie sich | |
verbreiten. Manchmal helfen wir etwas nach, wie mit einer Fernbedienung. | |
Das läuft alles ganz subtil ab, keiner darf denken: ‚Das ist Propaganda‘.�… | |
Nix zählt in der Channel 4-Doku nicht ohne Stolz die zahlreichen | |
Geschäftspraktiken seines Unternehmens auf: „Wir erzeugen falsche | |
Identitäten und Websites, wir treten als Studenten auf, die eine Umfrage | |
durchführen, oder als Touristen.“ Er gibt zu, dass sein Unternehmen mit | |
britischen und israelischen Ex-Geheimdienstmitarbeitern zusammenarbeitet. | |
Eine gängige Methode, um Gegenkandidaten zu beschmutzen, sei es, | |
vermeintliche Investoren zu ihnen zu schicken, die ihnen ein unlauteres | |
Finanzierungsangebot für ihre politischen Kampagnen machen – indem sie im | |
Gegenzug beispielsweise ein Stück Land fordern. | |
Dabei werden die Kandidaten gefilmt. Und Cambridge Analytica verbreitet im | |
Anschluss die Videos im Netz – schon ist der Rufmord perfekt. Denkbar sei | |
auch, für einen Eskort-Service arbeitende Damen auf Politiker anzusetzen. | |
„Gern verwenden wir Mädchen aus der Ukraine“, sagt Nix. „Die sind sehr | |
hübsch.“ Und das obwohl Cambridge Analytica in der Vergangenheit sagte, | |
keinesfalls mit sogenannten „Honey Traps“ zu arbeiten. Mit der Wahrheit | |
nimmt es die Firma offenbar nicht so genau. Nix sagt in der Doku: „Dinge | |
müssen nicht unbedingt wahr sein. Es reicht, dass sie geglaubt werden.“ | |
Die Channel 4-Reportage legt nahe, dass Cambridge Analytica hinter einer | |
riesigen Schmutzkampagne in den sozialen Medien steckt, die vor allem auf | |
Ängste der KenianerInnen abzielte und den Gegenkandidaten Raila Amollo | |
Odinga mit einem Anstieg von Krankheiten, Kindersterblichkeit, | |
Kriminalität, Obdachlosigkeit und mit der Terrormiliz al-Shabaab in | |
Verbindung brachte. [4][Im Netz kursiert dazu ein internes Memo von | |
Cambridge Analytica] – wobei die Firma dessen Echtheit dementiert, so wie | |
sie leugnet, hinter der Schmutzkampagne zu stecken. | |
Im Memo empfehlen die Berater, Wähler emotional zu manipulieren. Indem sie | |
Kenyatta beim Kirchgang zeigen und seine Frau und Kinder auftreten lassen – | |
was gerade bei sehr religiösen WählerInnen, und das ist ein Großteil der | |
Bevölkerung, gut ankommen dürfte. Nichts Ungewöhnliches bis dahin, doch | |
dann geht es weiter: Vorgeschlagen wird, der Opposition angehörende | |
Unterstützer der sogenannten NASA (National Super Alliance) als gewalttätig | |
erscheinen zu lassen. „Wir haben unseren Kunden ermutigt, junge Menschen zu | |
engagieren und die als NASA-Unterstützer auftreten und in Nairobi Unruhe | |
stiften zu lassen“, steht im Memo. Auch wird empfohlen, „den Stereotyp der | |
gewalttätigen Luo[-Ethnie] auszubauen, die zu den stärksten | |
NASA-Unterstützern gehören.“ Kenyattas Rivale Odinga ist selbst ein Luo. | |
## Anklage vorm Internationalen Strafgerichtshof | |
Allein bei Bekanntgabe des Wahlergebnisses 2017 soll es zu derart | |
gewalttätigen Ausschreitungen gekommen sein, dass 37 Menschen, darunter | |
drei Kinder, starben. Der Internationale Strafgerichtshof hat Kenyatta | |
angeklagt. Wegen Anstiftung zum Mord, Vertreibung und Raub während der | |
Wahlen – allerdings während des Wahlkampfs 2007, als Cambridge Analytica | |
noch nicht für ihn arbeitete. Die Chefanklägerin stellte die Anklage 2014 | |
ein – aus Mangel an Beweisen. Das könnte diesmal anders ablaufen, sollte es | |
erneut zu einer Anklage kommen. Beweise finden sich nicht nur in der | |
Channel 4-Doku. | |
Cambridge Analytica rühmt sich mit seinem Engagement in Kenia auf der | |
Firmen-Website: [5][Noch nie sei in Ostafrika eine derart große Studie | |
durchgeführt worden]. Von den Enthüllungen im Channel 4-Video distanziert | |
sich das Unternehmen allerdings. Vieles sei „falsch interpretiert worden“. | |
Immer mehr KenianerInnen fordern, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt. | |
Doch es geht noch weiter. [6][Die BBC berichtet, Cambridge Analytica soll | |
an über 100 Wahlkämpfen beteiligt gewesen sein – weltweit]. Die Rede ist | |
von Mexiko, Indien, Malaysia, Brasilien, der Ukraine Tschechien und sogar | |
Italien. | |
21 Mar 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Kommentar-Facebooks-Datenmissbrauch/!5492798 | |
[2] https://www.washingtonpost.com/news/global-opinions/wp/2018/03/20/how-cambr… | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=mpbeOCKZFfQ | |
[4] https://political.co.ke/wp-content/uploads/2017/10/Analytica.jpg | |
[5] http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache%3AQGpCYhv4RDUJ%3Apolit… | |
[6] http://www.bbc.com/news/world-43476762 | |
## AUTOREN | |
Lea Wagner | |
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