# taz.de -- Die Wahrheit: Hafenlied aus Lyttelton | |
> Neues aus Neuseeland: In einem Song verknüpft Poems for Laila zwei Enden | |
> der Welt miteinander – Berlin und einen Küstenort kurz vor der Antarktis. | |
Anfang der neunziger Jahre, in meiner dunklen Vergangenheit, arbeitete ich | |
bei einem Hamburger Lifestyle-Magazin. Die Redaktion glich einem | |
Luxusflohmarkt. Denn alles, was sich in der Kultur- und Kosmetikredaktion | |
an Pröbchen und Rezensionsexemplaren anstaute, fiel als Brotkrumen an uns | |
restliche Redakteure ab. Und so kam ich an meine erste CD von Poems for | |
Laila. | |
Die hieß „Katamandu“, was orthografisch zu beanstanden wäre, falls es sich | |
um Nepals Hauptstadt handelt. Das Englisch des Sängers Nicolai Tomás hatte | |
auch keinen Oxford-Schliff. Doch ich war betört von diesen dunklen, | |
schönen, leidenschaftlichen Songs. | |
Die CD im schlichten Pappschuber immigrierte mit mir und Dutzenden von | |
Bücherkisten ein Jahrzehnt später nach Neuseeland. Sie hat sogar die letzte | |
Triage des CD-Regals im Rahmen der Spotifyzierung überlebt: Zerkratzte | |
raus, ewig Ungespielte raus, nur Sentimentale dürfen bleiben – wie Hannes | |
Wader und die Lassie Singers auch. | |
Also ewig nichts mehr von oder über die „Pommes“, wie sie auch in | |
Fachkreisen heißen, gehört – außer dass Berliner Musikerfreunde, die ich | |
irrerweise erstmals in Neuseeland getroffen hatte, ein Hauskonzert in | |
Kreuzberg mit ihnen machten. Das war leider ein bisschen weit weg. Aber | |
dann erreichte mich vorige Woche über verschlungene transozeanische Wege | |
die Nachricht aller Nachrichten. Hier ist sie, liebe Welt: Wir haben eine | |
Lokalhymne – aus Berlin. | |
Auf der gerade erschienenen CD namens „Dark Timber“ von Poems for Laila | |
gibt es an achter Stelle ein Lied, das handelt – und jetzt wird es wirklich | |
schwer, meine lokalpatriotische Ekstase unter Kontrolle zu halten – von | |
nichts Geringerem als dem schrammeligen, einzigartigen Hafenort vor | |
Christchurch, in dem ich lebe. Von Lyttelton. Da, wo in der Bar noch das | |
Blut russischer Seeleute an der Decke klebt. Und wo die – nach Lorde – | |
größten neuseeländischen Musikstars herkommen: Marlon Williams und Aldous | |
Harding. Lange liiert übrigens. Fragt mich. | |
Das Lied, bezaubernd schwermütig von Joanna Gemma Auguri gesungen und dazu | |
Akkordeon, wie es sich für Hafenromantik gehört, handelt von einem Mädchen, | |
das seinen Träumen entwächst und nicht mehr zurückkehrt an diesen Ort. „A | |
last goodbye“. Denn die Sängerin war selber oft hier. Hier in Lyttelton. | |
Hatte es geliebt und sich verliebt. Wie schön, wie tragisch. Ich wusste | |
nichts davon. Das erfahre ich erst jetzt aus jeder Zeile und Note. | |
Ganz in der Tradition von „Katamandu“ ist auch „Lyttelton“ auf der CD | |
falsch geschrieben, nämlich „Lyttleton“, wie „little“. Das kann leicht | |
passieren, erst recht aus der Entfernung, und es stört keinen großen Geist. | |
Schon gar nicht den besten Maori-Poeten des Ortes, Ben Brown, der nur | |
einen Arm, Haare bis zur Hüfte und eine Stimme wie Salzlakritz hat. In | |
einem seiner Gedichte über Lyttelton heißt es: „You have to spell it wrong | |
to get it right.“ | |
22 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
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