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# taz.de -- Nach Razzia beim Geheimdienst: Good cop, bad cop in Österreich
> Bei einer FPÖ-angeordneten Razzia beim Geheimdienst des Landes wurden
> Daten über Rechtsextreme sichergestellt. Die SPÖ will einen
> Untersuchungsausschuss.
Bild: SPÖ-Chef Christian Kern ist der Meinung, eine Staatskrise stehe bevor
Wien taz | Was sich im österreichischen Geheimdienstmilieu derzeit
abspielt, ist hochgradig ungewöhnlich. Am vergangenen Montag stürmten 80
Mann der Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität der österreichischen
Bundespolizei schwerst bewaffnet die Büros des Bundesamtes für
Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Das ist der
Inlandsgeheimdienst, der dem FPÖ-geführten Innenministerium untersteht.
Beamte der Staatsanwaltschaft erbeuteten bei der Hausdurchsuchung 19
Gigabyte Datenmaterial, wie es offiziell heißt.
Im Konkreten handelt es sich um einen Stand-PC, zwei Handys, 300 CDs,
E-Mails der Abteilungsleiterin für den Bereich Extremismus und 400 Seiten
Papier. Dass auch die gesamte Extremismusdatenbank erbeutet worden sei,
dementierte Christian Pilnacek, Generalsekretär im ÖVP-geführten
Justizministerium. Er gab aber zu, dass ein Ordner mit
Ermittlungsergebnissen über eine mutmaßliche Rechtsextreme kopiert worden
sei. Die Daten seien aber einzig der zuständigen Korruptionsstaatsanwältin
zugänglich.
Motiv für die Aktion, die eher wie die Erstürmung eines Terrornestes
wirkte, waren verschiedene Vorwürfe gegen das BVT und deren Chef Peter
Gridling. Zum einen soll er Informationen über einen Wiener Anwalt länger
als erlaubt gespeichert haben. Zum anderen geht es um drei nordkoraeanische
Blanko-Pässe, die der südkoreanischen Botschaft übergeben wurden – auch
wenn das völlig legal gewesen sei.
Daneben gab es aus einer anonymen Quelle stammende Vorwürfe, dass
Rechnungen falsch abgerechnet und Lösegelder von Geiselnahmen veruntreut
worden seien. Zudem wurde über sexuelle Übergriffe gemunkelt. Neben
Gridling steht vor allem Michael Kloibmüller im Verdacht, der unter dem
ehemaligen ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka Kabinettschef gewesen war.
## Fixierung dunkelhäutiger Dorgenverdächtiger
Entsprechende Akten zu diesen Vermutungen wurden bereits im vergangenen
Sommer auch mehreren Medien zugespielt. Die Tageszeitung Die Presse
schreibt dazu: „Viele der darin erhobenen Vorwürfe waren schlicht
unhaltbar, die Qualität der Recherchen war schlecht“.
Warum die Korruptionsstaatsanwaltschaft jetzt plötzlich so dringenden
Handlungsgedarf sah, findet die Opposition ebenso erklärungsbedürftig, wie
den martialischen Auftritt einer Truppe, die normalerweise mit
„Negerklatschen“, wie es im betriebseigenen Jargon heißt, beschäftigt ist…
mit der Fixierung von dunkelhäutigen Drogenverdächtigen.
Anders als die eigentlich zuständige Einsatzgruppe Cobra wird die
Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität mit Wolfgang Preiszler von einem
FPÖ-Funktionär kommandiert, der bei dem Einsatz auch persönlich dabei war.
Er teilt auf Facebook gelegentlich Beiträge aus der Reichsbürger-Szene und
kommentiert Posts der rechtsextremen Plattform Unzensuriert.at.
## Opposition will Untersuchungsausschuss
SPÖ-Chef Christian Kern spricht von einer drohenden Staatskrise und will
wissen, warum ausgerechnet Dateien mit Informationen über die Identitären
und andere Rechtsextreme kopiert wurden. Dazu muss man wissen, dass auf
Druck der FPÖ schon 2001 die Publikation des Rechtsextremismusberichts
eingestellt wurde. Auch heute noch werden ständig Fälle von FPÖ-Mitgliedern
bekannt, die Hitler-Bilder posten, NS-Devotionalien horten oder hetzerische
Kommentare schreiben.
Innenminister Herbert Kickl dementierte die Absicht, sein Ministerium und
dessen Geheimdienst politisch umfärben zu wollen und sich mit der
spektakulären Aktion elegant des ÖVP-nahen Peter Gridling zu entledigen, um
dann einen FPÖ-nahen Mann zu installieren. Damit gibt sich die Opposition
aber nicht zufrieden.
Die SPÖ fordert einen Untersuchungsausschuss. Und auch Bundespräsident
Alexander Van der Bellen findet die Vorgänge „höchst ungewöhnlich und
irritierend“. [1][In einem Tweet] erwartet er sich „von den zuständigen
Stellen eine rasche und vollständige Aufklärung“.
10 Mar 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/vanderbellen/status/972086367072243712
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Österreich
FPÖ
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Sebastian Kurz
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