# taz.de -- Aussterben einer Tierart: „Sci-Fi könnte das Nashorn retten“ | |
> „Sudan“, das letzte männliche Exemplar des Nördlichen Breitmaulnashorns, | |
> ist tot. Wie man die Art vor dem Aussterben bewahren könnte, erklärt | |
> Steven Seet. | |
Bild: Links: eines der beiden letzten verbliebenen weiblichen Nördlichen Breit… | |
taz: Was bedeutet der Tod von Sudan für die Artenvielfalt der Erde? | |
Steven Seet: Aus dem Blick der Wissenschaft erstmal nichts. Aber als Symbol | |
ist das ein markantes Zeichen für den menschlichen Umgang mit den | |
natürlichen Ressourcen. Das nördliche Breitmaulnashorn, also die Art der | |
Sudan angehörte, ist ja nur der dringendste Fall, da gibt es jetzt noch | |
zwei lebende Exemplare. Direkt danach kommt das Java-Nashorn mit 25 | |
Exemplaren, dann das Sumatranashorn mit 50. | |
Wenn das so weiter geht gibt es in 15 bis 20 Jahren keine Nashörner mehr. | |
Sudan ist ein mahnendes Zeichen: Macht was, sonst ist es zu spät. Nashörner | |
haben ja sogar noch den Vorteil, eine charismatische Art zu sein, bei | |
Fliegenarten ist das Mitgefühl da viel geringer. Ökologisch betrachtet ist | |
vor allem markant, dass mit dem Nashorn eine Regenschirmart schwindet. Das | |
sind Tiere, die mit ihrem Verhalten die Lebensgrundlage für andere Tiere | |
schaffen, durch ihr Fressverhalten oder ihre Ausscheidungen zum Beispiel. | |
Die Folgen von deren Verschwinden sind nicht wirklich abzusehen. | |
Was sind die Veränderungen, die dem nördlichen Breitmaulnashorn die | |
Lebensgrundlage entzogen haben? | |
Der Hauptgrund ist die Wilderei. Das Horn von Nashörnern wird auf dem | |
asiatischen Markt, insbesondere in Vietnam als eine Art Heilmittel | |
gehandelt, gegen Krebs und zur Potenzsteigerung. Belege gibt es dafür | |
keine. Außerdem wird es noch als Wertanlage und Statussymbol betrachtet. Da | |
haben viele Leute einfach Geld mit gemacht. | |
Besteht noch Hoffnung für das nördliche Breitmaulnashorn? | |
Auf jeden Fall, wir vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung | |
arbeiten mit einem internationalen Kooperationsteam an zwei Ansätzen. Beim | |
ersten entnehmen wir einem der verbleibenden zwei Weibchen Eizellen und | |
befruchten diese mit Spermien, die wir bereits vor dem Tod von Sudan von | |
anderen nördlichen Breitmaulnashörnern gelagert haben. | |
Die befruchteten Eizellen werden dann eingefroren. Später werden diese | |
Embryos dann in Weibchen des Südlichen Breitmaulnashorns eingepflanzt, die | |
sie austragen. Die beiden verbleibenden Weibchen selbst können nicht mehr | |
schwanger werden, ihre Hinterläufe sind zu schwach und durch die | |
ausbleibenden Schwangerschaften während ihres Lebens ist der Uterus nicht | |
mehr gebärfähig. | |
Und der zweite Weg? | |
Der ist Science-Fiction. Vor zwei Jahren ist es Katsuhiko Hayashi gelungen | |
die Hautzellen von Mäusen zu reprogrammieren. Er hat sie in einen | |
Embryonalzustand zurückversetzt, aus der einen ein Spermium und der anderen | |
eine Eizelle wachsen lassen und so eine befruchtete Eizelle geschaffen. Das | |
Verfahren versuchen wir jetzt mit ihm, dem [1][MDC in der | |
Helmholtz-Gemeinschaft] und dem Helmholtz Zentrum München für den | |
Artenschutz einzusetzen, bei immer mehr Arten ist das unser letzter | |
Strohhalm. | |
Wie steht es um ihre Arbeit? | |
Nicht gut. Forschung braucht Geld, aber die Leute wollen lieber einfach | |
etwas über Nashörner lesen. Das Projekt ist gnadenlos unterfinanziert und | |
egal wo wir nach Geldern suchen, finden wir nichts. Die EU will lieber | |
Habitatsschutz machen, aber bei drei Nashörnen ist es egal, wie viele Zäune | |
du aufbaust. Hayashi hat seine Forschung in der Freizeit gemacht, | |
eigentlich ist er Humanbiologe. Und so sieht es überall aus. Deshalb wenden | |
wir uns auch an die Privatbevölkerung. | |
20 Mar 2018 | |
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[1] https://www.mdc-berlin.de/de | |
## AUTOREN | |
Arved Clute-Simon | |
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