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# taz.de -- Vorwurf der sexuellen Nötigung: Weißer Ring in Erklärungsnot
> Dem ehemaligen Leiter der Lübecker Außenstelle des Weißen Rings wird
> vorgeworfen, Frauen sexuell genötigt zu haben. Wie lange wusste der
> Landesvorstand davon?
Bild: Hilfe gab es beim Weißen Ring in Lübeck offenbar nicht – sondern das …
HAMBURG taz | Viele Frauen, die Opfer von sexuellen Übergriffen werden,
sehen davon ab, Anzeige zu erstatten. Die Verurteilungsquote von
Sexualstraftätern ist gering und die Gefahr einer Retraumatisierung der
Betroffenen hoch, wenn sie bei der Polizei und vor Gericht das Erlebte
schildern müssen. Dafür gibt es Beratungsstellen, die die Opfer psychisch
stützen und ihnen helfen sollen. Wenn die Betroffenen bei einer solchen
Beratungsstelle erneut sexualisierte Gewalt erfahren, ist das der Worst
Case. Und der hat sich wahrscheinlich jahrelang in Schleswig-Holstein
abgespielt.
Der Weiße Ring, ein gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von
Kriminalitätsopfern, zählt nach eigenen Angaben 50.000 Mitglieder
bundesweit – und ist die größte Hilfsorganisation für die Opfer von
Kriminalität in Deutschland. Dem ehemaligen Leiter der Lübecker
Außenstelle, Detlef Hardt, wird nun vorgeworfen, hilfesuchende Frauen
sexuell belästigt zu haben.
Hardt selbst leugnet das. Aber die Vorwürfe sind so belastend, dass am
Samstag der Landesvorstand des Weißen Rings Schleswig-Holstein, der
ehemalige Justizminister Uwe Döring, zurückgetreten ist. Sein
Stellvertreter Uwe Rath tat es ihm gleich.
Bei der Staatsanwaltschaft Lübeck liegen drei Anzeigen gegen Hardt vor,
davon kommt eine von seinem ehemaligen Arbeitgeber selbst. Nachdem der
Spiegel und die Lübecker Nachrichten über die Missbrauchsvorwürfe
berichteten, erstattete der Bundesvorstand des Weißen Rings Strafanzeige.
Hardt soll die Frauen bedrängt und ihnen nahegelegt haben, als
Prostituierte zu arbeiten. Eine der beiden Frauen hat laut Spiegel
ausgesagt, Hardt habe vor ihr die Hose herunter gelassen und ihre Brüste
berühren wollen. Die Frau sei weinend zusammengebrochen. Eine andere sagte
aus, Hardt habe versucht, sie zu erpressen, indem er seine Hilfe in einem
Gerichtsverfahren im Gegenzug an sexuelle Dienstleistungen koppeln wollte.
Die Tragweite des Falls wird noch größer mit der Frage, wer alles von den
Vorwürfen gewusst hat, und wie lange schon. Die Staatsanwaltschaft Lübeck
bestätigt, bereits 2006 Hinweise gegen Hardt geprüft zu haben. 2016 und
2017 sei sie erneut Hinweisen nachgegangen. In dem ersten Fall von 2006
allerdings wollte die betroffene Frau nicht mit den Ermittlungsbehörden
sprechen. Auch in den beiden späteren Fällen waren die Frauen nicht bereit
oder in der Lage, Strafanträge zu stellen. So kam es nicht zum Verfahren.
Die Bundesvorsitzende des Weißen Rings, Roswitha Müller-Piepenkötter, sagt,
man habe von den beiden „gravierenden Fällen“ erst durch die Presse
erfahren. Vorher seien dem Landesvorstand Schleswig-Holstein lediglich zwei
weniger schwere Fälle aus den Jahren 2016 und 2017 bekannt gewesen.
In dem einen Fall soll Hardt eine Frau in einem Café sehr eindringlich und
laut über ihr Sexualleben ausgefragt haben. In dem anderen Fall habe Hardt,
der selber mal Polizist war, einer Mitarbeiterin des Lübecker
Polizeikommissariats gegenüber ihre Brüste kommentiert und versucht, sie zu
küssen. Der Lübecker Polizeichef meldete den Vorfall der
Staatsanwaltschaft. Laut der Nachrichtenagentur DPA werfen insgesamt zwölf
Frauen Hardt Übergriffe vor.
## Folgenloses Gespräch im Jahr 2012
Dass der Landeschef Döring erst 2016 von den Verdachtsfällen erfahren haben
soll, ist nicht besonders glaubwürdig. Der Lübecker Polizeidirektor Norbert
Trabs bestätigt, dass es schon 2012 ein Gespräch zwischen dem damaligen
Polizeichef und Döring gab. Das Gespräch blieb folgenlos. Als Trabs 2016
Polizeichef wurde, kündigte er dem Weißen Ring die Zusammenarbeit auf und
wies seine Mitarbeiter*innen an, Opfer sexualisierter Gewalt nicht mehr an
die Beratungsstelle zu verweisen.
Auch bei der telefonischen Beratungsstelle Frauennotruf hatten sich mehrere
Frauen gemeldet und von sexualisierten Übergriffen durch Hardt berichtet.
Deshalb habe man 2012 den Ortsverein und Hardt mit den Vorwürfen
konfrontiert, sagte der Frauennotruf dem Spiegel.
Obwohl Döring also seit mindestens 2012 von den Vorwürfen gegen seinen
Mitarbeiter wusste, wurde er erst tätig, als die Polizistin 2017 von dem
Übergriff berichtete. Aber anstatt Hardt zu kündigen, gab er ihm ein halbes
Jahr Zeit, seinen Posten zu räumen. Für solche Fälle will der Weiße Ring
jetzt eine Handhabe schaffen: Zukünftig soll auch der Bundesvorstand den
Landesvorstand zwingen können, Mitarbeiter zu entlassen. Das sei bisher
nicht möglich gewesen.
20 Mar 2018
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
sexuelle Belästigung
Sexuelle Übergriffe
Lübeck
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Weißer Ring
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sexueller Missbrauch
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