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# taz.de -- Erdoğans Präsidentschaft: Künftiger Wahlsieg gesichert
> Das türkische Parlament verabschiedet in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein
> neues Wahlgesetz. Es soll Erdoğans Wiederwahl garantieren.
Bild: Cool bleiben: Erdoğan wird nächstes Jahr bestimmt wieder türkischer Pr…
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat das türkische Parlament in der Nacht zu
Dienstag ein neues Wahlgesetz verabschiedet, mit dem sich Präsident Recep
Tayyip Erdoğan nach Ansicht der Opposition praktisch seine Wiederwahl im
kommenden Jahr gesichert hat.
Das sogenannte Wahlallianzgesetz, das um 2 Uhr nachts mit den Stimmen der
regierenden AKP und der ultranationalistischen MHP verabschiedet wurde,
soll dafür sorgen, dass die schwächelnde MHP nicht unter die
10-Prozent-Hürde rutscht, sondern Erdoğan die notwendigen 51 Prozent
Stimmen für seine Wiederwahl als Präsident garantiert.
Außerdem wurden Änderungen im Wahlrecht beschlossen, die die Kontrolle der
Regierung über den Wahlprozess stärken und Manipulationen erleichtert.
Mit der Präsidentschafts- und Parlamentswahl im Herbst 2019 wird die im
April 2017 geänderte Verfassung endgültig in Kraft gesetzt. Die
Alleinherrschaft des Präsidenten ist damit auch formal besiegelt. Anders
als im bisherigen parlamentarischen System, wo der Ministerpräsident
letztlich von einer Mehrheit der Abgeordneten gewählt wird, braucht Erdoğan
bei der Präsidentschaftswahl eine absolute Mehrheit von 50 plus 1 Prozent
der Stimmen.
Nach allen Umfragen kann die AKP allein ein solches Ergebnis nicht
garantieren, weshalb Erdoğan feste Verbündete braucht. Dafür angeboten hat
sich die ultranationalistische MHP unter ihrem Führer Devlet Bahçeli, die
bereits bei der Abstimmung über die neue Verfassung mit Erdoğan paktiert
hat. Deshalb spaltete sich ein Teil der Partei ab und ist mit der
rechtsnationalen IYI-Partei zur Konkurrenz im rechten Lager geworden.
Die MHP drohte deshalb die 10-Prozent-Hürde für den Einzug ins nächste
Parlament zu verfehlen. Auch die AKP wird wohl Stimmen an die IYI-Partei
verlieren. Die jetzige Lösung ist eine Änderung des Wahlgesetzes, das nun
Wahlallianzen zulässt, bei denen die Kandidaten auf einer gemeinsamen
Liste antreten. Kommt eine Liste auf über 10 Prozent der Stimmen, sind alle
Kandidaten gewählt.
## Keine Wahlleiter aus der Opposition
Neben der MHP wird sich eine weitere kleine rechtsradikale Partei, die BBP,
der Allianz anschließen und unter der Führung von Erdoğan einen
„Nationalen Block“ bilden, der alle äußeren Angriffe auf die Türkei
abwehren und die inneren Verräter ausschalten will. In der
nationalistischen Propaganda dieser kommenden Wahlallianz gehören dann
nicht nur die kurdisch-linke HDP zu den Verrätern, sondern auch die
sozialdemokratisch-kemalistische CHP sowie die neue rechtsnationale
IYI-Partei.
Damit nun auch wirklich nichts schiefgeht, sieht das Gesetz einige
Feinabstimmungen für den Wahlgang vor. So soll die von der Regierung
besetzte „Hohe Wahlkommission“ künftig die Wahlleiter in den einzelnen
Bezirken bestimmen und nicht, wie bisher, von den Parteien im jeweiligen
Bezirk ausgehandelt werden. Damit ist ausgeschlossen, dass es Wahlleiter
geben wird, die der Opposition angehören.
Die „Hohe Wahlkommission“ bestimmt auch, wo die Urnen aufgestellt werden.
Dies ist in den kurdischen Gebieten wichtig, weil viele Urnen vermutlich
„aus Sicherheitsgründen“ in Polizeistationen und Kasernen aufgestellt
werden.
Als eine Reaktion auf das neue Gesetz wird jetzt in der HDP und in den
sozialen Medien ernsthaft über einen Wahlboykott diskutiert. „Warum“,
fragen Kritiker auf Twitter, „soll man durch Teilnahme an den Wahlen
Erdoğan auch noch legitimieren, wo doch das Ergebnis jetzt schon
feststeht?“
14 Mar 2018
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Türkei
Schwerpunkt AKP
Präsidialsystem
Schwerpunkt Türkei
Türkei
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