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# taz.de -- Nachruf auf Walentin Falin: Großrussischer Ideologe
> Der Diplomat Walentin Falin ist am Donnerstag im Alter von 91 Jahren in
> Moskau gestorben. Er war der beste Deutschlandkenner des Kreml.
Bild: Walentin Falin im Jahr 2010
Moskau taz | In Moskau nannte man ihn einen Patriarchen der
Deutschlandkunde. Das trifft genau auf Walentin Falin zu, der am Donnerstag
im Alter von 91 Jahren in Moskau gestorben ist. Er war einer der letzten
Russen, der die deutsch-russische Nachkriegsgeschichte persönlich
begleitete und auch beeinflussen konnte.
Der an der Moskauer Diplomatenschule ausgebildete Emissär entstammte einer
Bauernfamilie aus Leningrad. Dem westdeutschen Publikum empfahl sich der
Schöngeist, der gerne Direktor der Kunstsammlung in der Leningrader
Eremitage geworden wäre, besonders während der Zeit als sowjetischer
Botschafter in Bonn von 1971-1978. Dem war Anfang der 1970erJahre zusammen
mit Egon Bahr die Ausarbeitung des Moskauer Abkommens vorausgegangen.
Falin war ein Vertreter der sowjetischen Arbeiter und Bauernmacht, hätte
gelegentlich aber auch als nörgelnder Hanseat durchgehen können. Er sprach
fließend Deutsch, wofür er schon seit seiner Kindheit ein Faible
entwickelte.
Mit Falin betrat damals ein Kommunist die Bühne, der dem späten
Nachkriegsdeutschland durch einen zivileren Habitus ein wenig Angst vor dem
Osten nahm. Falin mag die deutsche Kultur geschätzt haben, doch war er
weder ein Deutschland– noch Deutschenfreund.
## Opfer dunkler Mächte
Vor allem war er ein unbeirrbar großrussischer Ideologe. Der Sozialismus
schrumpfte in seiner Wahrnehmung auf das Revolutionsjahr 1917.
Schließlich hätte der Westen Lenin schon ein Jahr nach der Revolution zu
einer Kurskorrektur gezwungen, behauptet Falin in seinen „Politischen
Erinnerungen“. Das ewige russische Motiv Opfer dunkler Mächte zu sein,
taucht auch beim habilitierten Historiker Falin auf.
Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 1991 hielt der Spitzendiplomat
unterdessen auch die Planwirtschaft für nicht mehr so ineffizient, wie sie
im Nachhinein dargestellt wurde. Kurz zuvor hatte er sich in der Phase des
wirtschaftlichen Niedergangs des Sozialismus noch für die Reformen des
KPdSU-Chefs Michail Gorbatschow eingesetzt. Der kommunistische
Generalsekretär holte ihn 1988 als außenpolitischen Leiter auch in das
Zentralkomitee der Partei.
Schon unter Bundeskanzler Willy Brandt war Falin eine der Schlüsselfiguren
in der Ostpolitik der 70erJahre. Fast zwanzig Jahre später beriet er
Michail Gorbatschow in den Verhandlungen mit Bundeskanzler Helmut Kohl über
die deutsche Einheit.
## Verachtung für Gorbatschow
Gorbatschows innere Liberalisierung, die Öffnung nach außen und Glasnost,
die Aufhebung der ideologischen Tabus, verschaffte den Menschen in der
Sowjetunion eine Zeit zum Aufatmen. Falin sah darin nur eine „Zeit des
Herumschwätzens“. Michail Gorbatschow wirft er „Prinzipienlosigkeit“ vor.
Aus der Verachtung für ihn, machte er auch kein Hehl.
Falin war ein großrussischer Geist in engen Grenzen. Gorbatschow warf er
vor, die Chance für einen dauerhaften Frieden zwischen der Nato und
Russland Anfang der 1990er verspielt zu haben. „Wir sind für die Idee eines
gemeinsamen europäischen Hauses eingetreten, in dem alle Nationen, alle
Staaten gleiche Rechte haben“, sagte Falin 2016. Da lagen die russische
Annexion der Krim und der Überfall auf die Ukraine schon zwei Jahre zurück.
23 Feb 2018
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Sowjetunion
Michail Gorbatschow
Diplomatie
CDU
Russland
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