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# taz.de -- Kinofilm „Letzte Tage in Havanna“: Im Guten wie im Schlechten
> Fernando Pérez’ neuer Film erzählt von einem Mann, der aus Kuba
> auswandern möchte. Und taucht ein in das pralle Leben Havannas.
Bild: Es ist der todkranke Diego, der in „Letzte Tage in Havanna“ Witz und …
Diego (Jorge Martínez) ist schwul und HIV-positiv. Die Tage verbringt er
allein und ans Bett gefesselt in seiner maroden Wohnung im heruntergekommen
Centro von Havanna, wo er zusammen mit seinem alten Schulfreund Miguel
(Patricio Wood) lebt. Wenn der abends von seiner Arbeit als Küchengehilfe
nach Hause kommt, kocht er für Diego und verabreicht ihm seine Medikamente.
Anders als man vermuten mag, ist es der todkranke Diego, der in Fernando
Pérez’ neuem Spielfilm „Letzte Tage in Havanna“ („Últimos días en La
Habana“, 2016) Witz und Lebensfreude ausstrahlt. Den mürrischen Miguel
interessiert indes nur, ob endlich Post für ihn gekommen ist – er wartet
schon seit Monaten auf sein Ausreisevisum.
Solange sitzt er Abend für Abend am klapprigen Küchentisch vor der
Landkarte von „La yuma“, den USA, und versucht Englisch zu lernen, was
Miguel sichtlich schwer fällt. „Es will ihm einfach nicht in den Kopf“,
kommentiert Diego das lakonisch.
Als er Geburtstag hat, bittet er Miguel, ihm einen Jüngling von der Straße
zu besorgen („Heute Nacht will ich Genitalien in 3D sehen und dann
sterben.“) Widerwillig begibt sich Miguel auf die Suche – und kommt mit
Pedro (Cristian Jesús Pérez) zurück. Doch als der knackige Mulato nackt vor
ihm steht, ist es Diego irgendwie zu viel – es wird stattdessen der Beginn
einer Art Freundschaft zwischen ihm und dem jungen Stricher.
Fast 25 Jahre nachdem Tomás Gutiérrez Alea mit „Fresa y chocolate“ erstma…
offen Homosexualität und ihre lange Unterdrückung auf der sozialistischen
Karibikinsel im Film zeigte, greift auch Fernando Pérez das Thema auf.
Dabei ging es ihm eigentlich um Freundschaft, räumt Pérez ein. Diegos
Homosexualität stehe dagegen stellvertretend dafür, „wie wir in Kuba mit
Menschen umgehen, die anders sind und denken“.
Der 1944 geborene Fernando Pérez, der einst als Assistent bei Altmeister
Gutiérrez Alea anfing, ist der heute wohl renommierteste kubanische
Regisseur der älteren Generation. Widmete er sich zunächst historischen
Stoffen („Clandestinos“, 1987 und „Hello Hemingway“, 1990), kamen spät…
Filme hinzu, die den magischen Realismus aufgriffen und gelegentlich den
auf den Hund gekommenen tropischen Sozialismus auf die Schippe nahmen
(„Madagascar“, 1994 und „Das Leben ein Pfeifen“, 1998).
Seinen neuen Film inszeniert Peréz nun überwiegend als Kammerspiel in der
kleinen Wohnung Diegos, eingefangen in wohlkomponierten, dunklen Bildern
von dem Kameramann Raúl Pérez Ureta, mit dem Fernando Pérez bereits seit
„Madagascar“ zusammenarbeitet und der Diego manchmal wie eine leidende
Christusfigur erscheinen lässt.
Wie der Schriftsteller Leonardo Padura gehört Pérez zu den kubanischen
Kulturschaffenden, die sich die Freiheit erkämpft haben, weitgehend ohne
staatliche Interventionen arbeiten zu können, und sich dabei, ohne plakativ
zu sein, durchaus kritisch mit den Verhältnissen in ihrer Heimat
auseinandersetzen. Kritisch, aber auch mit Humor. In „Letzte Tage in
Havanna“ sind es vor allem Diegos zotige Kommentare, die einen zum Lachen
bringen.
Den wortgewandten kubanischen Slang können die deutschen Untertitel
allerdings oft nicht wiedergeben – etwa, als davon die Rede ist, dass Pedro
aus dem Oriente komme, dem armen Osten Kubas. Das wird als „Landei“
übersetzt, wo Diego von „palestino“ gesprochen hatte; so despektierlich
nennen die Habaneros all die Zuwanderer, die aus dem Oriente in Kubas
Hauptstadt kommen.
Mit seinem Film knüpft Pérez an „Suite Habana“ von 2003 an – sein
wundervolles Porträt Havannas, das zwölf Menschen in ihrem Alltag
begleitet, ganz ohne Dialoge auskommt und nur mit Geräuschen arbeitet. Auch
in „Letzte Tage in Havanna“ lässt einen die Tonspur zwischendurch ins
pralle Leben Havannas eintauchen.
Gleichzeitig folgt die Kamera Miguel durch sein labyrinthartiges Wohnhaus
und die sonnendurchfluteten Straßen. Die Nebenfiguren können ebenfalls
überzeugen – gerade Gabriela Ramos als Diegos Nichte Yusi: Als die
aufmüpfige wie liebenswerte 15-Jährige schwanger wird, nistet sie sich
plötzlich bei Diego ein.
Fernando Pérez besitzt ein Privileg, das alle Kubaner gerne hätten: Er kann
das Land jederzeit verlassen – und wiederkommen. Allerdings betont er, dass
Havanna der einzige Ort sei, an dem er leben möchte. So ist „Letzte Tage in
Havanna“ eine Liebeserklärung an die Stadt und ihre Bewohner. Trotz der
bröckelnden Fassaden und eines erstarrten Systems, trotz all ihrer
Widersprüche, sprühe Havanna, so Pérez, „im Guten wie im Schlechten“ vor
geradezu „explosiver Energie“.
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
25 Jan 2018
## AUTOREN
Ole Schulz
## TAGS
Kinostart
Filmrezension
Homosexualität
Havanna
Filmkritik
Kuba
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