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# taz.de -- Sexueller Missbrauch in Zentralafrika: Französische Soldaten bleib…
> Frankreichs Justiz verzichtet auf Anklagen gegen Soldaten, die in der
> Zentralafrikanischen Republik Kinder missbraucht haben sollen.
Bild: „Löchrig wie ein Schweizer Käse“ sei die Absperrung zwischen Milit�…
Berlin taz | Französische Soldaten, die in der Zentralafrikanischen
Republik Kinder sexuell missbraucht haben, bleiben straffrei. Die
zuständigen Ermittlungsrichter in Paris haben am Montag ohne Anklage die
Verfahren eingestellt, die nach dem Bekanntwerden entsprechender schwerer
Vorwürfe gegen französische Soldaten in der zentralafrikanischen Hauptstadt
Bangui 2014–15 eingeleitet worden waren. Sie folgten damit einem Antrag der
Staatsanwaltschaft.
So endet vorläufig eines der düstersten Kapitel der internationalen
Friedenssicherung der letzten Jahre. Im April 2015 hatten die Vereinten
Nationen den Schweden Anders Kompass, leitender Mitarbeiter der
UN-Menschenrechtskommission OCHCR, suspendiert, nachdem er Details einer
internen UN-Untersuchung über Vorwürfe des Kindesmissbrauchs durch
französische Soldaten in Bangui an die französischen Behörden gegeben
hatte.
Pikant dabei: Frankreichs UN-Botschaft selbst hatte Kompass um den Bericht
gebeten – und ihn dann absprachewidrig weitergeleitet. Kompass fühlte sich
übertölpelt, ging an die Öffentlichkeit, und Ende April 2015
veröffentlichte der britische Guardian erstmals Details aus den Interviews,
die UN-Kinderschutzexperten im Jahr 2014 mit sechs Kindern in Bangui im
Alter zwischen sechs und 13 Jahren geführt hatten. Was die Kinder
berichteten, war explosiv: Französische Soldaten schenkten kleinen Jungs
Nahrung gegen Penislutschen.
Es war eine verzweifelte Zeit in Bangui. Ein kurzlebiges Terrorregime der
muslimischen Rebellenallianz Séléka war im Januar 2014 gestürzt worden,
anti-muslimische Milizen namens Anti-Balaka vertrieben systematisch die
Muslime der zentralafrikanischen Hauptstadt. Frankreichs Eingreiftruppe
„Sangaris“, die als Komplize der Anti-Balaka galt, kontrollierte den
Flughafen von Bangui, wo auch UN-Blauhelme stationiert waren. Direkt neben
ihrer Basis drängelten sich bis zu 100.000 Flüchtlinge – meist Christen,
die in den Franzosen ihre Verbündeten sahen.
Die Absperrung zwischen Militär- und Flüchtlingslager sei „löchrig wie ein
Schweizer Käse“, hieß es später in einer französischen Untersuchung. Wie
Journalisten später recherchierten, holten französische Soldaten nicht nur
kleine Jungen aus dem Flüchtlingslager zum Penislutschen, sondern besorgten
sich in den Bars des angrenzenden Stadtviertels Combattant junge Mädchen
zum Gruppensex im Panzerfahrzeug.
## Beweislage zugunsten der Soldaten ausgelegt
Von einem Rechercheteam der Investigativ-Webseite mediapart befragt, gab
eine Zeugin an, dass sie umgerechnet sieben Euro für Penetrieren und
Spermaschlucken von drei Soldaten bekam. Nachdem ihr Bruder sich über die
Vergewaltigung bei der französischen Basis beschwert habe, seien sie beide
von zentralafrikanischen Polizisten verhaftet worden und hätten sich
freikaufen müssen – so ging das Geld fünffach wieder drauf.
Untersuchungen von Ärzte ohne Grenzen (MSF) oder vom UN-Kinderhilfswerk
Unicef haben die sexuellen Verbrechen bestätigt. mediapart zitiert auch ein
Schreiben des französischen Verteidigungsministeriums: „Jedes Mal, wenn die
Fakten festgestellt und die Täter identifiziert waren“, habe man die
Soldaten versetzt und Disziplinarmaßnahmen getroffen. Auch Frankreichs
Justiz erklärt jetzt in ihrer Verfügung zur Einstellung des Verfahrens: „Es
kann nicht behauptet werden, dass kein sexueller Missbrauch stattgefunden
hat.“
Aber die Aussagen seien zu unterschiedlich und widersprüchlich, um auf
ihnen eine Anklage aufzubauen, so die Ermittlungsrichter. Berichten zufolge
haben die Ermittler die Beweislage sehr großzügig zugunsten der Soldaten
ausgelegt: Einer habe zwar auf seinem Handy Pornovideos gehabt, auf denen
Kinder miteinander Geschlechtsverkehr haben – aber die Anzahl von acht
Videofilmen sei zu gering für ein Verfahren.
Gerechtigkeit für die missbrauchten Kinder von Bangui gibt es nicht. Vor
der zentralafrikanischen Justiz, sofern es eine gibt, genießen französische
Soldaten Immunität. Schon 2015 war außerdem kritisch angemerkt worden, dass
die UN-Ermittler, die 2014 erstmals auf die Vorfälle aufmerksam wurden,
zwar Zeugenaussagen sammelten, aber keine Schutzmaßnahmen ergriffen. In
Berichten wird darauf verwiesen, dass missbrauchte Kinder oft von ihren
Eltern verprügelt und verjagt wurden, weil sie Schande über die Familie
gebracht hatten.
Immerhin betreut das katholische Hifswerk La voix du coeur (Stimme des
Herzens), das sich um Straßenkinder in Bangui kümmert, inzwischen auch
verstoßene, minderjährige Vergewaltigungsopfer aus den Flüchtlingslagern.
Es nutzt verlassene Räumlichkeiten des französischen Kulturzentrums in
Bangui.
16 Jan 2018
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Zentralafrika
Zentralafrikanische Republik
Bangui
Schwerpunkt Frankreich
Soldaten
Militär
sexueller Missbrauch
Sexuelle Gewalt
Bangui
Friedensmission
sexueller Missbrauch
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