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# taz.de -- Demonstration für Oury Jalloh: Sie fordern Aufklärung
> Vor 13 Jahren verbrannte der Sierra Leoner, heute versammeln sich 3.000
> Menschen. Zeitgleich startet die Kampagne „Oury Jalloh Stadt Dessau“ .
Bild: Die Demo zieht durch Dessau
Dessau taz | Etwa 3.000 Menschen fordern am Sonntag in Dessau Aufklärung im
Fall Oury Jalloh. Es ist die bislang größte Demonstration am Jahrestag des
vor 13 Jahren in einer Polizeizelle verbrannten Sierra Leoners.
„Als wir 2005 gesagt haben, dass mein Freund ermordet wurde, haben sie uns
für verrückt erklärt“, sagt Mouctar Bah, der Gründer der Initiative in
Gedenken an Oury Jalloh. „Heute stehen wir hier mit tausenden Menschen, die
alle dasselbe sagen.“
Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass die [1][Dessauer
Staatsanwaltschaft davon ausgeht], dass der in Gewahrsam genommene Jalloh
sich nicht selbst getötet haben kann. Stattdessen dürfte er von
Polizeibeamten mit Brandbeschleuniger besprüht und angezündet worden sein.
Damit könnten diese versucht haben zu vertuschen, dass Jalloh Verletzungen
zugefügt worden waren, mutmaßt die Staatsanwaltschaft Dessau.
Inzwischen liegt der Fall aber bei der übergeordneten
Generalstaatsanwaltschaft Naumburg. Gleichzeitig liegt seit Anfang Dezember
eine Anzeige wegen Mordverdachts gegen einen Polizisten beim
Generalbundesanwalt vor. Auf der Internet-Petitionsplattform [2][change.org
haben über 100.000 für eine lückenlose Aufklärung des Falls
unterschrieben].
Bah schildert die Schikanen, denen Afrikaner in Dessau lange ausgesetzt
waren, die Zweifel an der Selbstmord-These geäußert hatten: „Die Polizei
ist in unseren Treffpunkt gekommen, wir wurden durchsucht, mussten uns
nackt ausziehen. So hat man versucht, uns Schwarze zum Schweigen zu
bringen.“ Viele der AktivistInnen und Freunde Jallohs seien im Laufe der
Jahre abgeschoben worden.
## Straßenschilder neu gestaltet
Der Bruder des Toten, Salliou Mamadou Diallo, ist für den Jahrestag aus
Guinea nach Dessau gereist. „Seit 13 Jahren warten wir“, sagt er zum
Auftakt des Demonstrationszuges. „Aber wir haben ein Recht zu erfahren, was
geschehen ist. Sie müssen uns endlich die Wahrheit sagen.“
In der Nacht zum Samstag hatten Unbekannte eine Kampagne mit dem Namen
„Oury Jalloh Stadt Dessau“ gestartet. Sie überklebten [3][Autobahnschilder
und Werbeflächen in der Stadt mit einem entsprechenden Schriftzug], neben
dem das Gesicht des Toten Jalloh sowie ein Feuerzug zu sehen war.
Die AfD hatte zu einer zeitgleich stattfindenden Protestkundgebung gegen
die „Diskreditierung von Polizei und Justiz“ aufgerufen. Das Jüdische Forum
für Demokratie und gegen Antisemitismus beobachtete die Kundgebung der AfD
im Süden der Dessauer Innenstadt. Nach Angaben des Forums versammelten sich
dort etwa 150 Menschen. Jalloh hätte nicht in einer Gewahrsamzelle sterben
müssen, wenn er zuvor abgeschoben worden wäre, sagte nach Angaben des
Forums ein Redner.
Die [4][Initiative in Gedenken an Oury Jalloh] rief die angereisten
DemonstrantInnen explizit dazu auf, beim Passieren der AfD-Kundgebung nicht
auf mögliche Provokationen einzugehen. „Wir machen hier keine
Anti-AfD-Demo“, sagte ein Sprecher.
## „Shame on You“ – die Demo beginnt
Der Demozug setzt sich gegen 15 Uhr in Richtung der Justizgebäude in
Bewegung. Vor dem Sitz der Dessauer Staatsanwaltschaft listet ein Sprecher
die Ungereimtheiten auf, die im Laufe der ersten beiden Prozesse bis 2012
bekannt geworden waren. Unter anderem erinnern sie an die vielen Indizien,
die belegten, dass das als Tatwerkzeug geltende Feuerzeug nicht während des
Brandes in der Zelle gewesen sein kann. Trotzdem hatte die
Staatsanwaltschaft in jenen Jahren keinen Anlass gesehen, Mordermittlungen
einzuleiten. „Shame on You“, ruft ein Sprecher.
Gegen 16:30 Uhr passieren die DemonstrantInnen dann den Ort, an dem die AfD
ihre Kundgebung abgehalten hatte. Die war bis dahin allerdings beendet, die
AfD-Anhänger verschwunden.
Nach drei Stunden erreicht der bis dahin auf über 4.000 Menschen
angewachsene Zug das Polizeirevier in der Wolfgangstraße. Hier war Jalloh
2005 verbrannt. VertreterInnen der afrikanischen Gemeinde erklimmen die
Treppen zum Revier und rufen „Blut klebt an Euren Händen“. Ein Sprecher
erinnert daran, dass die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh eine
internationale Kommission zusammenstellt, die den Tod Jallohs untersuchen
soll. „Wenn Deutschland nicht imstande ist, diesen Mord aufzuklären, dann
muss die Weltgemeinschaft helfen“, sagt er. Die Polizei hällt sich bis zum
Ende der Demo zurück. Zwischenfälle gibt es nicht, die Polizei spricht von
einem friedlichen Verlauf des Tages.
7 Jan 2018
## LINKS
[1] /Kommentar-Ermittlungen-zum-Fall-Jalloh/!5469070
[2] https://www.change.org/p/mein-freund-ouryjalloh-es-war-mord-wir-fordern-l%C…
[3] https://twitter.com/Stadt_Dessau/status/949684572182188032
[4] https://twitter.com/OuryJalloh
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Oury Jalloh
Dessau
Polizei
Schwerpunkt Rassismus
Oury Jalloh
Oury Jalloh
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Umständen in einer Polizeizelle verbrannte, wusste Mouctar Bah, dass er
eine Aufgabe hatte.
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