# taz.de -- Handball-EM in Kroatien: Der andere Weg | |
> Bei der Handball-EM in Kroatien ist das deutsche Team besser aufgestellt | |
> als beim Überraschungssieg des letzten Turniers. Neue Probleme drohen. | |
Bild: Bundestrainer Christian Prokop (r) beobachtet das Training | |
BERLIN taz | Hendrik Pekeler griff sich immer wieder an den Kopf. Er konnte | |
nicht glauben, was da geschehen war, und wie dem Kreisläufer ging es an | |
diesem Abend Millionen Menschen. Pekeler stand in den Katakomben der Arena | |
von Krakau, die vielen anderen saßen vor dem Fernseher und hatten ein | |
Handballspiel gesehen, das Spuren hinterließ. | |
Es hatte schon viele Finalspiele bei großen Turnieren gegeben, aber nur | |
wenige waren so von einer Mannschaft dominiert worden wie das Endspiel der | |
Europameisterschaft vor zwei Jahren von Deutschland. Historisch war der | |
24:17-Erfolg von Pekeler und seinen Kollegen über Spanien, weil die Auswahl | |
des Deutschen Handballbunds (DHB) zwei Wochen zuvor als krasser Außenseiter | |
ins Turnier gestartet. „Diese 60 Minuten waren der absolute Wahnsinn“, sagt | |
Pekeler. Mit ihm stürmte ein Team der Namenlosen auf den Gipfel. | |
Am Freitag beginnt die EM in Kroatien, Samstag steht für die Deutschen das | |
erste Gruppenspiel gegen Montenegro an und Pekeler ahnt, dass es nicht mehr | |
so werden kann wie 2016 in Polen. Deutschland zählt zum Kreis der Nationen, | |
denen der EM-Titel zugetraut wird. Wenn die deutsche Mannschaft noch einmal | |
die Siegertrophäe in den Händen halten will, muss sie einen anderen Weg | |
finden. | |
Andreas Wolff weiß das. Er war vor zwei Jahren innerhalb von zwei Wochen | |
von einem in der Fachwelt als talentierten Torhüter anerkannten Handballer | |
zu einem Superstar aufgestiegen. Zunächst parierte der damalige Wetzlarer | |
etliche Bälle, wurde im Finale gegen die Iberer zeitweilig zu einer | |
undurchdringlichen Wand, bejubelte mit seinen Kollegen den Triumph und war | |
anschließend eine Person, die auch außerhalb der Hallen Interesse | |
hervorrief. | |
Der Andreas Wolff des Jahres 2018 kann gar nicht mehr der von 2016 sein – | |
und wie dem Keeper geht es vielen in der deutschen Mannschaft. „Was soll | |
ich aus dem Turnier noch herausziehen?“, entgegnet Wolff, wenn er an seinen | |
persönlichen Durchbruch erinnert wird: „Seither sind zwei Jahre vergangen. | |
Ich habe mich weiterentwickelt und möchte das bei diesem Turnier zeigen.“ | |
## Viele kleine und ein paar große Stars | |
Es wird sich in Kroatien erweisen, inwieweit die Weiterentwicklung dieser | |
Gruppe von Hochbegabten dazu führen kann, dass sie Erfolge der | |
Vergangenheit bestätigen kann. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die | |
individuelle Qualität der Spieler, die Bundestrainer Christian Prokop um | |
sich versammelt hat, größer ist als vor zwei Jahren. Aber es ist ebenso | |
unstrittig, dass es größerer Qualitäten bedarf, um die Siege zu | |
wiederholen, die vor 24 Monaten für eine Handballeuphorie sorgten. | |
Exakt die Hälfte der 16 Akteure, die an diesem Donnerstag in Berlin das | |
Flugzeug mit Ziel Zagreb betreten, waren in Polen mit dabei. Jeder ist | |
seither besser geworden. Hinzu kommen mit Uwe Gensheimer, Patrick | |
Groetzki, Silvio Heinevetter, Patrick Wiencek und Paul Drux | |
Leistungsträger, die vor zwei Jahren entweder verletzt waren oder sich im | |
Formtief befanden. Die Aussage von Wolff, der den Kader „jetzt stärker als | |
den 2016“ einordnet, ist das Ergebnis einer realistischen Analyse. Noch nie | |
besaß eine deutsche Mannschaft eine solch große Anzahl von hervorragenden | |
Spielern, noch nie war sie derart ausgeglichen besetzt. | |
Es gibt mittlerweile viele kleine und ein paar große Stars innerhalb der | |
deutschen Nationalmannschaft und das birgt eine Gefahr. „Jeder Einzelne | |
muss bereit sein, mehr in den Topf einzuzahlen, als er herausnimmt“, sagt | |
Bob Hanning. Der DHB-Vizepräsident hatte im vergangenen Jahr erkannt, dass | |
die besten Handballer in Deutschland nicht mehr bestmöglich funktionierten. | |
Bei der WM in Frankreich verloren sie im Achtelfinale die Konzentration. | |
Die Folge: das überraschende Ausscheiden gegen Katar. | |
Kurz darauf kam mit Christian Prokop ein neuer Trainer und mit ihm neue | |
Ideen. Der 39-Jährige ist ein fachlich hervorragender Handballlehrer, der | |
den Spielern neue Impulse gegeben hat. Prokop wird das Team perfekt auf die | |
Gegner einstellen, er wird ihnen einen schlüssigen Plan mit auf den Weg | |
geben – doch den entscheidenden Schritt müssen die Spieler alleine gehen. | |
Der Favoritenrolle können sie nur gerecht werden, wenn sie auch in heiklen | |
Situationen fokussiert und nervenstark auftreten. Die Deutschen hätten dann | |
einen anderen Weg gefunden, um erfolgreich zu sein. | |
11 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Michael Wilkening | |
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