# taz.de -- Zoff beim deutschen Handball-EM-Team: Das Murren gegen den Chef | |
> Ein gestörtes Verhältnis: Beim Remis gegen Mazedonien setzen sich die | |
> deutschen Handballer am Ende über die Anweisungen ihres Trainers hinweg. | |
Bild: Hallo!? Hallooooo!? Bundestrainer Christian Prokop | |
ZAGREB taz | Bei einer Auszeit im Handball, gerade in den letzten Sekunden | |
eines Spiels, kann es schon hoch hergehen. Dass durcheinander gesprochen | |
wird, ist keine Seltenheit. Dass sich Trainer und Spieler nicht richtig | |
zuhören und die Kurzbesprechung mit unterschiedlichen Ideen verlassen, | |
schon. Der letzte Angriff der Deutschen im letzten Vorrundenspiel bei der | |
Europameisterschaft gegen Mazedonien (25:25) und die Absprache davor waren | |
symptomatisch für das Verhältnis des Bundestrainers Christian Prokop zu | |
seiner Mannschaft. Es ist gestört. | |
Das sagt im Augenblick niemand öffentlich, aber die düstere Stimmung war im | |
Mannschaftshotel mit Händen zu greifen. Sie gefährdet den Einzug ins | |
Halbfinale weit mehr als die durchwachsene Ausbeute von 2:2-Punkten, mit | |
der die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) am Donnerstag in die | |
Hauptrunde in Varazdin startet. Gegen Tschechien (18.15 Uhr, live im ZDF) | |
geht es um sehr viel. Gelingt gegen den Außenseiter kein Sieg, dürften die | |
Risse im Binnenverhältnis kaum mehr zu kaschieren sein. | |
Christian Prokop redete viel, zeigte auf eine Taktiktafel, die er in der | |
Hand hielt – und er sagte zu Linksaußen Uwe Gensheimer, er solle sich auf | |
einen Wurf vorbereiten. Philipp Weber, der die Entscheidung treffen sollte, | |
forderte Steffen Weinhold auf, einen Kempa-Trick anzutäuschen, der einen | |
Gegenspieler auf sich ziehen sollte, damit Rechtsaußen Patrick Groetzki | |
Platz für den letzten Wurf des Spiels hatte. Weber führte seinen Plan aus | |
und nicht den des Trainers. „Wir spielen das zu undiszipliniert“, haderte | |
Prokop später mit der Entscheidung seiner Akteure. | |
Beim glücklichen 25:25-Remis gegen Slowenien hatten die Abwehrspieler | |
Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek ohne Rücksprache mit dem Trainer | |
entschieden, die Arbeit in der Defensive in der zweiten Halbzeit anders zu | |
interpretieren. Gegen Mazedonien setzte sich Weber, einst Prokops | |
Musterschüler beim SC DHfK Leipzig, über die Ansage des Bundestrainers | |
hinweg. Es ist offensichtlich, dass zumindest einem Teil der Mannschaft das | |
Vertrauen in Prokop fehlt. | |
## Die Spieler werden schlechter | |
„Der Trainer hat es nicht geschafft, den Spielern Sicherheit zu geben“, | |
sagte Daniel Stephan. Dem früheren Welthandballer gibt in erster Linie das | |
Angriffsspiel zu denken – und der Formverfall von Akteuren, die als | |
Leistungsträger gedacht waren. „Da tauchen Fragen auf“, erklärte Stephan | |
exemplarisch mit Blick auf die Situation von Julius Kühn. Der Melsunger war | |
in der Bundesliga-Hinrunde der herausragende Rückraumspieler, niemand hat | |
mehr Feldtore als der Halblinke geworfen. In den ersten drei Partien | |
spielte Kühn, eigentlich ein Mann mit überbordendem Selbstvertrauen, nur | |
eine untergeordnete Rolle auf dem Feld. Gegen Mazedonien kam er nur in | |
Überzahlsituation zum Zug und agierte fehlerhaft. „Es ist ganz komisch. Es | |
ist ja nicht nur bei mir so, dass es nicht läuft“, sagte Kühn. | |
Auch Kai Häfner (TSV Hannover-Burgdorf) war gegen Mazedonien von der Rolle, | |
und Steffen Fäth (Füchse Berlin) war ohne Selbstvertrauen, weil er in den | |
Spielen zuvor außen vor war. Drei herausragende Rückraumspieler der | |
Bundesliga, die bei den vergangenen Turnieren zu den Leistungsträgern | |
zählten, sind nicht auf der Höhe. Die vielen Wechsel von Prokop entzogen | |
ihnen das Selbstvertrauen. Ständig erprobt der Coach Varianten im Rückraum. | |
Das erschreckt die Spieler, das Murren wird vernehmbarer. Eine teaminterne | |
Sitzung unmittelbar nach dem Mazedonien-Spiel sollte Abhilfe schaffen: „Wir | |
haben über alle Dinge gesprochen, um auch die kleinsten Steine aus dem Weg | |
zu räumen“, erklärte Kühn. | |
Beim SC DHfK Leipzig hat der Bundestrainer eindrucksvoll nachgewiesen, dass | |
er seine Spieler besser machen kann, in seiner neuen Rolle werden sie im | |
Moment schlechter. „Auch der Bundestrainer muss sich steigern“, bemerkte | |
Stephan. Der Exprofi wollte noch kein endgültiges Urteil über den Trainer | |
fällen, erst am Ende des Turniers sei das möglich. | |
Drei Partien haben die Deutschen in der Hauptrunde zu absolvieren. Das | |
nächste Spiel gegen Tschechien ist wegweisend. „Wir müssen jetzt liefern, | |
ohne Diskussion“, sagte Bob Hanning: „Wir müssen Tschechien schlagen. Das | |
ist die Aufgabe der Mannschaft.“ Der DHB-Vizepräsident nahm ausdrücklich | |
die Akteure in die Pflicht. | |
18 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Michael Wilkening | |
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