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# taz.de -- Prozess gegen entführten Vietnamesen: Hinter verschlossenen Türen
> Ab Montag steht Trinh Xuan Thanh in Hanoi vor Gericht. Beobachter
> vermuten, dass er dort über sein Kidnapping sprechen will.
Bild: Hier wird Trinh Xuan Thanh der Prozess gemacht: Volksgericht in Hanoi
Berlin taz | Es ist ein Prozess, den die vietnamesische Regierung am
liebsten unter dem Radar der ausländischen Beobachter laufen wüsste: Am
Montag beginnt im Volksgericht in Hanoi der Prozess gegen [1][Trinh Xuan
Thanh], der nach Erkenntnissen deutscher Ermittler aus Deutschland nach
Vietnam entführt worden ist.
Die internationale Presse darf nicht ins Gericht. Bundestagsabgeordnete wie
der CDU-Menschenrechtsexperte Martin Patzelt sind gar nicht nach Hanoi
geflogen, weil das Auswärtige Amt keine Prozessbeobachtung für sie hatte
aushandeln können. Nur deutsche Diplomaten können den Prozess beobachten,
heißt es aus der Behörde. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, ist am
Freitag erneut der vietnamesische Botschafter einbestellt worden.
Trinh Xuan Thanh ist jener ehemalige vietnamesische Politiker und
Firmenchef, dessen Verschwinden im Sommer vergangenen Jahres Schlagzeilen
machte: Er soll im Berliner Tiergarten in einen Transporter gezerrt worden
sein, Augenzeugen meldeten es der Polizei. Gut eine Woche später tauchte er
in Hanoi wieder auf. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe geht davon aus,
dass der vietnamesische Geheimdienst und die vietnamesische Botschaft in
Berlin hinter der Entführung stehen.
Das am Tatort auf die Erde gefallene Handy konnte demnach zweifelsfrei
Trinh Xuan Thanh zugeordnet werden. Das mit Navigationssystem ausgestattete
Tatfahrzeug fuhr vom Tiergarten in die vietnamesische Botschaft. Von dort
aus wurde auch Thanhs Weiterreise nach Hanoi als „Krankentransport“
organisiert.
## Opfer eines Machtkampfs
Vietnam bestreitet die Entführung. Das Land behauptet, Thanh sei freiwillig
nach Hanoi zurückgekehrt und hätte sich den Ermittlern gestellt.
Thanh hatte rund elf Monate in Berlin gelebt. Er sah sich als Opfer eines
Machtkampfes innerhalb der Kommunistischen Partei Vietnams. Dort wird seit
2016 mit harter Hand gegen den Flügel der Wirtschaftsreformer vorgegangen,
dem Thanh angehörte. Hanoi hatte den 51-Jährigen wegen Misswirtschaft zur
Fahndung ausgeschrieben und seine Auslieferung beantragt. Doch das
Auslieferungsersuchen war juristisch so unpräzise, dass daraus nie ein
Auslieferungsverfahren wurde.
In Hanoi macht man es nun vor dem Prozess auch Thans Berliner Anwältin
schwer: Die Juristin Petra Schlagenhauf wurde in der Nacht von Donnerstag
auf Freitag am Flughafen in Hanoi die Einreise verweigert. Dabei wollte die
Juristin ihn dort nicht verteidigen, schließlich hat sie keine
vietnamesische Anwaltszulassung. Sie wollte sich mit den vietnamesischen
Verteidigern des Mannes abstimmen – was nun schwieriger werden dürfte.
Denn auch die Kommunikation per Internet ist teils lahmgelegt: Die
vietnamesische Regierung hat angekündigt, dass die Internetleitungen aus
dem südostasiatischen Land in die Welt und zurück ab Sonntag drei Tage lang
zeitverzögert arbeiten würden. Der Grund seien Reparaturarbeiten, hieß es
von offizieller Seite.
Selbst wenn die gleichzeitige Internetverzögerung nur ein Zufall sein
sollte: Für Kenner des Landes ist klar, warum Hanoi die Verhandlung mit
möglichst wenig Aufmerksamkeit bedacht wissen will. „Sie haben Angst, dass
Thanh im Gerichtssaal sagt, er sei aus Deutschland entführt worden. Diese
Aussage soll auf gar keinem Fall in die Welt dringen“, erklärt ein
vietnamesischer Sozialwissenschaftler mit Kontakten zu Hanoier
Ermittlerkreisen, der seinen Namen nicht in der Zeitung genannt wissen
will.
## Es droht die Todesstrafe
Der Mann kennt die Anklageschrift und die Positionen der
Staatsanwaltschaft. „Es steht eine Vielzahl von Männern gemeinsam vor
Gericht, denen Korruptionshandlungen in unterschiedlichen Zusammenhängen
zwischen 2009 und 2013 zur Last gelegt werden“, sagte er der taz. Die
Anklage hat demnach nichts mehr mit dem Tatvorwurf zu tun, wegen dem Thanh
einst international gesucht worden war: Man warf ihm damals Misswirtschaft
in dreistelliger Millionenhöhe vor. Von diesem Vorwurf wurde er jedoch in
Vietnam bereits 2013 und 2015 freigesprochen.
Am Montag kommen zunächst Korruptionshandlungen seiner ehemaligen
Mitarbeiter zur Sprache. Thanh selbst wird zudem seit Dezember zur Last
gelegt, 2009 Schwarzgeld in Höhe von 400.000 Euro in einem Koffer
angenommen, aber anschließend wieder zurückgegeben haben. Das wäre
Korruption. Darauf steht in Vietnam die Todesstrafe bereits ab einem Wert
von 12.400 Euro. Thanh hat sowohl durch seinen Vater als auch durch seine
Anwälte diesen Tatvorwurf zurückweisen lassen.
Nach Einschätzung des vietnamesischen Sozialwissenschaftlers deutet
besonders ein Aspekt darauf hin, dass Thanh vor Gericht von der Entführung
sprechen wolle: „Alle Angeklagten haben vorab ein Schuldeingeständnis
unterschrieben und um eine milde Strafe gebeten. Alle außer Trinh Xuan
Thanh.“ Der Wissenschaftler geht davon aus, dass gegen Thanh die
Todesstrafe verhängt wird. „Dafür gibt es Indizien wie die Vorverurteilung
durch Vietnams Parteichef. Oder auch einen Vermerk der Staatsanwaltschaft,
die gegen Thanh die volle Härte des Gesetzes fordert.“
Ein einziger Aspekt spreche gegen die Todesstrafe: Am Samstag hätten Thanhs
Eltern in seinem Auftrag eine größere Geldsumme an die Staatskasse gezahlt.
„Das ist kein Schuldeingeständnis. Ihm werden aber Korruptionshandlungen
seiner ehemaligen Mitarbeiter zur Last gelegt. Und da will er als
Vorgesetzter Schaden wieder gutmachen“, so der Sozialwissenschaftler. Eine
derartige Geldzahlung wirke sich in Vietnam strafmildernd aus.
8 Jan 2018
## LINKS
[1] /Entfuehrter-vietnamesischer-Expolitiker/!5464365
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
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