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# taz.de -- Die Wahrheit: Scooterman und die Freiheit
> Tür, die klemmt: Für einige Momente gelang es dem Scooterman zu
> verdrängen, dass er ohne Hilfe in den letzten zwei Monaten nicht vor
> besagter Tür war.
Wer die Abenteuer des Scootermans schon länger verfolgt, der weiß, dass der
an Multipler Sklerose erkrankte Autor dieser Zeilen sich seit mehr als zwei
Monaten in einer Art Hausarrest befand. Mit seinem Handrollstuhl schaffte
er es problemlos von seiner barrierefreien Wohnung an den Ufern der Spree
bis zum Rollstuhlwechselraum im Erdgeschoss.
Mit einiger Mühe wuchtete er sich dort in seinen Scooter. Doch dann, an der
Tür zur Straße, war Schluss. Denn diese Tür ließ sich zwei Monate lang
nicht öffnen. Der Schließzylinder war defekt. Führte man den
Generalschlüssel dort ein, dann summte die Tür für einige Sekunden hämisch,
ohne sich zu öffnen. Manchmal verharrte der Scooterman eine Weile an der
Innenseite der Tür. Dort verströmte er vermutlich für lange Minuten den
Charme eines Aquariumfisches. Bis er ärgerlich aufgab und sich in seine
Wohnung im dritten Stock zurückzog.
Über die letzten Wochen wurde diese halbe Stunde immer mehr zum Ritual.
Scooterman rollte an die Tür, versuchte sie vergebens zu öffnen. Guckte
dann für einige Minuten immer verstockter. Wenige Minuten später sah man
ihn auf seinem Balkon sitzen. Wo er sich immer schärfer formulierte
Beschwerdebriefe an Firmen und Behörden ausdachte. Da er die auch
aufschrieb und abschickte, dürfte er dort allseits kaum noch Freunde haben.
Zwei Termine pro Woche waren ihm allerdings auch in den letzten zwei
Monaten heilig: die Physiotherapie in einer nahen Klinik. Dann öffnete ihm
eine Betreuerin seiner Nachbarin die Tür. Und ließ ihn zwei Stunden später
wieder ein.
Schließlich kam der Nachmittag, an dem etwas gleichermaßen Sonder- wie
Wunderbares geschah. Scooterman steckte seinen Generalschlüssel in den
Schließzylinder – und die Tür öffnete sich. Unangekündigt mussten
kompetente Handwerker an der Tür gearbeitet haben. Völlig perplex verharrte
der Scooterman, bis die Tür sich nach einer halben Minute wieder schloss.
Mit Sicherheit gab es schon Menschen, die intelligenter in die Landschaft
geschaut haben.
Er öffnete die Tür wieder. Und dann gleich noch ein drittes Mal. Für einige
Minuten genoss Scooterman das Gefühl der Freiheit. Vielleicht sollte er den
Schlüssel für seinen Scooter aus der Wohnung holen, um zu einer kleinen
Triumphfahrt durch die Nachbarschaft aufzubrechen?
Auf jeden Fall war vor der Tür immer noch stramm Dezember. Mit höchst
ekligem Nieselregen. Dunkel wurde es jetzt auch gerade. War ja schon
viertel nach vier. Es wurde also Zeit, in die Wohnung zurückzukehren. Dort
warteten immerhin drei E-Mails auf ihn. Eine aus Osaka in Japan, eine aus
Asharabat in Turkmenistan und eine aus Colorado in den USA.
Für einige Momente gelang es dem Scooterman zu verdrängen, dass er in den
letzten zwei Monaten ohne Hilfe nicht mal zur Straße gekommen war. Dann
genehmigte er sich eine Tüte Colorado. Von Hans Riegel aus Bonn. Immerhin.
2 Jan 2018
## AUTOREN
Knud Kohr
## TAGS
Rollstuhl
Leben mit Behinderung
Multiple Sklerose
Scooterman
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Rollstuhlfahrer
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