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# taz.de -- Hochschulstandort Heilbronn: Die Uni wird Ihnen präsentiert von Li…
> Mit dem Geld des Lidl-Besitzers Dieter Schwarz wird der „Bildungscampus
> Heilbronn“ errichtet. Die neue Uni ist nicht unumstritten.
Bild: Uni-Logo?
München taz | Glückliches Heilbronn. Regelmäßig wird die Stadt zum Ort mit
den reichsten Bewohnern Deutschlands ernannt, bei 35.663 Euro jährlich
liegt das durchschnittliche verfügbare Einkommen pro Person – höher als in
Starnberg oder im Hochtaunuskreis. Der Grund ist das Vermögen des
Multimilliardärs Dieter Schwarz, Besitzer von Lidl und Kaufland – er wird
als einer der reichsten oder gar der reichste Deutsche benannt. Ein
Einzelner mit seinem geschätzten Vermögen von 37 Milliarden Euro. Er treibt
den statistischen Wert der 120.000 Mitbürger deutschlandweit an die Spitze.
Und davon profitiert auch die Neckarstadt, 50 Kilometer nördlich von
Stuttgart. Dank ihres wertvollen Bürgers entsteht am Rand der Innenstadt
der „Bildungscampus Heilbronn“. Und der wächst rasant: 2011 gegründet,
beherbergt er heute 3.800 Studenten, 2020 sollen es schon 10.000 sein. Das
verspricht Stefanie Geiges, Sprecherin der Dieter-Schwarz-Stiftung, die
mithilfe von Dieter Schwarz’ Privatvermögen den Campus betreibt.
Mit dem jüngsten Coup scheint das sogar realistisch, denn ab dem
Wintersemester 2018/19 sollen Studierende der Technischen Universität
München (TUM) am Neckar das Studium aufnehmen und aus dem kleinen Heilbronn
eine Universitätsstadt machen. Wohlgemerkt, eine bayerische Uni schickt
ihre Studierenden nach Baden-Württemberg. So weit reicht Schwarz’ Einfluss.
Vergangene Woche unterschrieben die Kooperationspartner ein
Eckpunktepapier, das Folgendes vereinbart: Die Dieter-Schwarz-Stiftung
finanziert 20 großzügig ausgestattete Stiftungsprofessuren im Fach
Wirtschaftswissenschaften, 13 davon kommen nach Heilbronn auf den
Bildungscampus, wo schon die Hochschule Heilbronn einen ihrer vier
Standorte unterhält.
Der Deal mit der TU München hat für Aufsehen gesorgt. Denn eine
Stiftertätigkeit in dieser Dimension gab es in Deutschland bisher nicht.
Die 20 Professoren werden nicht nur, wie sonst üblich, für fünf oder sechs
Jahre finanziert. Sondern, wie der TU-Sprecher Ulrich Marsch im Gespräch
mit der taz sagt, „im Extremfall das ganze Berufsleben lang“. Startet ein
Professor mit 30 Jahren, dann wären das bis zur Pensionierung mit 68
insgesamt 38 Berufsjahre – „voll finanziert inklusive der
Pensionsrückstellungen“, so Marsch.
## Stiftungsprofessur abgelehnt
Wenn so viel Geld von der Wirtschaft in eine Universität gesteckt wird, so
wirft das Fragen auf. Soll für die Leistung eine Gegenleistung erkauft
werden – und wenn ja, welche? Das ist das grundsätzliche Spannungsfeld von
Stiftungsprofessuren und anderen Drittmittelzuwendungen an die
Wissenschaft.
Einer, der das kritisch sieht, ist Christian Kreiß, selbst
Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Aalen. Kreiß weiß, wovon er spricht.
Ihm wurde vor Jahren selbst eine Stiftungsprofessur angetragen. Er lehnte
ab. Er wollte seine Arbeit und sein Gehalt nicht in Verbindung zu einem
Sponsor bringen. Zu den neuen Stiftungsprofessuren der TU München meint
Kreiß: „Dort bewirbt sich doch nur, wer Lidl-affin ist.“
Denn wer würde schon ein „Prof. Lidl“ werden wollen, wenn er kritische
Fragen an die Discounter hat? So verfestige sich „neoliberale
Mainstreamforschung“, glaubt Kreiß. Kritische Themen, die auch Billigketten
wie Lidl beträfen – ungesunde Ernährung, Förderung von Massentierhaltung,
das Sterben des lokalen Handels – würden solche Professoren sicher nicht
bearbeiten. Eine kritisch denkende Ökonomie werde so immer weiter an den
Rand gedrängt.
Tatsächlich werden sich die Stiftungsprofessuren mit „Management digitaler
Technologien, Entrepreneurship und Familienunternehmen“ beschäftigen.
In Zeiten der Globalisierung ein wichtiger, zukunftsträchtiger Bereich,
meint TUM-Sprecher Marsch. Auf die Besetzung der Professuren habe die
Stiftung aber keinen Einfluss, ebenso wenig auf die Inhalte der
wissenschaftlichen Arbeit. Diese Grundsätze hat die TU München schriftlich
in einem Kodex festgelegt. In jedem Fall würden die
Wirtschaftswissenschaftler der Uni relevante Themen angehen – „das machen
wir mit oder ohne BMW, Lidl oder Evonik. Die Themen gibt es sowieso.“
## 26 Prozent Drittmittel
Drittmittel sind zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für Hochschulen
geworden. Dabei handelt es sich um Geld von der Wirtschaft oder von
öffentlichen Organisationen wie dem Bund, der EU oder einzelnen
Bundesländern. Laut Statistischem Bundesamt liegt der Anteil des
drittmittelfinanzierten wissenschaftlichen Personals mittlerweile bei 26
Prozent, die übrigen 74 Prozent werden aus den regulären Haushalten der
Hochschulen bezahlt.
Die Lidl-Stiftung und die Uni schweigen über Geld. Hochgerechnet ergeben
sich aber für die 20 Professuren Kosten von mehr als 100 Millionen Euro,
möglicherweise bis zu 200 Millionen. Die TU München hat plötzlich nicht
mehr 34, sondern 54 Professuren für Wirtschaftswissenschaft. „Gerade werden
auf dem Campus sechs neue Gebäude für uns errichtet“, sagt Sprecher Marsch.
Im kommenden Wintersemester schon soll es losgehen, zunächst mit 1.000
Studenten.
Dieter Schwarz, 78 Jahre alt, ist eine riesige und nahezu unbekannte Größe
im Wirtschaftsleben. Nur zwei Fotos von ihm sind bekannt, in der
Öffentlichkeit zeigt er sich nicht, Interviews gibt er nicht. Man weiß,
dass er 1999 aus der Unternehmensleitung ausgeschieden ist und sein Geld
seiner Stiftung vermacht hat.
## Steuersparmodell für Unternehmen
So unerkannt er bleiben möchte, so groß ist offensichtlich der Drang, in
Heilbronn mit seinem Namen ein ganz Großer zu sein. Ehrenbürger der Stadt
ist Schwarz schon. Als vor einem Jahr der jüngste Abschnitt des
Bildungscampus eröffnet wurde, frohlockte SPD-Oberbürgermeister Harry
Mergel: „Es ist traumhaft, was hier entstanden ist mit Dieter Schwarz an
der Spitze.“ Die Schwarz-Stiftung sei „ein starker Partner“ und Heilbronn
„auf dem Weg zur Wissensstadt“.
„Eine Stiftung ist ein Steuersparmodell für Unternehmen“, erwidert Andreas
Keller, Vizevorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW. Der sauberere Weg
wäre: Unternehmen wie Lidl bezahlen ihre normalen Steuern, der Staat kann
mehr Geld in die Forschung stecken.
28 Dec 2017
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Lidl
Universität
Heilbronn
Stiftungsprofessuren
Drittmittel
Lidl
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