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# taz.de -- Konferenz zu Migrationspolitik: Recht auf globale Bewegungsfreiheit
> In Frankfurt/M. stellte eine Tagung Konzepte für eine rationale
> Migrationspolitik zur Debatte, mit denen die Politik nicht Schritt halten
> will.
Bild: Staatlicher Schutz der Grenzen oder globale Bewegungsfreiheit der Mensche…
Die Migration zeigt, anders als daueralarmierte Konservative und Rechte
seit zwei Jahren behaupten, keinen Epochenwandel an, sondern ist ein altes
Thema, das nur deshalb so drängend geworden ist, weil die Staaten keine
vernünftige, langfristig angelegte Migrationspolitik haben, ja nicht einmal
einen Plan B für akute Fälle – jenseits von Absichtserklärungen zu
Abschiebungen. Aus der selbsterzeugten Panikstimmung über „plötzliche“,
mitverursachte „Flüchtlingsströme“ destillierten konservative Medien,
Boulevardpresse, Rechte und Rechtsradikale den gefühlten Notstand, der AfD
und FDP den Aufstieg und CDU/CSU und SPD den Abstieg einbrockten.
Die Tagung des Frankfurter Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer
Ordnungen“ organisierte am Freitag eine Konferenz unter dem Titel „The
Politics of Migration: Testing the Boundaries of Membership“.
Freilich bewegten sich die Referenten nicht auf dem Niveau des
zweijährigen, provinziell bis reaktionär intonierten Streits unter
deutschen Politikern über „Obergrenzen“, „Gesetzesverschärfungen“ und
„Grenzkontrollen“, sondern stellten wissenschaftlich begründete
Perspektiven und Konzepte für eine rational fundierte Migrationspolitik zur
Debatte. Diese Konzepte liegen, was keine Überraschung ist, zwischen der
Rechtfertigung des staatlichen Schutzes seiner Grenzen und dem nicht minder
vertretbaren Plädoyer für „globale Bewegungsfreiheit“ der Menschen (Andre…
Cassee).
Der in England und Kanada lehrende Philosoph David Miller begründete, warum
die staatliche Gebietshoheit im Innern nicht zwingend auf Nichtstaatsbürger
ausdehnbar ist. Dennoch versuchte er, sich auf Gründe zu stützen, die für
eine restriktive Einwanderungspolitik von Nationalstaaten sprechen – aus
„Gründen des Rechts auf nationale Selbstbestimmung“.
## Komponenten des nationalen Selbstbestimmungsrechts
Dieses „Recht“, das der US-Präsident Woodrow Wilson 1918 – etwa
gleichzeitig mit Lenin und gegen die Urheber des im Namen europäischer
Nationalismen dirigierten Schlachthauses „Weltkrieg“ – ins Spiel brachte,
erwies sich allerdings schnell als „Dynamit“, wie Wilsons Außenminister
Robert Lansing voraussagte. Denn alle drei Komponenten des nationalen
Selbstbestimmungsrechts – Nation, Selbstbestimmung und Recht – sind doppel-
und mehrdeutig: Das Selbst, das angeblich bestimmen soll, bleibt im
Nebulösen, zweitens soll es national, also beschränkt, und drittens
rechtlich, also universell, sein. Von einem solchen Kobold sind rational
vertretbare und politisch akzeptable Lösungen nicht zu erwarten.
Der Schweizer Philosoph Andreas Cassee vertrat in seinem fulminanten
Beitrag die Gegenthese, nämlich das Recht auf globale Bewegungsfreiheit,
denn unter rechtlichen Gesichtspunkten ist die Unterscheidung von „Wir“ und
den „Fremden“ mit den universell geltenden Menschenrechten schlicht
unvereinbar. Dass die sogenannte Realpolitik mit solchen Einsichten nicht
Schritt halten will, spricht nicht gegen die Einsicht, sondern gegen die
Politik, die Realitäten nicht wahrnimmt und Rechtsstandards ignoriert.
Im dritten Teil der Tagung kam es zu einer spannenden Kontroverse zwischen
François Crepeau, dem kanadischen Richter und UN-Berichterstatter für die
Rechte von Migranten, und der deutschen Juraprofessorin und
Exverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff. Crepeau vertrat engagiert die
These, dass Migranten keine Stimme haben und von staatlicher Politik mit
schiefen Argumenten und perspektivenloser Repression von ihren Rechten
ferngehalten werden. Mit der Repression gegen Flüchtlinge fördern Staaten
nur die Starken und Korrupten (nämlich die Schlepper), so wie die USA zur
Zeit des Alkoholverbots die Schmuggler und Verbrecher treibhausmäßig
züchteten.
Dem hatte die deutsche Professorin und Richterin – mit mehrfachem Hinweis
auf „eine Million Flüchtlinge in einem Jahr“ – nur den „deutschen Weg�…
entgegenzuhalten: Er besteht im Abschieben so viel wie möglich, denn die
Integrationskosten sind zu hoch. So sind sie, die Zustände in
Dunkeldeutschland.
17 Dec 2017
## AUTOREN
Rudolf Walther
## TAGS
Migration
Schwerpunkt Flucht
Integration
Theorie
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Eurozone
Schwerpunkt Flucht
Israel
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