# taz.de -- Kolumne Air de Paris: Der Eiffelturm würde weniger vermisst | |
> Er war Yéyé, Rock ’n’ Roll und Blues: Johnny Hallyday ist tot. Und auch | |
> der französische Schriftsteller und Journalist Jean d’Ormesson. | |
Bild: In den Straßen von Paris: der Trauerzug mit dem Sarg von Hallyday am 9. … | |
Es gibt Momente des Lebens in Frankreich, da steht man, egal wie lange man | |
schon dort lebt, egal wie gut man es zu kennen glaubt, vor diesem Volk, | |
oder besser gesagt mittendrin, und ist fasziniert. In dieser Woche verlor | |
Frankreich gleich zwei große Männer: am Dienstag Jean d’Ormesson, am | |
Mittwoch Johnny Hallyday. Diese Männer waren weder Politiker noch | |
Kriegsherren, sie waren keine Entscheider, sie waren nicht das, was man | |
gemeinhin mächtig nennen würde. | |
Und trotzdem waren sie es, das wurde vergangene Woche plötzlich ganz klar. | |
Meine Mutter würde etwas hochtrabend sagen, sie waren „die Seele | |
Frankreichs“, und vielleicht ist das noch nicht einmal falsch. An den | |
beiden Tagen, am Dienstag und am Mittwoch, herrschte Ausnahmezustand. Alle | |
Radiosendungen wurden gestrichen für Specials. | |
Den ganzen Tag lang hörte man Jean d’Ormesson mit weicher Stimme sprechen,, | |
immer zu einem Scherz, einem „bon mot“, aufgelegt. Über Literatur, | |
natürlich, über Frankreich, über die Frauen, die er liebte, über die Welt, | |
die es zu entdecken galt, über das Leben, das er mit seinen zweiundneunzig | |
Jahren immer noch wundervoll fand. Und dann hörte man, hört man seit | |
vergangenem Donnerstag Johnny Hallyday. Johnny, wie alle sagen. | |
Sein Verschwinden rüttelt noch mehr an der französischen Seele, einfach | |
weil „Johnny“ immer da war. Für die Nachkriegsgeneration, ihre Kinder, ihre | |
Kindeskinder. 1962 war er, wie er damals unter de Gaulle sang, „L’Idole des | |
jeunes“, er war Yéyé, Rock ’n’ Roll, Blues. Er war es, der die Franzosen | |
im Dezember 1999 auf den Champs Élysées in die Jahrhundertwende begleitete, | |
der im vergangenen Jahr am ersten Gedenktag der Anschläge auf Charlie Hebdo | |
auf der Place de la République sang. | |
Patrick Bruel, der Sänger, sagte am Samstag während der Gedenkfeier in der | |
Église de la Madeleine: „Es ist, als hätte man über Nacht die Tour Eiffel | |
geklaut. Nur hätte der alte Turm mir weniger gefehlt.“ Mehrere tausend | |
Menschen waren gekommen: junge und alte, mehr alte, Rocker auf Motorbikes, | |
Menschen, die normalerweise nicht in dieser Ecke von Paris herumstehen, | |
standen da am Samstagmorgen unter einem strahlend blauen Himmel an den | |
Champs Élysées, der Place de la Concorde, der Place de la Madeleine, um | |
ihrem Idol die letzte Ehre zu erweisen. Sie weinten, lachten, tanzten, | |
umarmten sich und sangen seine Lieder. | |
„Egal wer ihr seid, egal wo ihr seid, klatscht ein letztes Mal für Johnny“, | |
forderte Emmanuel Macron auf, der die Zeremonie mit einer Rede eröffnete. | |
Und Tausende Menschen klatschten gemeinsam im Herzen von Paris. In solchen | |
Momenten schaut man sich um und kann nur gerührt sein darüber, wie sehr | |
sich dieses stets meckernde, gespaltene Volk in seiner Liebe zu einem | |
Sänger, einem Schriftsteller, zu zwei großen Männern der Kunst, | |
wiederfinden und vereinen kann. | |
14 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Annabelle Hirsch | |
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