# taz.de -- Anti-Korruptions-Bekämpfung in Israel: Netanjahu kapituliert | |
> Das umstrittene „Empfehlungsgesetz“ hätte Israels Premier vor | |
> Strafverfolgung geschützt. Proteste dagegen zeigten nun Wirkung. | |
Bild: Kapituliert vor dem Bürgerprotest: Der israelische Ministerpräsident Be… | |
JERUSALEM taz | So unmittelbar führt ein Bürgerprotest selten zum Erfolg. | |
Die Kettenreaktion, die am Samstagabend mit einer | |
Anti-Korruptions-Kundgebung von rund 20.000 Israelis in Tel Aviv begann, | |
führte am Sonntagnachmittag zur Kapitulation von Regierungschef Benjamin | |
Netanjahu. Die umstrittene Gesetzreform, die Politiker vor einer | |
Strafanzeige während ihrer Amtszeit schützen soll, werde nicht für „die | |
laufenden Untersuchungen in meiner Angelegenheit“ gelten, verkündete | |
Netanjahu auf seiner Facebook-Seite. Er bedauerte, dass „die Debatte um das | |
Empfehlungsgesetz zur politischen Waffe gegen die gewählte Regierung | |
geworden“ sei. | |
David Amsalem, Abgeordneter von Netanjahus Likud-Partei und Initiator der | |
Gesetzreform, die es der Polizei untersagen würde, ihre Empfehlung zur | |
Anklage amtierender Politiker an die Oberstaatsanwaltschaft abzugeben, | |
legte die für am Montag geplante Abstimmung in zweiter und dritter Lesung | |
der Knesset (Parlament) erst einmal auf Eis. | |
Derzeit laufen zwei polizeiliche Ermittlungen gegen Netanjahu. Beide haben | |
das Potential, ihn zu Fall zu bringen. Bei der sogenannten Akte 1000 geht | |
es um Geschenke wohlhabender Freunde, teure Zigarren für den | |
Regierungschef, Champagner für seine Ehefrau Sara sowie Zuwendungen | |
unterschiedlicher Art an die beiden Söhne. Einer Zeugenaussage von Hadas | |
Klein zufolge, die Geschenke des Filmproduzenten Arnon Milchan persönlich | |
überbracht haben will, habe Sara Netanjahu „Champagner in 12er Kisten | |
bestellt“. | |
Die zweite Untersuchung, die bei der Polizei als Akte 2000 geführt wird, | |
dreht sich um unredliche Absprachen zwischen Netanjahu und Arnon Moses, | |
Verleger der Tageszeitung Jediot Achronot. Im Gegenzug für eine | |
wohlwollendere Berichterstattung des sonst recht regierungskritischen | |
Blattes habe Netanjahu, soweit bekannt wurde, dafür sorgen wollen, die | |
Auflage der Konkurrenzzeitung Israel Hajom zu reduzieren. | |
Netanjahu selbst stritt bislang jeden Vorwurf ab. Es werde „nichts | |
herauskommen, denn es gibt nichts“ gegen ihn, so sein Mantra. Die | |
bisherigen Informationen, die nur bruchstückhaft von den polizeilichen | |
Untersuchungen an die Presse durchsickern, deuten auf das Gegenteil. | |
## Maßgeschneidert für Netanjahus aktuelle Not | |
Besonders düster für Netanjahu war die Botschaft seines früheren Bürochefs | |
Ari Harrow, der als Kronzeuge zum Vorwurf der Absprachen mit Jediot | |
Achronot auszusagen bereit ist. In der Akte 1000 scheint die Polizei einem | |
Abschluss der Untersuchungen näherzukommen. Erst vor zwei Wochen fanden | |
Verhöre mit dem australischen Milliardär James Packer statt, der, wie die | |
Polizei derzeit prüft, die Familie Netanjahu möglicherweise reich beschenkt | |
hat. | |
Die Tatsache, dass das Empfehlungsgesetz geradezu maßgeschneidert für | |
Netanjahus aktuelle Not erschien, gepaart mit dem Massenprotest am | |
Wochenende, veranlasste Politiker zweier Koalitionsparteien öffentlich auf | |
Distanz gehen, darunter sogar Justizministerin Ajelet Schaked von der | |
Siedlerpartei Das jüdische Heim. | |
Die Abgeordnete Merav Ben-Ari von der Mittepartei Kulanu schlug am Ende | |
vor, das Inkrafttreten der Reform um drei Monate zu verschieben. So wird es | |
vermutlich gemacht. „Allein der Anschein, es handelte sich hier um ein | |
‚persönliches Gesetz‘“, müsse verhindert werden, twitterte Ben-Ari. | |
Kulanu-Chef Mosche Kachlon befreite die Fraktionsmitglieder von Vorgaben | |
für die Abstimmung, und auch Bildungsminister Naftali Bennett, Chef der | |
Siedlerpartei Das jüdische Heim, will den Parteigenossen die Entscheidung | |
über das Empfehlungsgesetz selbst überlassen, wenn es zur Abstimmung kommt. | |
Eine Mehrheit der Abgeordneten ist damit nicht mehr sicher gewesen, was | |
Hauptgrund dafür gewesen sein dürfte, dass Netanjahu sich selbst von dem | |
geplanten Gesetz ausschloss. Sein Ziel sei, die Gesetzreform zu retten. | |
„Das Empfehlungsgesetz ist gut“, verkündete er via Facebook. „Es schützt | |
die Würde des Menschen.“ | |
4 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## TAGS | |
Benjamin Netanjahu | |
Israel | |
Knesset | |
Schwerpunkt Korruption | |
Israel | |
Westjordanland | |
Theresa May | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Asyl- und Migrationspolitik in Israel: 5.000 Dollar für jeden Geflüchteten | |
Um die Zahl der Einwanderer in Israel zu verringern, will Netanjahu | |
Beziehungen zu Afrika vertiefen. Abkommen dazu sind nach wie vor geheim. | |
Streit um Israelpolitik der USA: USA und PLO vor neuer Eiszeit | |
Washington droht, die Vertretung der Palästinenser zu schließen. Denn diese | |
wollen Israel vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen. | |
Britische Ministerin tritt zurück: Urlaub mit Netanjahu – das geht nicht | |
Die Entwicklungsministerin Priti Patel stürzt über ungenehmigte Treffen in | |
Israel. Auf sie folgt die Brexit-Befürworterin Penny Mordaunt. |