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# taz.de -- Prozess gegen Journalisten in der Türkei: Ein Maulkorb für die Pr…
> Sechs Journalisten sind angeklagt: Sie hatten über heikle E- Mails des
> Energieministers und Erdoğan-Schwiegersohns Berat Albayrak berichtet.
Bild: Berat Albayraks Beziehungen zu Recep Tayyip Erdogan werfen ein langen Sch…
Der Fall [1][Redhack] könnte für die türkische Präsidentenfamilie sehr
unbequem werden. In der langen Reihe der Prozesse gegen Journalisten in der
Türkei wird am Dienstag im Justizpalast von Istanbul ein besonders heikles
Verfahren eröffnet: Dabei geht es um die geleakten E-Mails von Berat
Albayrak, dem Energieminister, der auch Schwiegersohn und enger Vertrauter
von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist.
Im September 2016 hatte die linke Hackergruppe Redhack das persönliche
E-Mail-Konto Berat Albayraks geknackt – und dessen Mails daraufhin im
Internet veröffentlicht und an Reporter verschickt.
Mehrere Journalisten berichteten daraufhin über den Inhalt der Mails – aus
denen hervorging, dass der Energieminister insgeheim auch Chef des
Unternehmens PowerTrans sei. PowerTrans befördert, gegen den Willen der
irakischen Zentralregierung, Öl aus dem Nordirak.
## Die Hacker sind nicht bekannt
Die Redhack-Gruppe hatte schon vorher immer wieder mit spektakulären
Aktionen für Aufmerksamkeit gesorgt. So drang sie im Jahr 2012 in das
Computersystem der Polizei von Ankara ein und veröffentlichte Details über
deren Spitzel.
Wer zu Redhack gehört, ist nicht bekannt, Mitglieder der Gruppe wurden
bislang nicht festgenommen – aber im Zuge der Ermittlungen führte die
Polizei am 25. Dezember 2016 sechs Journalisten ab. Gegen drei von ihnen,
Tunca Öğreten, Mahir Kanaat und Ömer Çelik, wurde am 18. Januar
Untersuchungshaft angeordnet.
Alle sechs werden beschuldigt, die Inhalte der Mails des Schwiegersohns in
den sozialen Medien verbreitet und als Journalisten über sie berichtet zu
haben.
Die Anklageschrift wirft ihnen das Hacken von Daten vor, einige der
Journalisten werden zudem der „Propaganda für eine Terrororganisation“
beschuldigt oder „Straftaten im Namen einer bewaffneten Terrororganisation“
begangen zu haben, „ohne Mitglied einer solchen“ zu sein. Einzig Mahir
Kanaat wird auch „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ vorgeworfen.
Die Anklage beruft sich auf einen anonymen Zeugen. Dieser habe ausgesagt,
dass der Mail-Hack beim Energieminister das Ziel gehabt habe, den
Staatspräsidenten der Türkei und die türkische Regierung in die Nähe der
Terrororganisation IS zu rücken. Außerdem habe man den Ruf Albayraks
zerstören wollen.
Als Beweis gegen die Journalisten gilt in der Anklageschrift – neben den
Vorwürfen über ihre Berichterstattung und ihre Postings in sozialen Medien
– eine Chat-Gruppe auf Twitter. Der Twitter-Account des Hackerkollektivs
hatte diese Chat-Gruppe zwecks Austauschs über den Leak eingerichtet und 18
Journalisten, ohne sie vorher zu fragen, hinzugefügt.
Nach Ansicht der Anwälte der Journalisten steht „in der Anklageschrift
nichts, was eine Inhaftierung begründen würde“, wie sie im Gespräch mit
taz.gazete erklären. Es seien nicht ihre Mandanten gewesen, die das
E-Mail-Konto des Energieministers gehackt hätten.
Staatsanwalt Yakup Ali Kahveci hingegen ist laut Anklageschrift der
Auffassung, dass „die Verdächtigen aufgrund ihrer sozialen Stellung und
ihrer Ausbildung hätten wissen müssen, dass diese Informationen, die auf
solch eine illegale Art und Weise beschafft wurden, nicht im Rahmen einer
Berichterstattung zu werten sei“.
Mahir Kanaat sagte in einem Interview mit dem Onlineportal P24: „Redhack
stahl dem Energieminister die Geldbörse und veröffentlichte die darin
enthaltene Summe und die Kreditkarten. Zudem veröffentlichten sie auch, wie
und wann sie es gestohlen hatten. Ich habe als Journalist darüber
berichtet. Die Justiz machte es sich leicht und nahm mich fest.“
Auch der seit dem 27. Februar inhaftierte Türkei-Korrespondent der Welt,
[2][Deniz Yücel], hatte in seiner Zeitung über die Mails berichtet. Er war
anfangs Teil der Ermittlungen gegen das Hackerkollektiv.
Als die Anklageschrift im Redhack-Verfahren im Juni veröffentlicht wurde,
erfuhren Yücels Anwälte, dass sein Fall von den anderen abgetrennt worden
war. Yücels Anwalt, Veysel Ok, berichtet, er habe bis heute seitens des
Staatsanwalts keine Begründung für die Abtrennung erhalten.
In der Anklageschrift gegen die sechs Journalisten taucht Deniz Yücels Name
dennoch auf: Die beiden angeklagten Mahir Kanaat und Tunca Öğreten sollen
mit Yücel telefoniert haben, heißt es dort. Kanaat sagte dazu in einem
Interview mit der Nachrichtenplattform „P24“: „Nichts ist normaler, als
dass ein Richter einen anderen Richter, ein Sesamkringelverkäufer einen
anderen Sesamkringelverkäufer, ein Banker einen anderen Banker und ein
Journalist einen anderen Journalisten kennt. Dass ich Kontakt zu Deniz
Yücel aufgenommen habe, ist nichts Ungewöhnliches.“
Energieminister Albayrak selbst hat vor einigen Wochen beantragt, als
Nebenkläger zugelassen zu werden. Ob das Gericht dem stattgibt, wird am
ersten Tag der Gerichtsverhandlung entschieden.
Der ebenfalls in diesem Verfahren angeklagte Redaktionsleiter der
Nachrichtenagentur DIHA, Ömer Çelik, kommentiert den Antrag des Ministers
folgendermaßen: „Man kann dieses Vorgehen als offene Botschaft an das
Gericht bewerten, nämlich die direkte Einmischung der Regierung in diesen
Prozess.“
23 Oct 2017
## LINKS
[1] /Nach-Protesten-in-der-Tuerkei/!5063806
[2] /Frueherer-taz-Journalist-in-Gefangenschaft/!5382370
## AUTOREN
Beyza Kural
## TAGS
Türkei
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