| # taz.de -- Demo 50 Jahre nach dem Vietnamkrieg: „Krieg ist immer noch falsch… | |
| > Die Veteranen der alten Friedensbewegung kehren nach Washington zurück. | |
| > An ihren Überzeugungen hat sich wenig geändert, nur die Jugend fehlt. | |
| Bild: Singen für den Frieden auf der Welt: Peter Yarrow vor dem Pentagon | |
| Washington taz | Sie wollten das Pentagon aus den Angeln heben, die | |
| Kommandozentrale für den Krieg. An die 100.000 junge Leute – die meisten | |
| davon Männer – verlangten am 21. Oktober 1967 in Washington den | |
| bedingungslosen Abzug der USA aus Vietnam. Manche von ihnen hatten bereits | |
| ihre Einberufungsbefehle an die Regierung zurückgeschickt. Andere sollten | |
| sie in der folgenden kalten Oktobernacht in Lagerfeuern verbrennen, an | |
| denen sie sich wärmten. | |
| Sie schwenkten Fahnen des Vietcong und ließen den wenige Tage zuvor in | |
| Bolivien ermordeten Che Guevara hochleben. Einige schafften es, die Stufen | |
| bis zu dem Eingang zu dem riesigen fünfeckigen Bürogebäude, der | |
| Kriegszentrale, hochzustürmen. Oben wurden sie von Soldaten, | |
| Militärpolizisten und Bundespolizisten empfangen, auf deren Gewehren die | |
| Bajonette aufgesetzt waren. Ein junger Demonstrant steckte Nelken in die | |
| Gewehrläufe der Gleichaltrigen in Uniform. | |
| Die Demonstration war ein Wendepunkt. Zwar schickte die US-Regierung in den | |
| folgenden Jahren noch mehr Soldaten, Bomben und Gase in den Krieg, doch | |
| zugleich wurde die Antikriegsbewegung immer stärker. Tausende junge Männer | |
| verweigerten den Kriegsdienst, flohen nach Kanada und Europa oder gingen | |
| eher ins Gefängnis als nach Vietnam. | |
| Ein halbes Jahrhundert nach dem „March on the Pentagon“ sind ein paar | |
| Dutzend Veteranen der Antikriegsbewegung erneut an der Nordwestecke des | |
| Pentagon zusammengekommen. Dieses Mal stehen sie auf einem Stückchen Wiese, | |
| das von mobilen Absperrgittern umgeben ist. Sie sind längst Rentner, und | |
| sie wissen, dass sie allenfalls eine Schlacht gewonnen haben. Auf ihren | |
| handgemalten Schildern steht: „Krieg ist immer noch die falsche Antwort“ | |
| und „Agent Orange tötet weiterhin“. Ein weißhaariger Mann hält eine lange | |
| Klageliste hoch, auf der unter anderem zu lesen ist: „Geschäfte mit | |
| Kriegen, Invasionen, Besatzungen, Unterstützung von Diktatoren, | |
| Unterwanderung von Friedensgruppen und Lügen an das amerikanische Volk“. | |
| Titel: „Nicht gelernte Lektionen aus Vietnam“. | |
| ## Die Jugend fehlt | |
| Mit von der Partie sind der erste Chef der US-amerikanischen | |
| Studentenorganisation SDS, Gründungsmitglieder der Yippies, die einst ein | |
| Schwein namens „Pigasos“ als Kandidaten für das Weiße Haus nominierten, d… | |
| ehemalige Navy-Krankenschwester Susan Schnall, die in San Francisco | |
| Flugblätter gegen den Krieg über Kasernen abgeworfen hatte, und der | |
| Folkmusiker Peter Yarrow. 1967 ist Yarrow wie oft bei | |
| Antivietnamkriegsdemonstrationen mit seiner Band Peter, Paul and Mary | |
| aufgetreten. Jetzt ist er allein mit seiner Gitarre und singt: „Where have | |
| all the flowers gone?“ Er ist 79, er ist kleiner geworden, und das Plektron | |
| in seiner rechten Hand zittert. Aber sein Publikum singt ergriffen mit, und | |
| seine zwischen die Lieder gesprochene Botschaft ist klar. „Wir werden | |
| weiter betrogen“, sagt Yarrow: „Guantánamo, Irak und jener, den wir nicht | |
| namentlich nennen [der gegenwärtige US-Präsident, d. Red.], der die | |
| Amerikaner gegeneinander aufhetzt“. Unterdessen knirscht es laut in den | |
| Walkie-Talkies der Militärpolizisten, die hinter den Absperrgittern wachen. | |
| Ihr Jubiläumstreffen halten die Veteranen ganz ohne junge Leute ab. Die | |
| große Bewegung gegen den Krieg, die Ende der 60er Jahre die Sympathie der | |
| Mehrheit der US-Amerikaner gewann, ist verschwunden. „Es gibt eine | |
| kognitive Dissonanz“, befindet Ex-SDS-Chef Alan Haber, 81: „die | |
| Kriegspartei, bestehend aus Republikanern und Demokraten, ist an der Macht, | |
| und die jungen Leute befassen sich mit einfacheren Themen, wie dem Klima.“ | |
| Andere Gründe kommen hinzu. Die US-Spitze hat Lehren aus Vietnam gezogen. | |
| Sie hat den Militärdienst abgeschafft, sie hat die Arbeit von Journalisten | |
| auf Kriegsschauplätzen unter Kontrolle gestellt, sie hat die Bilder von | |
| heimkehrenden Särgen verdrängt, und sie hat die Kriege auf Fernsteuerung – | |
| unter anderem mit Drohnen – umgestellt. Die USA bombardieren zwar in Asien, | |
| auf der Arabischen Halbinsel und zunehmend in Afrika, und der US-Präsident | |
| droht gerade drei weiteren Ländern – Iran, Nordkorea und Venezuela – mit | |
| Krieg, aber nicht einmal 1 Prozent der US-Bevölkerung sind persönlich daran | |
| beteiligt. Das ändert die heimische Diskussion. | |
| ## Der Krieg der Afroamerikaner | |
| In Vietnam starben besonders viele schwarze GIs. Aber die | |
| Antikriegsbewegung kam überwiegend aus der weißen Mittelschicht. Die | |
| wenigen schwarzen Demonstranten beim March on the Pentagon trugen | |
| Transparente mit der Aufschrift: „Kein Vietnamese hat mich je Nigger | |
| genannt.“ Im Sommer 1967 hatte es Dutzende von Unruhen quer durch Städte | |
| der USA gegeben. Fast immer war der Auslöser Polizei- und andere | |
| rassistische Gewalt. An dieser Front waren die meisten afroamerikanischen | |
| Aktivisten tätig. | |
| Clay Claiborne nennt es „den Krieg gegen Black America“. Mit 18 war er | |
| allein von St. Louis in Missouri nach Washington gereist, um vor dem | |
| Pentagon zu demonstrieren. Nach seiner Rückkehr wurde er Studentenpolitiker | |
| und landete wegen zivilen Ungehorsams gegen den Krieg im Gefängnis. 2017 | |
| ist er erneut einer der jüngsten Teilnehmer des Treffens und der einzige | |
| Afroamerikaner. Im Interview sagt er: „Die Linken in diesem Land | |
| unterschätzen bis heute die weiße Macht.“ | |
| Bis zum Tag des March on the Pentagon waren 28.000 US-Soldaten in dem Krieg | |
| in Südostasien gestorben. Weitere 30.000 sollten es bis zum Kriegsende im | |
| Jahr 1975 werden. Zum Abschluss ihres Treffens besuchen die | |
| Antikriegsveteranen die schwarze Mauer in dem Park im Zentrum, die die | |
| Namen der getöteten trägt. Es ist eine lange und grausame Liste. Doch weder | |
| jene US-Soldaten, die nach ihrer Rückkehr an den Kriegsfolgen starben, noch | |
| die Namen der Menschen, die in dem US-Krieg in Vietnam, Laos und | |
| Kambodscha ums Leben kamen, sind aufgelistet. Ihre Zahl wird auf weit | |
| über drei Millionen geschätzt. | |
| 22 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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