# taz.de -- Repression in der Türkei: Demokratiestifter Kavala verhaftet | |
> Der türkische NGO-Mogul Osman Kavala förderte über Jahrzehnte linke, | |
> demokratiefördernde und kulturelle Projekte. Nun wurde er verhaftet. | |
Bild: Osman Kavala bei einer Pressekonferenz im Europäischen Parlament, 2014 | |
Wer immer in Istanbul Kontakte zur türkischen Zivilgesellschaft suchte, | |
traf früher oder später auf Osman Kavala. Angefangen vom Anatolischen | |
Kulturverein über das Veranstaltungs- und Kulturzentrum Cezayir bis hin zu | |
Initiativen zum friedlichen Austausch mit der kurdischen Minderheit, | |
überall war Osman Kavala engagiert. | |
Am Mittwochabend wurde er, von Gaziantep im Osten der Türkei kommend, bei | |
der Landung in Istanbul verhaftet. Er hatte dort an einem Treffen mit | |
Mitarbeitern des Goethe-Instituts teilgenommen, um ein neues Kulturprojekt | |
ins Leben zu rufen. | |
Der heute 60-jährige Osman Kavala ist so etwas wie ein türkischer Reemtsma. | |
Er ist der Erbe einer großen Industrieholding, der mit dem Geld über | |
Jahrzehnte linke, demokratiefördernde und kulturelle Projekte unterstützt. | |
Zudem fördert seine Organisation den Dialog mit Armenien, zu dem die Türkei | |
wegen des Streits über die Bewertung der Massaker an den Armeniern im | |
Osmanischen Reich bis heute keine Beziehungen unterhält. Bereits als Osman | |
die Holding 1982, zwei Jahre nach dem Militärputsch vom September 1980, | |
übernahm, stellte er das Geld für die Gründung von İletişim, einem bis | |
heute großen linken Verlag, zur Verfügung. Als neuer Chef der | |
Kavala-Holding war er der Erste, der die ersten Personalcomputer | |
„Commodore“ in die Türkei einführte. | |
Osman Kavala hatte zuvor in England Wirtschaft studiert und ist schon qua | |
Erziehung ein überzeugter türkisch-europäischer Demokrat. Er gründete die | |
Organisation Helsinki Citizens’Assembly in der Türkei mit und förderte alle | |
Initiativen, von denen er hoffte, dass mit ihrer Hilfe eine demokratische | |
Entwicklung in der Türkei gestärkt werden könnte. Mit der deutschen | |
Heinrich-Böll-Stiftung und dem Goethe-Institut hat er vielfach | |
zusammengearbeitet. So werfen ihm Trolle aus dem Regierungslager jetzt auch | |
vor, sich in Gaziantep mit „deutschen Agenten“ getroffen zu haben. | |
## Geheime Ermittlungen | |
Seine Frau, Ayşe Buğra, eine renommierte Wirtschaftswissenschaftlerin, war | |
noch in der Nacht gemeinsam mit einem Anwalt bei der Polizei, konnte aber | |
nichts darüber erfahren, was konkret Osman Kavala vorgeworfen wird. Die | |
Ermittlungen seien geheim, hieß es. Kavala wird der Zugang zu Anwalt und | |
Familie für mindestens sieben Tage verwehrt. | |
Menschenrechtler reagierten besorgt auf die Festnahme. Es handele sich um | |
den „jüngsten Angriff auf die Zivilgesellschaft in der Türkei“, schrieb | |
Andrew Gardner von Amnesty International auf Twitter. „Osman Kavala hat | |
sich unermüdlich für Versöhnung, Dialog und die Herrschaft des Rechts in | |
der Türkei eingesetzt“, erklärte Emma Sinclair-Webb von Human Rigths Watch. | |
Auch Kati Piri, Türkeiberichterstatterin des Europarlaments hat ihr | |
Entsetzen geäußert. Für die gesamte linksintellektuelle Szene in der Türkei | |
ist die Verhaftung von Osman Kavala ein Schock. Die Befürchtung ist groß, | |
dass mit der Verhaftung von Kavala eine neue Welle von Festnahmen im | |
demokratischen linken Kulturbereich eingeleitet werden könnte. | |
19 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Wolf Wittenfeld | |
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