# taz.de -- Musiker Tom Petty ist tot: Aufhören wollte er noch nicht | |
> Gerade erst hatte Tom Petty mit seinen „Heartbreakers“ eine Tournee | |
> abgeschlossen. Eine Abschiedstour sollte es sein. Jetzt ist der Sänger | |
> überraschend gestorben. | |
Bild: Tom Petty, Archivbild aus dem Jahr 2008 | |
Es ist alles drin in diesen Zeilen: „She’s a good girl, loves her mama / | |
Loves Jesus and America too / She’s a good girl, crazy ’bout Elvis / Loves | |
horses and her boyfriend too“. Tom Pettys erster richtiger Hit aus dem Jahr | |
1989, „Free Fallin’“, sollte dem Sänger und Gitarristen den Weg in die | |
Stadien ebnen. Obendrein enthielt er, neben einem dieser Ohrwurm-Refrains, | |
die auf brillante Weise Melancholie und Euphorie austarieren, ein Rezept | |
zum Verständnis dieser riesigen Vereinigten Staaten, die Petty seit seiner | |
Geburt am 20. Oktober 1950 seine Heimat nannte. | |
Die Zutaten im Text: Liebe zum Vaterland und zur Familie, kombiniert mit | |
tiefer Gottgläubigkeit, bei einem gleichzeitigen Drang nach Freiheit und | |
Unabhängigkeit und einer obsessiven Verehrung von Pop-Ikonen. Man wird dem | |
Mann mit dem Blondschopf und dem markanten Unterkiefer nicht gerecht, | |
unterstellte man ihm hier ironiefreien Hurra-Patriotismus. Der Songwriter | |
Petty besaß eine schlichte Aufrichtigkeit, die ihm half, die Sorgen und | |
Nöte nicht nur seiner Landsleute mitsingbar auf den Punkt zu bringen. Die | |
Imperative seiner größten Hits lassen sich auch mit geringen | |
Englischkenntnissen verstehen: „I Need to Know“, „Don’t Do me Like That… | |
„Don’t Come Around Here No More“. | |
Wie Millionen anderer junger US-Amerikaner sah Tom Petty im Februar 1964 | |
den Auftritt der Beatles in der Ed Sullivan Show. „Das war es“, erinnerte | |
sich der in Gainesville, Florida, geborene Petty später. „Das war der | |
Ausweg. Ich war kein sportlicher Typ, wusste nicht viel mit mir anzufangen. | |
Aber ich wusste – das war etwas, das auch ich konnte.“ Mit 17 Jahren brach | |
er für die Musik die Schule ab. Auf die niederschmetternde Erfolglosigkeit | |
seiner Band Mudcrutch reagierte er, indem er mit Mitte 20 nach Los Angeles | |
zog, der Stadt, deren ikonische Orte er in „Free Fallin’“ besingt. | |
In Kalifornien gründete er 1976 die Heartbreakers, die Band mit den alten | |
Jugendfreunden Mike Campbell und Benmont Tench, die ihn bis zum Schluss | |
begleiten sollten. Doch auch am Pazifik blieb der Durchbruch vorerst aus. | |
Anachronistisch muss seine Musik damals, als in England schon der Punk | |
tobte, gewirkt haben. Die Heartbreakers klangen mehr nach Chuck Berry und | |
Bo Diddley, nach dieser Ursuppe des Rock ’n’ Roll, aus der schon eine halbe | |
Generation vor ihnen geschöpft hatte. Aber der Erfolg war unausweichlich, | |
denn: So eingängige Melodien wie Petty schrieben im Pop-Business der späten | |
Siebziger eigentlich nur Fleetwood Mac, mit deren Sängerin Stevie Nicks | |
sich Petty für das grandiose „Stop Draggin’ My Heart Around“ zusammentat. | |
Und er schrieb Songs zumindest teilweise aus weiblicher Perspektive: | |
„American Girl“, „Listen To Her Heart“ und natürlich „Free Fallin’… | |
Mit seiner kalifornischen Nonchalance und seiner Bescheidenheit war er so | |
etwas wie der machismofreie Bruder des anderen großen Amerika-Verstehers, | |
Bruce Springsteen. Am Abend des 2. Oktober ist Tom Petty im Alter von 66 | |
Jahren nach einem Herzstillstand gestorben. | |
3 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Jan Paersch | |
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