Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Weltwanderer macht Station in Berlin: Frieden? Läuft!
> Stefan Horvath ist „Weltfriedenswanderer“. Seit 28 Jahren läuft er durch
> die Welt und engagiert sich für Toleranz und gegen Nazis. Gerade machte
> er Station in Berlin
Bild: Weiter und immer weiter: Seit 28 Jahren ist Stefan Horvath unterwegs
Stefan Horvath ist ein schräger Vogel – anders kann man den Österreicher
kaum bezeichnen. Er steht mit blauweißer Pudelmütze, brandneuen knallblauen
Sportschuhen und schwarzer Funktionshose vor dem Hotel Adlon nahe des
Brandenburger Tors. Immer wieder formt er die Finger zum Peacezeichen.
Horvath fällt hier allein wegen seines Aussehens auf zwischen all den
Schlipsträgern, Hotelpagen und Selfiestick schwingenden Touris. Wenn man
sich mit ihm unterhält, wird schnell klar: Er fällt aus jeglichem Raster.
Horvath ist selbsternannter Weltfriedenswanderer. Womöglich der einzige auf
der Welt. Er ist 59 Jahre alt; 28 davon war unterwegs, hat knapp 50.000
Kilometer abgerissen. So die Eckdaten. Und das alles für den Weltfrieden.
„Alle Achtung für das, was ich mach“, sagt er sich selbst preisend.
Seine einsame Mission: Er will die Stimme erheben gegen Rechts und für
Toleranz. In den vergangenen Tagen war er in Berlin zu Besuch. Er liebe die
Weltoffenheit hier. So läuft er breit grinsend durch die Gegend, quatscht
Leute an und will mit ihnen über „braunes Gedankengut“ diskutieren, wie er
immer wieder sagt. Die Menschen müssten aufwachen. „Teilweise drehen sich
die Uhren hier im Osten zurück Richtung DDR.“
## Das 52. Paar Schuhe
Kürzlich hat Stefan Horvath Dresden und Leipzig besucht. Er war bei einer
Pegida-Kundgebung, hat dort die Ein-Mann-Protestbewegung gegeben und wurde
bespuckt und angepöbelt. Von Leipzig ist er vier Tage gewandert und am
vergangenen Dienstag in Berlin angekommen.
Horvath hat keinen festen Wohnsitz, keine Krankenversicherung und lebt ohne
Geld. Gesponsert werde er von verschiedensten Unternehmen. Erst letztens
hat ihm eine Sportfirma die knallblauen Turnschuhe zukommen lassen, die er
stolz in Berlin präsentiert. Es handelt sich um das 52. Paar, seit er 1989
aus Wien seine scheinbar endlose Reise angetreten ist.
Seitdem ist er durch etliche Länder gelaufen. Aufzählen kann er sie alle
nicht mehr: Italien, Bosnien, Albanien. Dann stoppt er. „Fest steht, dass
ich in zwei Jahren nach Norwegen gehe und mich dort zur Ruhe setze.“ Denn
so langsam habe er seine Füße genug belastet. „Die sind schon ganz platt.“
Wie zum Beweis zieht Horvath einen Schuh aus: „Guck mal, nur noch Knochen,
kein Fleisch mehr.“ Das sei der Tribut seines Jobs als
Weltfriedenswanderer.
Wenn er erzählt, wechselt Horvath gerne und schnell das Thema. Gerade
berichtet er von einem vierwöchigen Erlebnis in einem bosnischen
Gefangenenlager, dann schwirren seine Gedanken schon wieder um
Zukunftspläne. Und bald stehe ja das alljährliche Weihnachtsessen für
Obdachlose mit Frank Zander an. Dafür kommt er kurz vor dem 24. Dezember
dann wieder zurück nach Berlin. „Man darf nicht nur demonstrativ unterwegs
sein, sondern muss auch aktiv sein.“
Horvath erzählt, er habe Sachspenden nach Ruanda geschickt, Krankenbetten
nach Bulgarien und Hilfstransporte nach Bosnien unterstützt. Er nennt sich
selbst ein Ein-Mann-Team: Weltfriedenswanderer, Geschäftsführer und
Pressesprecher in einem.
## Heimat kennt er nicht
Bei der Frage, ob ein solch rastloses Leben nicht einsam mache, muss der
59-jährige nicht lange überlegen. „Ja, manchmal sehr.“ Soziale Kontakte
brauche er aber gar nicht. Jeden Tag knüpft er neue, die dann wieder
vergehen. „Die Menschen sind meine sozialen Kontakte.“ Auf seiner 28 Jahre
langen Reise habe er auch gemerkt, dass ihm ein Begriff wie Heimat fern
ist. „Die Welt ist mein Zuhause.“ Nach Wien will er sowieso nicht mehr
zurück. „Da ham' wir die braune Kacke, das brauch ich nicht.“
Hier am Brandenburger Tor sei es zum Glück noch nicht so weit. Das sei sein
Lieblingsort in Berlin, daher wollte er sich vor dem Hotel Adlon treffen.
„Hier kommen Ost und West zusammen. Da ist es egal, ob schwarz, weiß, grün,
gelb oder blau.“ Genau diese Vielfalt sei es, für die er jeden Tag
einstehe.
Bevor seine Reise begann, ist er mal einen Marathon gelaufen, hat viel
Fußball gespielt und ist oft in den Bergen gewesen. So sah quasi das
Training für den Marathon seines Lebens aus. Inzwischen reduziert er aber
nach und nach sein tägliches Pensum: Anfangs sei er manchmal 100 Kilometer
am Tag gelaufen, heute seien es allerhöchstens noch 20 Kilometer.
In Norwegen will er dann sein Zielband durchreißen und die Füße hochlegen.
Die schnellste Route von Wien nach Oslo dauert zwölf Tage zu Fuß. Mit
Umwegen wird Stefan Horvath am Ende 30 Jahre gebraucht haben. „Meine
Endstation“. Er will weg von der Konsumgesellschaft. Rein in die Natur. Das
solle keine Isolation werden, meint er. Aber irgendwie auch doch.
Horvath will dann ein Buch schreiben. „In zwei Jahren kommt's raus.
20.000er Auflage.“ Das weiß er schon alles, obwohl noch kein Wort
geschrieben ist. Sogar der Titel steht schon fest: „Alle Wege führen nach
Norwegen“, soll es heißen.
1 Oct 2017
## AUTOREN
Max Nölke
## TAGS
Wandern
Europäische Integration
Österreich
Kolumne Erste Frauen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Marathonwandern in den Niederlanden: Mit zwei Paar Socken durch das Land
1916 durfte zum ersten Mal ein Frau am größten Wanderevent der Welt
teilnehmen. Annie Berkhout ist unfassbare 66 Mal auf die Strecke gegangen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.